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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von der Jagd oder dem Weyde-Werck.
[Spaltenumbruch] durch seine untergebene Förster Erkun-
digung eingezogen, wo und wie solche
Hirsche in der Brunfft stehen, und ob
solche zeitlich oder späth antreten; So
reitet der Forst-Meister nach gegebenem
Bericht mit der Herrschafft, wie gemel-
det, gegen Abend und vor Tages nebst
dem Pürsch-Meister und Leib-Schützen
an gemeldten Platz, steigen ab, und so
der Forst-Meister der Herrschafft die
Wechsel und Gelegenheiten gezeiget hat,
und sie sich angestellet, oder anderwärts
Hirsche schreyen hören, so führet der
Pürsch-Meister die Herrschafft an, durch
beschleichen, kriechen oder andere Vor-
theile; Jst der Hirsch zuweit, muß der-
selbe mit Knicken eines kleinen Stöckgen,
als ob ein anderer käme, näher gelocket
werden; Und so ein Hirsch der Herr-
schafft recht zum Schuß stünde, solchen
schiessen lassen; Und wird zum Pracht,
daß er von der Herrschafft erleget wor-
den sey, auff dem Pürsch-Wagen gehö-
riger Maassen geführet, und nach Hoffe
geschicket. Solcher Lust wegen, welche
drey biß vier Wochen währet, hält sich
die Herrschafft auff, und divertiret sich
mit solchem Brunfft-Schiessen zu ihrer
selbst eigenen Vergnügung. Da darff
nun Niemand dieselben darinnen stöh-
ren, in der Brunfft im Wald hüthen,
Hunde hinein bringen, Streulinge oder
Holtz hohlen, vielweniger die Herrschafft
mit Supplicen überlauffen oder verhin-
dern, wo er anderst nicht in Ungnade
und schwere Straffe verfallen will: Son-
derlich müssen die Fleischer-Knechte mit
ihren Kälbern und Hunden, die einen
[Spaltenumbruch] starcken continuirlichen Lauth verursa-
chen, und am meisten schädlich sind, mit
Fleiß von solchem Wald abgehalten wer-
den. Wo nun Brunfft-Hirsche weit ab-
gelegen, und in der Ferne vom Herrn
geschossen werden, die werden vom nech-
sten Dorffe von Ambts-Unterthanen biß
zum Ambt-Hauße geführet, woselbst
sie auff dem Pürsch-Wagen nach der
Residenz geliefert werden. Wann nun
die Herrschafft einen Hirsch von treffli-
cher Grösse und Gehörn vieler En-
den gepürschet, pfleget öffters der
Pürsch-Meister sehr beschenckt zu werden,
welches meistens in einem schönen silber-
nen und verguldten Pocal bestehet, den
er aber alsdann erst bekommt, wann er
das abgeschlagene Gehörn der Herr-
schafft zu Ehren, wie gebräuchlich, bey
gehaltener Taffel, vorträget, den neuen
Willkommen vorhero aber austrincken
muß. Und wird ein solches von vielen
Enden herrlich erwachsenes Gehörn auf
einen höltzernen Hirsch-Kopff zum An-
dencken angemachet, unter dessen Halß
auf ein Bretlein oder Pergament-Zed-
dul geschrieben, in welchem Jahr und Tag-
und wer ihn gepürschet, wo er gefället,
wie der Ort heisse, wie viel Centner er ge-
wogen, und was sich merckwürdiges dar-
bey zugetragen. Solcher Gestalt haben
vor uhralters viele Käyser und Könige
es mit den Hirsch-Jagden höchst rühm-
lich gehalten, was aber leyder! heut zu
Tage passiret, und mehr sündliches, als
rühmliches, vorgenommen wird, darf
man nicht melden, sondern ist genung-
sam zu beklagen.

