Das 1. Capitel/ Auf was Art eine Wildbahn so wohl ruiniret, als ins Aufnehmen gebracht werden kan.
§. 1.
[Spaltenumbruch]
GLeichwie die Jägerey sehr viel kostet, und ein gros- ser Herr viel Unkosten drauf zu wenden hat; Al- so muß er auch auf alle Wege dahin bedacht seyn, daß die Wildbahne nicht ruiniret werde. Es ist also 1) zu pflegli- cher Ubung des Weydewercks dahin zu sehen, daß die Jagden nicht das gantze Jahr, noch weniger aber zu der Zeit, wenn das Wildpräth brunfftet und setzet, ge- trieben werden mögen. Derowegen müs- sen zu derselben Zeit die Wälder sonder- lich geheeget, und niemand gestattet wer- den, hindurch zu gehen. Man muß auch so gar um dieselbe Zeit die Leute, denen sonst das dürre Holtz zu holen vergönnet, nicht in den Heege-Wald lassen, damit nicht das Wildpräth durch das Hin- und Wieder-gehen aufgesprenget werde. Um eben dieser Ursache willen muß man auch keine Hunde, Kühe, Pferde, Ziegen, Schafe, und dergleichen, in Wald lassen. Die Satz-Zeit währet sechs Wochen, vom Anfang des Maji, biß zur Helffte des Ju- nii. Die Brunfft-Zeit ordentlicher Wei- se vom 1. September biß den 15. October.
§. 2.
Ausser dieser Zeit muß die Durchfahrt gantz sachte geschehen, und alles Schreyen, Lärmen und Klatschen vermieden werden. Viel weniger ist es erlaubet, Hunde mit sich zu führen, die [Spaltenumbruch]
man sonst ohn einig Bedencken todt schies- sen kan. Die Schleif-Wege in den Wäl- dern sind mit Schlagbäumen oder Grä- ben zu versperren; Man pfleget auch ins- gemein Tafeln an die Wege zu hängen, darauf dieser Reim stehet:
Wer stöhrt die Brunfft, und fährt den Weg, Und gehet nicht den rechten Steg, Dem werden Pferd und Wagen ge- nommen; Drum bin ich ietzt hieher gekommen, Zu sehen, wer fährt, geht und reit, Der hat die Straf zu seiner Beut.
§. 3.
Die Wildbahne wird 2) auch dadurch ruiniret, wenn die Jagden zu der Zeit getrieben werden, da das Wildpräth und Gethierig des Geässes und der Wey- de halber geringe und wenig nutzbar ist. Es pflegen hohe Herrschafften sich um die- se Zeit der Jagd-Lust zu äussern, und auch ihren Vasallen, die des Jagens be- rechtiget sind, zu verwehren. 3) Wenn unerfahrne Schützen dazu genommen werden, die, wenn sie ein Wildpräth schiessen, zehen darüber zu Holtze schies- sen. Es ist also eine garstige Gewohn- heit, daß einige von Adel, um einige Tha- ler des Jahres zu erspahren, unerfahrne Bauer-Knechte zu Schützen annehmen, solche auch wohl nicht einmahl verpflich- ten, die hernach, da sie sich besser auf den
Dresch-
Der Andern Haupt-Abtheilung Vierdter Theil.
Das 1. Capitel/ Auf was Art eine Wildbahn ſo wohl ruiniret, als ins Aufnehmen gebracht werden kan.
§. 1.
