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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] dunckler wird, biß er im dritten oder
vierdten Jahr allgemach vergehet und
nicht mehr zu sehen ist. Wann ein jun-
ger Bär zwey Jahr alt ist, spühret man
ihn stärcker in der Fährde, als die alte
Bärin, seine Mutter, wie anders Wild,
weil das männliche stärcker als das weib-
liche ist. Nach vier oder fünff Jahren,
wann der weisse Ring umb den Halß
ihm vergangen und die Haare bräuner
geworden, erlanget er seine Vollkommen-
heit. Wo sich Bäre aufhalten, da müs-
sen grosse Wildnüssen, Heyden und
Wälder seyn, ziemliche Felßen und wü-
ste Höhlen, darinnen sie des Winters
und des Sommers als in ihren Behält-
nissen wohnen. Denen Wölffen folgen
sie auff der Spuhr nach und was die-
selben gefangen, nehmen sie ihnen ab und
jagen die darvon, welche sich ihnen nicht
wiedersperren. Der Bär und Bärin
spühren sich, als wenn ein grosser Mensch
mit blossen Füssen gegangen wäre, und
ist zu mercken, daß ihnen nicht, wie an-
deren Thieren, die Vorder-Spuhr grös-
ser, als die hintere, sondern, wegen des
sitzens und stehens, die Hinter-Spuhr
grösser als die vordere ist. Die Klauen
kan man in der Fährd sehen, auch gehet
der Bär mit der Bärin offte beysam-
men. Zu Ausgang des Monats May
läufft die Bärin, gehet drey Viertel Jahr,
gleich einem Menschen, oder Weibs-
Volck, tragend, biß sie setzet. Jm Herbst
bey der Eichel- oder Buch-Mast werden
sie sehr feiste: Wenn aber ein kalter Win-
ter einfält, können sie wohl zur Noth
etliche Wochen aushalten: Sie liegen
dann (so ihnen der Grosse GOtt in der
Natur eingegeben hat,) in ihrem Lager,
welches sie mit Mooß zusammen getra-
gen und warm ausgefüttert. Des Win-
ters beym grossen Schnee, da sie nicht
viel finden, sondern vielmehr ihr Lager
verrathen würden, gehen sie nicht aus,
sondern saugen an den Klauen, wie auch
an den Hinter-Tatzen, knorren und mur-
meln vor Süßigkeit, die sie darvon ha-
ben; Maassen in dessen Anatomia befun-
den worden, daß von denen Tatzen an
innerlich gewisse Ductus und Röhrgen
gehen, wodurch sie ihr Fett oder Feiste,
wie auf eine andere Art der Dachs, zu
saugen pflegen: So haben sie auch vie-
les vom Dachs, zum Theil auch vom
Schwein. Seltsam aber ist es, daß sie
wegen ihrer Hinter- und Vorder-Füsse
auch im Brunfften stehen, gehen, schla-
[Spaltenumbruch] gen, und werffen, item steigen, umb-
greifen und dergleichen dem Menschen
in allem ziemlich gleich kommen, mit dem
Geruch aber denen Hunden ähnlich sind.
Es ist ein Thier von einer wunderbaren
Complexion und wohl zu betrachten.
