Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.Von der Erden. [Spaltenumbruch]
meldet, daß daselbst 1597. auff dem Hartz,unter dem Klettenberg ein starcker Lind- wurm von gelb und grüner Farbe, un- ten am Bauch Füße habend, manns- dicke, über die achzehen Schuh lang, ge- wesen, und habe einen Kopff wie eine Katze gehabt. Desgleichen soll auch in der Graffschafft Hohenstein von zweyen Holtz-Hauern ein Lindwurm mannsdi- cke, von zwölff Schuh lang, und einen Wolffs-Kopff habend, todgeschlagen wor- den seyn. Jn der Schweitz zu Solo- thurn umb Jacobi 1654. gieng ein Am- mann nebst einem Jäger dem Wilde nachzuspühren, und traffen in einer Berg-Höhlen einen Drachen an, der ei- nen Schlangen-Kopff, Halß und Schwantz, auch vier Füße, eines Schuhes hoch gehabt, und war allenthalben mit grau, gelb und weißlicht gefleckten Schup- pen gesprengelt gewesen; Wie er sie ge- mercket, ist er in die Höhle mit starckem Geräusch gekrochen. Aus diesem und dergleichen Begebenheiten nun, ist un- streitig abzunehmen, daß vor diesem in dergleichen verwachsenen Wildnüssen, es würckliche Satyros oder wilde Män- ner, desgleichen Drachen, Lindwürmer, grosse Schlangen und anderes Unge- ziefer mag gegeben haben: Wie denn nicht weniger die häuffige wilden Bäh- re, Wölffe, Luchse und dergleichen, de- nen Menschen gräuliches Schrecken ver- ursachen müssen. Es hatten die Hey- den ihre Oracula und Götzen in hohlen Eichen, woselbsten sie die Götter consu- lirten, und hielten es vor verächtlich, die Götter in Kirchen und Mauern einzu- sperren. Ja ihre Wohnung war meist im Wald unter dem Schatten derer Bäume, an Bergen, da sie sich durch der Vögel-Gesang und rauschen derer Wasser-Bächlein vergnügten; Wann sie keinen Krieg hatten, belustigten sie sich mit Jagden wilder Thiere; Jn ei- nem Wald bey Antiochia wurde ein Tempel der Dianen und dem Appollini zu Ehren geheiliget, an deren Fest-Ta- gen man Kräntze von Laub tragen mu- ste. Die Kinder Jsrael hatten noch sol- chen Aberglauben im Gebrauch, wo sie nur einen dicken Baum gefunden, brach- ten sie ihre Opffer dahin und räucherten daselbst. Den Gideon hätte bald bey Abhauung des Baal-Häyns zu Ophra der rasende Pöbel erschlagen; Ja als der christliche Glaube eingefüh- ret worden, haben die Einsiedler sattsam [Spaltenumbruch] bezeuget, daß in den Wäldern der An- dacht beyzuwohnen, dem eiteln Welt- leben weit vorzuziehen sey. Wie nun die Wälder zu Friedens-Zeiten herrli- chen Nutzen und Vergnügung schaffen; also können auch die Einwohner in Krieges-Zeiten sich mit denen ihrigen dahin salviren, sich verhauen und be- schützen, sowohl in Pest-Zeiten aus de- nen inficirten Oertern sich in die freye Lufft dahin begeben und durch Holtz und Wacholder räuchern sich vom Sterben erretten. Ob nun wohl besagter maas- sen vor Alters Wald und Holtz genung mag gewesen seyn, so hat dennoch Zeit- hero das Holtzhauen dermaassen über- hand genommen, daß fast allenthalben die entblösten Gebürge und kahle Wäl- der Jederman ihre Armuth an Holtz zei- gen und ihre Einwohner bey dem Schöpffer verklagen, wie übel sie Hauß gehalten, und daß, wenn ihnen gleich die Natur zu zeiten mit Saamen behülff- lich wäre, ein geringer Anflug und Wie- derwachs sich auch zeigete, ihnen doch sol- cher von dem Viehehüthen beraubet würde. Dahero der seel. Lutherus ge- weissaget, es werde Teutschland vor dem jüngsten Tage an drey nöthigen Requi- sitis mangeln, als an guten aufrichti- gen