[Spaltenumbruch]
GLeichwie die Jaͤgerey ſehr viel koſtet, und ein groſ- ſer Herr viel Unkoſten drauf zu wenden hat; Al- ſo muß er auch auf alle Wege dahin bedacht ſeyn, daß die Wildbahne nicht ruiniret werde. Es iſt alſo 1) zu pflegli- cher Ubung des Weydewercks dahin zu ſehen, daß die Jagden nicht das gantze Jahr, noch weniger aber zu der Zeit, wenn das Wildpraͤth brunfftet und ſetzet, ge- trieben werden moͤgen. Derowegen muͤſ- ſen zu derſelben Zeit die Waͤlder ſonder- lich geheeget, und niemand geſtattet wer- den, hindurch zu gehen. Man muß auch ſo gar um dieſelbe Zeit die Leute, denen ſonſt das duͤrre Holtz zu holen vergoͤnnet, nicht in den Heege-Wald laſſen, damit nicht das Wildpraͤth durch das Hin- und Wieder-gehen aufgeſprenget werde. Um eben dieſer Urſache willen muß man auch keine Hunde, Kuͤhe, Pferde, Ziegen, Schafe, und dergleichen, in Wald laſſen. Die Satz-Zeit waͤhret ſechs Wochen, vom Anfang des Maji, biß zur Helffte des Ju- nii. Die Brunfft-Zeit ordentlicher Wei- ſe vom 1. September biß den 15. October.
§. 2.
Auſſer dieſer Zeit muß die Durchfahrt gantz ſachte geſchehen, und alles Schreyen, Laͤrmen und Klatſchen vermieden werden. Viel weniger iſt es erlaubet, Hunde mit ſich zu fuͤhren, die [Spaltenumbruch]
man ſonſt ohn einig Bedencken todt ſchieſ- ſen kan. Die Schleif-Wege in den Waͤl- dern ſind mit Schlagbaͤumen oder Graͤ- ben zu verſperren; Man pfleget auch ins- gemein Tafeln an die Wege zu haͤngen, darauf dieſer Reim ſtehet:
Wer ſtoͤhrt die Brunfft, und faͤhrt den Weg, Und gehet nicht den rechten Steg, Dem werden Pferd und Wagen ge- nommen; Drum bin ich ietzt hieher gekommen, Zu ſehen, wer faͤhrt, geht und reit, Der hat die Straf zu ſeiner Beut.
§. 3.
Die Wildbahne wird 2) auch dadurch ruiniret, wenn die Jagden zu der Zeit getrieben werden, da das Wildpraͤth und Gethierig des Geaͤſſes und der Wey- de halber geringe und wenig nutzbar iſt. Es pflegen hohe Herrſchafften ſich um die- ſe Zeit der Jagd-Luſt zu aͤuſſern, und auch ihren Vaſallen, die des Jagens be- rechtiget ſind, zu verwehren. 3) Wenn unerfahrne Schuͤtzen dazu genommen werden, die, wenn ſie ein Wildpraͤth ſchieſſen, zehen daruͤber zu Holtze ſchieſ- ſen. Es iſt alſo eine garſtige Gewohn- heit, daß einige von Adel, um einige Tha- ler des Jahres zu erſpahren, unerfahrne Bauer-Knechte zu Schuͤtzen annehmen, ſolche auch wohl nicht einmahl verpflich- ten, die hernach, da ſie ſich beſſer auf den
Dreſch-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0403"n="[263]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#in">D</hi>er Andern <hirendition="#in">H</hi>aupt-<hirendition="#in">A</hi>btheilung<lb/><hirendition="#in">V</hi>ierdter <hirendition="#in">T</hi>heil.</hi></head><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das 1. Capitel/<lb/>
Auf was Art eine Wildbahn ſo wohl ruiniret,<lb/>
als ins Aufnehmen gebracht werden kan.</hi></head><lb/><divn="3"><head>§. 1.</head><lb/><cb/><p><hirendition="#in">G</hi>Leichwie die Jaͤgerey ſehr<lb/>
viel koſtet, und ein groſ-<lb/>ſer Herr viel Unkoſten<lb/>
drauf zu wenden hat; Al-<lb/>ſo muß er auch auf alle<lb/>