Seine innerlichen Viscera und Einge-
weyde an Hertz, Lunge, Leber und Gal-
le, Diaphragma oder Zwerg-Fell, der
Wanst und Magen, Gedärme und al-
les innerliche Zubehörige, ingleichen die
Füsse, Ferse, Fußsohlen, Ballen, Zähen,
der hinteren, wie auch der Vörder-Tatzen
Ballen, Gelencke, Finger und Klauen, Ell-
bogen und Schultern, Knie nnd Arschba-
cken, gleichen in allen, der Anatomie nach,
dem Menschen, nur daß der Kopff, Nase,
Maul und Ohren, einem Schwein oder
Hunde, die Augen aber einem Dachs
ahnlicher sind. Wann im Frühling das
Thau-Wetter einfällt, gehen sie aus ih-
rem Lager nach ihrer Nahrung, und
nehmen mit dem vorlieb, was sie im Laub
finden. Sie können ein groß Stück Lu-
der tragen, und tragen, was sie fangen
und kriegen, recht in Armen gleich nach
ihrer Wohnung; Wann sie was verzeh-
ren, halten sie es fest in Vorder-Tatzen
und legen sich darbey nieder. Sie sind
nicht lange flüchtig, hören bald auf, und
verlassen sich auff ihre Stärcke. Wann
sie unter einander uneinig werden, beis-
sen, kratzen und schlagen sie sich mit gros-
sem Geschrey, brummen und schnau-
ben, schlappen mit der Zunge und Lippen,
und lassen sich nichts nehmen. Jhr
Wildpräth, weil sie fast wie die Dachse
und Schweine sich von Gewürm und
Wurtzeln nehren, schmecket süß und eckel,
als zahm Schweine-Fleisch und wird bey
Hoff in der Küchen verbrauchet; Die
Tatzen aber werden als eine Delicates-
se
vor die Herrschafft angerichtet. Die
Haut, so im Winter am besten, wird
gaar gemachet und zu Decken der Reit-
Pferde, auch in denen Kutzschen zur
Wärme und über die Kasten, solche vor
der Nässe zu verwahren, gebrauchet. Sein
Schweiß soll denen erschrockenen und
furchtsamen Menschen eingegeben, ei-
nen Muth machen; Auch soll man mit
seinem Fett einem andern unwissend ei-
nen grauen Bart zuwege bringen.
Sonst ist er ein Räuber derer wilden und
zahmen Thiere; Suchet Fische, streif-
felt den Hafer, am allermeisten a-
ber bedienet er sich gleichsam zu sei-
ner Würtze der Ameisen, welche er

in

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] dunckler wird, biß er im dritten oder
vierdten Jahr allgemach vergehet und
nicht mehr zu ſehen iſt. Wann ein jun-
ger Baͤr zwey Jahr alt iſt, ſpuͤhret man
ihn ſtaͤrcker in der Faͤhrde, als die alte
Baͤrin, ſeine Mutter, wie anders Wild,
weil das maͤnnliche ſtaͤrcker als das weib-
liche iſt. Nach vier oder fuͤnff Jahren,
wann der weiſſe Ring umb den Halß
ihm vergangen und die Haare braͤuner
geworden, erlanget er ſeine Vollkommen-
heit. Wo ſich Baͤre aufhalten, da muͤſ-
ſen groſſe Wildnuͤſſen, Heyden und
Waͤlder ſeyn, ziemliche Felßen und wuͤ-
ſte Hoͤhlen, darinnen ſie des Winters
und des Sommers als in ihren Behaͤlt-
niſſen wohnen. Denen Woͤlffen folgen
ſie auff der Spuhr nach und was die-
ſelben gefangen, nehmen ſie ihnen ab und
jagen die darvon, welche ſich ihnen nicht
wiederſperren. Der Baͤr und Baͤrin
ſpuͤhren ſich, als wenn ein groſſer Menſch
mit bloſſen Fuͤſſen gegangen waͤre, und
iſt zu mercken, daß ihnen nicht, wie an-
deren Thieren, die Vorder-Spuhr groͤſ-
ſer, als die hintere, ſondern, wegen des
ſitzens und ſtehens, die Hinter-Spuhr
groͤſſer als die vordere iſt. Die Klauen
kan man in der Faͤhrd ſehen, auch gehet
der Baͤr mit der Baͤrin offte beyſam-
men. Zu Ausgang des Monats May
laͤufft die Baͤrin, gehet drey Viertel Jahr,
gleich einem Menſchen, oder Weibs-
Volck, tragend, biß ſie ſetzet. Jm Herbſt
bey der Eichel- oder Buch-Maſt werden
ſie ſehr feiſte: Wenn aber ein kalter Win-
ter einfaͤlt, koͤnnen ſie wohl zur Noth
etliche Wochen aushalten: Sie liegen
dann (ſo ihnen der Groſſe GOtt in der
Natur eingegeben hat,) in ihrem Lager,
welches ſie mit Mooß zuſammen getra-
gen und warm ausgefuͤttert. Des Win-
ters beym groſſen Schnee, da ſie nicht
viel finden, ſondern vielmehr ihr Lager
verrathen wuͤrden, gehen ſie nicht aus,
ſondern ſaugen an den Klauen, wie auch
an den Hinter-Tatzen, knorren und mur-
meln vor Suͤßigkeit, die ſie darvon ha-
ben; Maaſſen in deſſen Anatomia befun-
den worden, daß von denen Tatzen an
innerlich gewiſſe Ductus und Roͤhrgen
gehen, wodurch ſie ihr Fett oder Feiſte,
wie auf eine andere Art der Dachs, zu
ſaugen pflegen: So haben ſie auch vie-
les vom Dachs, zum Theil auch vom
Schwein. Seltſam aber iſt es, daß ſie
wegen ihrer Hinter- und Vorder-Fuͤſſe
auch im Brunfften ſtehen, gehen, ſchla-
[Spaltenumbruch] gen, und werffen, item ſteigen, umb-
greifen und dergleichen dem Menſchen
in allem ziemlich gleich kommen, mit dem
Geruch aber denen Hunden aͤhnlich ſind.