Freunden, an tüchtiger und wichti- ger Müntze, und an wildem Holtze, wel- ches leyder! die tägliche Erfahrung mehr als gar zu gewiß bezeuget. Man erwe- ge ja nur, wie das Holtz dem menschli- chen Geschlechte, ja wohl allen lebendi- gen Creaturen durch Gottes gnädige Vorsorge höchstnöthig sey. Müsten wir nicht bey grimmiger Winterkälte er- starren und erfrieren, wovon solte Hauß, Wagen, und Pflug, oder Ege, Schiff und Geschirr, ja alles erdenckliche Hauß- Geräthe der Menschlichen Nothdurfft und Nahrung dieses Lebens in Erman- gelung des Holtzes gemachet werden? auch blieben unstreitig in denen Gebürgen die Schätze der Erden, Gold, Silber, Eysen und Zinn, alle Metallen, Mineralien und Farben, ohne Holtz und Kohlen, ver- borgen und vergessen liegen, als worin- nen doch Nervus rerum gerendarum würcklich verhanden. Hätte nicht die Göttliche Providenz denen wilden Thie- re besondere finstere Dickigten oder jun- ges Holtz zu Behältnüßen geordnet, wo wolten denn diese armen Thiere vor Nachstellungen derer Menschen, derer Raub-Thiere und Hunde, ja vor Kälte des
Von der Erden. [Spaltenumbruch]
meldet, daß daſelbſt 1597. auff dem Hartz,unter dem Klettenberg ein ſtarcker Lind- wurm von gelb und gruͤner Farbe, un- ten am Bauch Fuͤße habend, manns- dicke, uͤber die achzehen Schuh lang, ge- weſen, und habe einen Kopff wie eine Katze gehabt. Desgleichen ſoll auch in der Graffſchafft Hohenſtein von zweyen Holtz-Hauern ein Lindwurm mannsdi- cke, von zwoͤlff Schuh lang, und einen Wolffs-Kopff habend, todgeſchlagen wor- den ſeyn. Jn der Schweitz zu Solo- thurn umb Jacobi 1654. gieng ein Am- mann nebſt einem Jaͤger dem Wilde nachzuſpuͤhren, und traffen in einer Berg-Hoͤhlen einen Drachen an, der ei- nen Schlangen-Kopff, Halß und Schwantz, auch vier Fuͤße, eines Schuhes hoch gehabt, und war allenthalben mit grau, gelb und weißlicht gefleckten Schup- pen geſprengelt geweſen; Wie er ſie ge- mercket, iſt er in die Hoͤhle mit ſtarckem Geraͤuſch gekrochen. Aus dieſem und dergleichen Begebenheiten nun, iſt un- ſtreitig abzunehmen, daß vor dieſem in dergleichen verwachſenen Wildnuͤſſen, es wuͤrckliche Satyros oder wilde Maͤn- ner, desgleichen Drachen, Lindwuͤrmer, groſſe Schlangen und anderes Unge- ziefer mag gegeben haben: Wie denn nicht weniger die haͤuffige wilden Baͤh- re, Woͤlffe, Luchſe und dergleichen, de- nen Menſchen graͤuliches Schrecken ver- urſachen muͤſſen. Es hatten die Hey- den ihre Oracula und Goͤtzen in hohlen Eichen, woſelbſten ſie die Goͤtter conſu- lirten, und hielten es vor veraͤchtlich, die Goͤtter in Kirchen und Mauern einzu- ſperren. Ja ihre Wohnung war meiſt im Wald unter dem Schatten derer Baͤume, an Bergen, da ſie ſich durch der Voͤgel-Geſang und rauſchen derer Waſſer-Baͤchlein vergnuͤgten; Wann ſie keinen Krieg hatten, beluſtigten ſie ſich mit Jagden wilder Thiere; Jn ei- nem Wald bey Antiochia wurde ein Tempel der Dianen und dem Appollini zu Ehren geheiliget, an deren Feſt-Ta- gen man Kraͤntze von Laub tragen mu- ſte. Die Kinder Jſrael hatten noch ſol- chen Aberglauben im Gebrauch, wo ſie nur einen dicken Baum gefunden, brach- ten ſie ihre Opffer dahin und raͤucherten daſelbſt. Den Gideon haͤtte bald bey Abhauung des Baal-Haͤyns zu Ophra der raſende Poͤbel erſchlagen; Ja als der chriſtliche Glaube eingefuͤh- ret worden, haben die Einſiedler ſattſam [Spaltenumbruch] bezeuget, daß in den Waͤldern der An- dacht beyzuwohnen, dem eiteln Welt- leben weit