Wege dahin bedacht ſeyn,<lb/>
daß die Wildbahne nicht<lb/>
ruiniret werde. Es iſt alſo 1) zu pflegli-<lb/>
cher Ubung des Weydewercks dahin zu<lb/>ſehen, daß die Jagden nicht das gantze<lb/>
Jahr, noch weniger aber zu der Zeit, wenn<lb/>
das Wildpraͤth brunfftet und ſetzet, ge-<lb/>
trieben werden moͤgen. Derowegen muͤſ-<lb/>ſen zu derſelben Zeit die Waͤlder ſonder-<lb/>
lich geheeget, und niemand geſtattet wer-<lb/>
den, hindurch zu gehen. Man muß auch<lb/>ſo gar um dieſelbe Zeit die Leute, denen<lb/>ſonſt das duͤrre Holtz zu holen vergoͤnnet,<lb/>
nicht in den Heege-Wald laſſen, damit<lb/>
nicht das Wildpraͤth durch das Hin- und<lb/>
Wieder-gehen aufgeſprenget werde. Um<lb/>
eben dieſer Urſache willen muß man auch<lb/>
keine Hunde, Kuͤhe, Pferde, Ziegen,<lb/>
Schafe, und dergleichen, in Wald laſſen.<lb/>
Die Satz-Zeit waͤhret ſechs Wochen, vom<lb/>
Anfang des <hirendition="#aq">Maji,</hi> biß zur Helffte des <hirendition="#aq">Ju-<lb/>
nii.</hi> Die Brunfft-Zeit ordentlicher Wei-<lb/>ſe vom 1. <hirendition="#aq">September</hi> biß den 15. <hirendition="#aq">October.</hi></p></div><lb/><divn="3"><head>§. 2.</head><p>Auſſer dieſer Zeit muß die<lb/>
Durchfahrt gantz ſachte geſchehen, und<lb/>
alles Schreyen, Laͤrmen und Klatſchen<lb/>
vermieden werden. Viel weniger iſt es<lb/>
erlaubet, Hunde mit ſich zu fuͤhren, die<lb/><cb/>
man ſonſt ohn einig Bedencken todt ſchieſ-<lb/>ſen kan. Die Schleif-Wege in den Waͤl-<lb/>
dern ſind mit Schlagbaͤumen oder Graͤ-<lb/>
ben zu verſperren; Man pfleget auch ins-<lb/>
gemein Tafeln an die Wege zu haͤngen,<lb/>
darauf dieſer Reim ſtehet:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Wer ſtoͤhrt die Brunfft, und faͤhrt den</l><lb/><l><hirendition="#et">Weg,</hi></l><lb/><l>Und gehet nicht den rechten Steg,</l><lb/><l>Dem werden Pferd und Wagen ge-</l><lb/><l><hirendition="#et">nommen;</hi></l><lb/><l>Drum bin ich ietzt hieher gekommen,</l><lb/><l>Zu ſehen, wer faͤhrt, geht und reit,</l><lb/><l>Der hat die Straf zu ſeiner Beut.</l></lg></div><lb/><divn="3"><head>§. 3.</head><p>Die Wildbahne wird 2) auch<lb/>
dadurch ruiniret, wenn die Jagden zu der<lb/>
Zeit getrieben werden, da das Wildpraͤth<lb/>
und Gethierig des Geaͤſſes und der Wey-<lb/>
de halber geringe und wenig nutzbar iſt.<lb/>
Es pflegen hohe Herrſchafften ſich um die-<lb/>ſe Zeit der Jagd-Luſt zu aͤuſſern, und<lb/>
auch ihren <hirendition="#aq">Vaſall</hi>en, die des Jagens be-<lb/>
rechtiget ſind, zu verwehren. 3) Wenn<lb/>
unerfahrne Schuͤtzen dazu genommen<lb/>
werden, die, wenn ſie ein Wildpraͤth<lb/>ſchieſſen, zehen daruͤber zu Holtze ſchieſ-<lb/>ſen. Es iſt alſo eine garſtige Gewohn-<lb/>
heit, daß einige von Adel, um einige Tha-<lb/>
ler des Jahres zu erſpahren, unerfahrne<lb/>
Bauer-Knechte zu Schuͤtzen annehmen,<lb/>ſolche auch wohl nicht einmahl verpflich-<lb/>
ten, die hernach, da ſie ſich beſſer auf den<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Dreſch-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[[263]/0403]
Der Andern Haupt-Abtheilung
Vierdter Theil.