Es iſt ein Thier von einer wunderbaren
Complexion und wohl zu betrachten.
Seine innerlichen Viſcera und Einge-
weyde an Hertz, Lunge, Leber und Gal-
le, Diaphragma oder Zwerg-Fell, der
Wanſt und Magen, Gedaͤrme und al-
les innerliche Zubehoͤrige, ingleichen die
Fuͤſſe, Ferſe, Fußſohlen, Ballen, Zaͤhen,
der hinteren, wie auch der Voͤrder-Tatzen
Ballen, Gelencke, Fingeꝛ und Klauen, Ell-
bogen und Schultern, Knie nnd Arſchba-
cken, gleichen in allen, der Anatomie nach,
dem Menſchen, nur daß der Kopff, Naſe,
Maul und Ohren, einem Schwein oder
Hunde, die Augen aber einem Dachs
ahnlicher ſind. Wann im Fruͤhling das
Thau-Wetter einfaͤllt, gehen ſie aus ih-
rem Lager nach ihrer Nahrung, und
nehmen mit dem vorlieb, was ſie im Laub
finden. Sie koͤnnen ein groß Stuͤck Lu-
der tragen, und tragen, was ſie fangen
und kriegen, recht in Armen gleich nach
ihrer Wohnung; Wann ſie was verzeh-
ren, halten ſie es feſt in Vorder-Tatzen
und legen ſich darbey nieder. Sie ſind
nicht lange fluͤchtig, hoͤren bald auf, und
verlaſſen ſich auff ihre Staͤrcke. Wann
ſie unter einander uneinig werden, beiſ-
ſen, kratzen und ſchlagen ſie ſich mit groſ-
ſem Geſchrey, brummen und ſchnau-
ben, ſchlappen mit der Zunge und Lippen,
und laſſen ſich nichts nehmen. Jhr
Wildpraͤth, weil ſie faſt wie die Dachſe
und Schweine ſich von Gewuͤrm und
Wurtzeln nehren, ſchmecket ſuͤß und eckel,
als zahm Schweine-Fleiſch und wird bey
Hoff in der Kuͤchen verbrauchet; Die
Tatzen aber werden als eine Delicateſ-
ſe
vor die Herrſchafft angerichtet. Die
Haut, ſo im Winter am beſten, wird
gaar gemachet und zu Decken der Reit-
Pferde, auch in denen Kutzſchen zur
Waͤrme und uͤber die Kaſten, ſolche vor
der Naͤſſe zu verwahren, gebrauchet. Sein
Schweiß ſoll denen erſchrockenen und
furchtſamen Menſchen eingegeben, ei-
nen Muth machen; Auch ſoll man mit
ſeinem Fett einem andern unwiſſend ei-
nen grauen Bart zuwege bringen.
Sonſt iſt er ein Raͤuber derer wilden und
zahmen Thiere; Suchet Fiſche, ſtreif-
felt den Hafer, am allermeiſten a-
ber bedienet er ſich gleichſam zu ſei-
ner Wuͤrtze der Ameiſen, welche er

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/177>, abgerufen am 21.11.2024.