vorzuziehen ſey. Wie nun die Waͤlder zu Friedens-Zeiten herrli- chen Nutzen und Vergnuͤgung ſchaffen; alſo koͤnnen auch die Einwohner in Krieges-Zeiten ſich mit denen ihrigen dahin ſalviren, ſich verhauen und be- ſchuͤtzen, ſowohl in Peſt-Zeiten aus de- nen inficirten Oertern ſich in die freye Lufft dahin begeben und durch Holtz und Wacholder raͤuchern ſich vom Sterben erretten. Ob nun wohl beſagter maaſ- ſen vor Alters Wald und Holtz genung mag geweſen ſeyn, ſo hat dennoch Zeit- hero das Holtzhauen dermaaſſen uͤber- hand genommen, daß faſt allenthalben die entbloͤſten Gebuͤrge und kahle Waͤl- der Jederman ihre Armuth an Holtz zei- gen und ihre Einwohner bey dem Schoͤpffer verklagen, wie uͤbel ſie Hauß gehalten, und daß, wenn ihnen gleich die Natur zu zeiten mit Saamen behuͤlff- lich waͤre, ein geringer Anflug und Wie- derwachs ſich auch zeigete, ihnen doch ſol- cher von dem Viehehuͤthen beraubet wuͤrde. Dahero der ſeel. Lutherus ge- weiſſaget, es werde Teutſchland vor dem juͤngſten Tage an drey noͤthigen Requi- ſitis mangeln, als an guten aufrichti- gen Freunden, an tuͤchtiger und wichti- ger Muͤntze, und an wildem Holtze, wel- ches leyder! die taͤgliche Erfahrung mehr als gar zu gewiß bezeuget. Man erwe- ge ja nur, wie das Holtz dem menſchli- chen Geſchlechte, ja wohl allen lebendi- gen Creaturen durch Gottes gnaͤdige Vorſorge hoͤchſtnoͤthig ſey. Muͤſten wir nicht bey grimmiger Winterkaͤlte er- ſtarren und erfrieren, wovon ſolte Hauß, Wagen, und Pflug, oder Ege, Schiff und Geſchirr, ja alles erdenckliche Hauß- Geraͤthe der Menſchlichen Nothdurfft und Nahrung dieſes Lebens in Erman- gelung des Holtzes gemachet werden? auch blieben unſtreitig in denen Gebuͤrgen die Schaͤtze der Erden, Gold, Silber, Eyſen und Zinn, alle Metallen, Mineralien und Farben, ohne Holtz und Kohlen, ver- borgen und vergeſſen liegen, als worin- nen doch Nervus rerum gerendarum wuͤrcklich verhanden. Haͤtte nicht die Goͤttliche Providenz denen wilden Thie- re beſondere finſtere Dickigten oder jun- ges Holtz zu Behaͤltnuͤßen geordnet, wo wolten denn dieſe armen Thiere vor Nachſtellungen derer Menſchen, derer Raub-Thiere und Hunde, ja vor Kaͤlte des
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Von der Erden.
meldet, daß daſelbſt 1597. auff dem Hartz,
unter dem Klettenberg ein ſtarcker Lind-
wurm von gelb und gruͤner Farbe, un-
ten am Bauch Fuͤße habend, manns-
dicke, uͤber die achzehen Schuh lang, ge-
weſen, und habe einen Kopff wie eine
Katze gehabt. Desgleichen ſoll auch in
der Graffſchafft Hohenſtein von zweyen
Holtz-Hauern ein Lindwurm mannsdi-
cke, von zwoͤlff Schuh lang, und einen
Wolffs-Kopff habend, todgeſchlagen wor-
den ſeyn. Jn der Schweitz zu Solo-
thurn umb Jacobi 1654. gieng ein Am-
mann nebſt einem Jaͤger dem Wilde
nachzuſpuͤhren, und traffen in einer
Berg-Hoͤhlen einen Drachen an, der ei-
nen Schlangen-Kopff, Halß und
Schwantz, auch vier Fuͤße, eines Schuhes
hoch gehabt, und war allenthalben mit
grau, gelb und weißlicht gefleckten Schup-
pen geſprengelt geweſen; Wie er ſie ge-
mercket, iſt er in die Hoͤhle mit ſtarckem
Geraͤuſch gekrochen. Aus dieſem und
dergleichen Begebenheiten nun, iſt un-
ſtreitig abzunehmen, daß vor dieſem in
dergleichen verwachſenen Wildnuͤſſen,
es wuͤrckliche Satyros oder wilde Maͤn-
ner, desgleichen Drachen, Lindwuͤrmer,
groſſe Schlangen und anderes Unge-
ziefer mag gegeben haben: Wie denn
nicht weniger die haͤuffige wilden Baͤh-