Von Pürschen.
[Spaltenumbruch]

Weil ich von der Hirsch-Brunfft,
oder dem so genannten Brunfft-Schies-
sen, oder vielmehr Pürschen einer Hohen
Herrschafft geschrieben; So finde nöthig
zu seyn, dessen Derivation, und Origi-
nem
zu demonstriren. Weme ist nicht
bekant, was für Bogen und Pfeile un-
sere liebe alte Vorfahren theils zu ihrem
Streit wider die Feinde, theils aber zu
Fällung der wilden Thiere vor diesen
Zeiten gebrauchet, und mit was für
mancher Lebens-Gefahr, ehe sie ein Wild
erlegen können, solchem haben nachfol-
gen müssen, welches man nachgehends
[Spaltenumbruch] verbessert, und die so genannte Arm-
brüste ersonnen, die man dann lange Zeit
noch vor Christi Geburth gebrauchet, biß
endlich leyder! durch Gottes Verhäng-
niß ohngefehr Anno Christi 1330. in
Teutschland, und zwar zu Straß-
burg, das schädliche Schieß-Pulver von
einem Franciscaner Münch, Namens
Bartholomäus Schwartz, erfunden
worden. Dann da dieser als ein guter
Alchimiste gar öffters laborirete, umb
die Natur der Mineralien, und derersel-
ben Würckungen zu erforschen, und die-
serwegen einsmahls in einem Mörsel ein

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Von der Jagd oder dem Weyde-Werck.
[Spaltenumbruch] durch ſeine untergebene Foͤrſter Erkun-
digung eingezogen, wo und wie ſolche
Hirſche in der Brunfft ſtehen, und ob
ſolche zeitlich oder ſpaͤth antreten; So
reitet der Forſt-Meiſter nach gegebenem
Bericht mit der Herrſchafft, wie gemel-
det, gegen Abend und vor Tages nebſt
dem Puͤrſch-Meiſter und Leib-Schuͤtzen
an gemeldten Platz, ſteigen ab, und ſo
der Forſt-Meiſter der Herrſchafft die
Wechſel und Gelegenheiten gezeiget hat,
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Hirſche ſchreyen hoͤren, ſo fuͤhret der
Puͤrſch-Meiſter die Herrſchafft an, durch
beſchleichen, kriechen oder andere Vor-
theile; Jſt der Hirſch zuweit, muß der-
ſelbe mit Knicken eines kleinen Stoͤckgen,
als ob ein anderer kaͤme, naͤher gelocket
werden; Und ſo ein Hirſch der Herr-
ſchafft recht zum Schuß ſtuͤnde, ſolchen
ſchieſſen laſſen; Und wird zum Pracht,
daß er von der Herrſchafft erleget wor-
den ſey, auff dem Puͤrſch-Wagen gehoͤ-
riger Maaſſen gefuͤhret, und nach Hoffe
geſchicket. Solcher Luſt wegen, welche
drey biß vier Wochen waͤhret, haͤlt ſich
die Herrſchafft auff, und divertiret ſich
mit ſolchem Brunfft-Schieſſen zu ihrer
ſelbſt eigenen Vergnuͤgung. Da darff
nun Niemand dieſelben darinnen ſtoͤh-
ren, in der Brunfft im Wald huͤthen,
Hunde hinein bringen, Streulinge oder
Holtz hohlen, vielweniger die Herrſchafft
mit Supplicen uͤberlauffen oder verhin-
dern, wo er anderſt nicht in Ungnade
und ſchwere Straffe verfallen will: Son-
derlich muͤſſen die Fleiſcher-Knechte mit
ihren Kaͤlbern und Hunden, die einen
[Spaltenumbruch] ſtarcken continuirlichen Lauth verurſa-
chen, und am meiſten ſchaͤdlich ſind, mit
Fleiß von ſolchem Wald abgehalten wer-
den. Wo nun Brunfft-Hirſche weit ab-
gelegen, und in der Ferne vom Herrn
geſchoſſen werden, die werden vom nech-
ſten Dorffe von Ambts-Unterthanen biß
zum Ambt-Hauße gefuͤhret, woſelbſt
ſie auff dem Puͤrſch-Wagen nach der
Reſidenz geliefert werden. Wann nun
die Herrſchafft einen Hirſch von treffli-
cher Groͤſſe und Gehoͤrn vieler En-
den gepuͤrſchet, pfleget oͤffters der
Puͤrſch-Meiſter ſehr beſchenckt zu weꝛden,
welches meiſtens in einem ſchoͤnen ſilber-
nen und verguldten Pocal beſtehet, den
er aber alsdann erſt bekommt, wann er
das abgeſchlagene Gehoͤrn der Herr-
ſchafft zu Ehren, wie gebraͤuchlich, bey
gehaltener Taffel, vortraͤget, den neuen
Willkommen vorhero aber austrincken
muß. Und wird ein ſolches von vielen
Enden herrlich erwachſenes Gehoͤrn auf
einen hoͤltzernen Hirſch-Kopff zum An-
dencken angemachet, unter deſſen Halß
auf ein Bretlein oder Pergament-Zed-
dul geſchꝛieben, in welchem Jahr und Tag-
und wer ihn gepuͤrſchet, wo er gefaͤllet,
wie der Ort heiſſe, wie viel Centner er ge-
wogen, und was ſich merckwuͤrdiges dar-
bey zugetragen. Solcher Geſtalt haben
vor uhralters viele Kaͤyſer und Koͤnige
es mit den Hirſch-Jagden hoͤchſt ruͤhm-
lich gehalten, was aber leyder! heut zu
Tage paſſiret, und mehr ſuͤndliches, als
ruͤhmliches, vorgenommen wird, darf
man nicht melden, ſondern iſt genung-
ſam zu beklagen.