Das 1. Capitel/
Auf was Art eine Wildbahn ſo wohl ruiniret,
als ins Aufnehmen gebracht werden kan.
§. 1.
GLeichwie die Jaͤgerey ſehr
viel koſtet, und ein groſ-
ſer Herr viel Unkoſten
drauf zu wenden hat; Al-
ſo muß er auch auf alle
Wege dahin bedacht ſeyn,
daß die Wildbahne nicht
ruiniret werde. Es iſt alſo 1) zu pflegli-
cher Ubung des Weydewercks dahin zu
ſehen, daß die Jagden nicht das gantze
Jahr, noch weniger aber zu der Zeit, wenn
das Wildpraͤth brunfftet und ſetzet, ge-
trieben werden moͤgen. Derowegen muͤſ-
ſen zu derſelben Zeit die Waͤlder ſonder-
lich geheeget, und niemand geſtattet wer-
den, hindurch zu gehen. Man muß auch
ſo gar um dieſelbe Zeit die Leute, denen
ſonſt das duͤrre Holtz zu holen vergoͤnnet,
nicht in den Heege-Wald laſſen, damit
nicht das Wildpraͤth durch das Hin- und
Wieder-gehen aufgeſprenget werde. Um
eben dieſer Urſache willen muß man auch
keine Hunde, Kuͤhe, Pferde, Ziegen,
Schafe, und dergleichen, in Wald laſſen.
Die Satz-Zeit waͤhret ſechs Wochen, vom
Anfang des Maji, biß zur Helffte des Ju-
nii. Die Brunfft-Zeit ordentlicher Wei-
ſe vom 1. September biß den 15. October.
§. 2.Auſſer dieſer Zeit muß die
Durchfahrt gantz ſachte geſchehen, und
alles Schreyen, Laͤrmen und Klatſchen
vermieden werden. Viel weniger iſt es
erlaubet, Hunde mit ſich zu fuͤhren, die
man ſonſt ohn einig Bedencken todt ſchieſ-
ſen kan. Die Schleif-Wege in den Waͤl-
dern ſind mit Schlagbaͤumen oder Graͤ-
ben zu verſperren; Man pfleget auch ins-
gemein Tafeln an die Wege zu haͤngen,
darauf dieſer Reim ſtehet:
Wer ſtoͤhrt die Brunfft, und faͤhrt den
Weg,
Und gehet nicht den rechten Steg,
Dem werden Pferd und Wagen ge-
nommen;
Drum bin ich ietzt hieher gekommen,
Zu ſehen, wer faͤhrt, geht und reit,
Der hat die Straf zu ſeiner Beut.
§. 3.Die Wildbahne wird 2) auch
dadurch ruiniret, wenn die Jagden zu der
Zeit getrieben werden, da das Wildpraͤth
und Gethierig des Geaͤſſes und der Wey-
de halber geringe und wenig nutzbar iſt.
Es pflegen hohe Herrſchafften ſich um die-
ſe Zeit der Jagd-Luſt zu aͤuſſern, und
auch ihren Vaſallen, die des Jagens be-
rechtiget ſind, zu verwehren. 3) Wenn
unerfahrne Schuͤtzen dazu genommen
werden, die, wenn ſie ein Wildpraͤth
ſchieſſen, zehen daruͤber zu Holtze ſchieſ-
ſen. Es iſt alſo eine garſtige Gewohn-
heit, daß einige von Adel, um einige Tha-
ler des Jahres zu erſpahren, unerfahrne
Bauer-Knechte zu Schuͤtzen annehmen,
ſolche auch wohl nicht einmahl verpflich-
ten, die hernach, da ſie ſich beſſer auf den
Dreſch-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. [263]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/403>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.