re, Woͤlffe, Luchſe und dergleichen, de-
nen Menſchen graͤuliches Schrecken ver-
urſachen muͤſſen. Es hatten die Hey-
den ihre Oracula und Goͤtzen in hohlen
Eichen, woſelbſten ſie die Goͤtter conſu-
lirten, und hielten es vor veraͤchtlich, die
Goͤtter in Kirchen und Mauern einzu-
ſperren. Ja ihre Wohnung war meiſt
im Wald unter dem Schatten derer
Baͤume, an Bergen, da ſie ſich durch
der Voͤgel-Geſang und rauſchen derer
Waſſer-Baͤchlein vergnuͤgten; Wann
ſie keinen Krieg hatten, beluſtigten ſie
ſich mit Jagden wilder Thiere; Jn ei-
nem Wald bey Antiochia wurde ein
Tempel der Dianen und dem Appollini
zu Ehren geheiliget, an deren Feſt-Ta-
gen man Kraͤntze von Laub tragen mu-
ſte. Die Kinder Jſrael hatten noch ſol-
chen Aberglauben im Gebrauch, wo ſie
nur einen dicken Baum gefunden, brach-
ten ſie ihre Opffer dahin und raͤucherten
daſelbſt. Den Gideon haͤtte bald
bey Abhauung des Baal-Haͤyns zu
Ophra der raſende Poͤbel erſchlagen;
Ja als der chriſtliche Glaube eingefuͤh-
ret worden, haben die Einſiedler ſattſam
bezeuget, daß in den Waͤldern der An-
dacht beyzuwohnen, dem eiteln Welt-
leben weit vorzuziehen ſey. Wie nun
die Waͤlder zu Friedens-Zeiten herrli-
chen Nutzen und Vergnuͤgung ſchaffen;
alſo koͤnnen auch die Einwohner in
Krieges-Zeiten ſich mit denen ihrigen
dahin ſalviren, ſich verhauen und be-
ſchuͤtzen, ſowohl in Peſt-Zeiten aus de-
nen inficirten Oertern ſich in die freye
Lufft dahin begeben und durch Holtz und
Wacholder raͤuchern ſich vom Sterben
erretten. Ob nun wohl beſagter maaſ-
ſen vor Alters Wald und Holtz genung
mag geweſen ſeyn, ſo hat dennoch Zeit-
hero das Holtzhauen dermaaſſen uͤber-
hand genommen, daß faſt allenthalben
die entbloͤſten Gebuͤrge und kahle Waͤl-
der Jederman ihre Armuth an Holtz zei-
gen und ihre Einwohner bey dem
Schoͤpffer verklagen, wie uͤbel ſie Hauß
gehalten, und daß, wenn ihnen gleich die
Natur zu zeiten mit Saamen behuͤlff-
lich waͤre, ein geringer Anflug und Wie-
derwachs ſich auch zeigete, ihnen doch ſol-
cher von dem Viehehuͤthen beraubet
wuͤrde. Dahero der ſeel. Lutherus ge-
weiſſaget, es werde Teutſchland vor dem
juͤngſten Tage an drey noͤthigen Requi-
ſitis mangeln, als an guten aufrichti-
gen Freunden, an tuͤchtiger und wichti-
ger Muͤntze, und an wildem Holtze, wel-
ches leyder! die taͤgliche Erfahrung mehr
als gar zu gewiß bezeuget. Man erwe-
ge ja nur, wie das Holtz dem menſchli-
chen Geſchlechte, ja wohl allen lebendi-
gen Creaturen durch Gottes gnaͤdige
Vorſorge hoͤchſtnoͤthig ſey. Muͤſten wir
nicht bey grimmiger Winterkaͤlte er-
ſtarren und erfrieren, wovon ſolte Hauß,
Wagen, und Pflug, oder Ege, Schiff
und Geſchirr, ja alles erdenckliche Hauß-
Geraͤthe der Menſchlichen Nothdurfft
und Nahrung dieſes Lebens in Erman-
gelung des Holtzes gemachet werden? auch
blieben unſtreitig in denen Gebuͤrgen die
Schaͤtze der Erden, Gold, Silber, Eyſen
und Zinn, alle Metallen, Mineralien
und Farben, ohne Holtz und Kohlen, ver-
borgen und vergeſſen liegen, als worin-
nen doch Nervus rerum gerendarum
wuͤrcklich verhanden. Haͤtte nicht die
Goͤttliche Providenz denen wilden Thie-
re beſondere finſtere Dickigten oder jun-
ges Holtz zu Behaͤltnuͤßen geordnet, wo
wolten denn dieſe armen Thiere vor
Nachſtellungen derer Menſchen, derer
Raub-Thiere und Hunde, ja vor Kaͤlte
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Zitationshilfe: | Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/83>, abgerufen am 16.07.2024. |