Von Puͤrſchen.
[Spaltenumbruch]

Weil ich von der Hirſch-Brunfft,
oder dem ſo genannten Brunfft-Schieſ-
ſen, oder vielmehr Puͤrſchen einer Hohen
Herrſchafft geſchrieben; So finde noͤthig
zu ſeyn, deſſen Derivation, und Origi-
nem
zu demonſtriren. Weme iſt nicht
bekant, was fuͤr Bogen und Pfeile un-
ſere liebe alte Vorfahren theils zu ihrem
Streit wider die Feinde, theils aber zu
Faͤllung der wilden Thiere vor dieſen
Zeiten gebrauchet, und mit was fuͤr
mancher Lebens-Gefahr, ehe ſie ein Wild
erlegen koͤnnen, ſolchem haben nachfol-
gen muͤſſen, welches man nachgehends
[Spaltenumbruch] verbeſſert, und die ſo genannte Arm-
bruͤſte erſonnen, die man dann lange Zeit
noch vor Chriſti Geburth gebrauchet, biß
endlich leyder! durch Gottes Verhaͤng-
niß ohngefehr Anno Chriſti 1330. in
Teutſchland, und zwar zu Straß-
burg, das ſchaͤdliche Schieß-Pulver von
einem Franciſcaner Muͤnch, Namens
Bartholomaͤus Schwartz, erfunden
worden. Dann da dieſer als ein guter
Alchimiſte gar oͤffters laborirete, umb
die Natur der Mineralien, und dererſel-
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ſerwegen einsmahls in einem Moͤrſel ein

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[283/0435] Von der Jagd oder dem Weyde-Werck. durch ſeine untergebene Foͤrſter Erkun- digung eingezogen, wo und wie ſolche Hirſche in der Brunfft ſtehen, und ob ſolche zeitlich oder ſpaͤth antreten; So reitet der Forſt-Meiſter nach gegebenem Bericht mit der Herrſchafft, wie gemel- det, gegen Abend und vor Tages nebſt dem Puͤrſch-Meiſter und Leib-Schuͤtzen an gemeldten Platz, ſteigen ab, und ſo der Forſt-Meiſter der Herrſchafft die Wechſel und Gelegenheiten gezeiget hat, und ſie ſich angeſtellet, oder anderwaͤrts Hirſche ſchreyen hoͤren, ſo fuͤhret der Puͤrſch-Meiſter die Herrſchafft an, durch beſchleichen, kriechen oder andere Vor- theile; Jſt der Hirſch zuweit, muß der- ſelbe mit Knicken eines kleinen Stoͤckgen, als ob ein anderer kaͤme, naͤher gelocket werden; Und ſo ein Hirſch der Herr- ſchafft recht zum Schuß ſtuͤnde, ſolchen ſchieſſen laſſen; Und wird zum Pracht, daß er von der Herrſchafft erleget wor- den ſey, auff dem Puͤrſch-Wagen gehoͤ- riger Maaſſen gefuͤhret, und nach Hoffe geſchicket. Solcher Luſt wegen, welche drey biß vier Wochen waͤhret, haͤlt ſich die Herrſchafft auff, und divertiret ſich mit ſolchem Brunfft-Schieſſen zu ihrer ſelbſt eigenen Vergnuͤgung. Da darff nun Niemand dieſelben darinnen ſtoͤh- ren, in der Brunfft im Wald huͤthen, Hunde hinein bringen, Streulinge oder Holtz hohlen, vielweniger die Herrſchafft mit Supplicen uͤberlauffen oder verhin- dern, wo er anderſt nicht in Ungnade und ſchwere Straffe verfallen will: Son- derlich muͤſſen die Fleiſcher-Knechte mit ihren Kaͤlbern und Hunden, die einen ſtarcken continuirlichen Lauth verurſa- chen, und am meiſten ſchaͤdlich ſind, mit Fleiß von ſolchem Wald abgehalten wer- den. Wo nun Brunfft-Hirſche weit ab- gelegen, und in der Ferne vom Herrn geſchoſſen werden, die werden vom nech- ſten Dorffe von Ambts-Unterthanen biß zum Ambt-Hauße gefuͤhret, woſelbſt ſie auff dem Puͤrſch-Wagen nach der Reſidenz geliefert werden. Wann nun die Herrſchafft einen Hirſch von treffli- cher Groͤſſe und Gehoͤrn vieler En- den gepuͤrſchet, pfleget oͤffters der Puͤrſch-Meiſter ſehr beſchenckt zu weꝛden, welches meiſtens in einem ſchoͤnen ſilber- nen und verguldten Pocal beſtehet, den er aber alsdann erſt bekommt, wann er das abgeſchlagene Gehoͤrn der Herr- ſchafft zu Ehren, wie gebraͤuchlich, bey gehaltener Taffel, vortraͤget, den neuen Willkommen vorhero aber austrincken muß. Und wird ein ſolches von vielen Enden herrlich erwachſenes Gehoͤrn auf einen hoͤltzernen Hirſch-Kopff zum An- dencken angemachet, unter deſſen Halß auf ein Bretlein oder Pergament-Zed- dul geſchꝛieben, in welchem Jahr und Tag- und wer ihn gepuͤrſchet, wo er gefaͤllet, wie der Ort heiſſe, wie viel Centner er ge- wogen, und was ſich merckwuͤrdiges dar- bey zugetragen. Solcher Geſtalt haben vor uhralters viele Kaͤyſer und Koͤnige es mit den Hirſch-Jagden hoͤchſt ruͤhm- lich gehalten, was aber leyder! heut zu Tage paſſiret, und mehr ſuͤndliches, als ruͤhmliches, vorgenommen wird, darf man nicht melden, ſondern iſt genung- ſam zu beklagen. Von Puͤrſchen. Weil ich von der Hirſch-Brunfft, oder dem ſo genannten Brunfft-Schieſ- ſen, oder vielmehr Puͤrſchen einer Hohen Herrſchafft geſchrieben; So finde noͤthig zu ſeyn, deſſen Derivation, und Origi- nem zu demonſtriren. Weme iſt nicht bekant, was fuͤr Bogen und Pfeile un- ſere liebe alte Vorfahren theils zu ihrem Streit wider die Feinde, theils aber zu Faͤllung der wilden Thiere vor dieſen Zeiten gebrauchet, und mit was fuͤr mancher Lebens-Gefahr, ehe ſie ein Wild erlegen koͤnnen, ſolchem haben nachfol- gen muͤſſen, welches man nachgehends verbeſſert, und die ſo genannte Arm- bruͤſte erſonnen, die man dann lange Zeit noch vor Chriſti Geburth gebrauchet, biß endlich leyder! durch Gottes Verhaͤng- niß ohngefehr Anno Chriſti 1330. in Teutſchland, und zwar zu Straß- burg, das ſchaͤdliche Schieß-Pulver von einem Franciſcaner Muͤnch, Namens Bartholomaͤus Schwartz, erfunden worden. Dann da dieſer als ein guter Alchimiſte gar oͤffters laborirete, umb die Natur der Mineralien, und dererſel- ben Wuͤrckungen zu erforſchen, und die- ſerwegen einsmahls in einem Moͤrſel ein wenig N n 2

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/435>, abgerufen am 22.11.2024.