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Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642].

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Anderes Buch.
Jch kundte länger nicht in meinen Schlössern bleiben.
Wie kundt ich fürder hin das Elend schauen an?
Wie mir mein freyes Volck die fremmden Herscher treiben/
wie vor mir täglich weint mein armer Untertahn.
Jtzt kam der Schlesier/ und wolte Hülffe haben/
itzt mein vertriebner Sachß'. Jtzt klagte mir ihr Leid
die gar entmarkte Marck. Sie kamen sich zu laben
mit stiller Ruh' an mir/ die mich doch frist der Streit/
Ach wie viel Bäche sind so blutroth hingeschossen!
wie manches Kriegers Blut färbt manchen grossen Fluß/
Wie hat ihr grünes Kleid die Erde so begossen/
daß mancher Acker noch besudelt weinen muß!
Die Erde war nicht gnung die Todten zu versencken/
Sie muste noch die Fluth ümm Beystand sprechen an.
Die Mulde weiß es wol/ wenn sie es kan gedencken/
Wie viel Sie ihr verschluckt. Wie manchen/ manchen
Mann
soff' unsre Saale nein! Wie manchen gab sie wieder/
weil sie schon war zu satt. Diß ist noch Kinderspiel.
Wie manche schöne Stadt die reist die Glut darnieder/
es raucht noch mancher Ort/ der erst ins Feuer fiel.
Der scheue Bauersmann darff sich nicht lassen blicken/
Verläßet Dorff und Hauß/ und läuffet gar davon.
Es stehen ungeheegt der Felder breite Rücken/
Die Acker liegen praach/ sind gantz verwimmert schon.
Da vormahls frische Lust/ da grüne Gärten wahren/
da der und jener Ort voll bunter Rosen stund/
Jst itzt ein wilder Stock selbst von sich auffgefahren;
Der Dörner scharffer Neid reist alle Zier in Grund.
So geht es meiner Welt. Jch bin zu diesem Ende
Jch arme Königinn/ vom Himmel längst versehn.
Wohin ich/ müde Frau/ die matten Augen wende/
da seh' ich meinen Todt. Es ist umm mich geschehn/
Das Zeichen ist nicht gut/ in dem ich bin gebohren
Weil Volck und Reich/ und Jch auff eins zu trümmern
gehn/
Es
H ij
Anderes Buch.
Jch kundte laͤnger nicht in meinen Schloͤſſern bleiben.
Wie kundt ich fuͤrder hin das Elend ſchauen an?
Wie mir mein freyes Volck die frem̃den Herſcher treiben/
wie vor mir taͤglich weint mein armer Untertahn.
Jtzt kam der Schleſier/ und wolte Huͤlffe haben/
itzt mein vertriebner Sachß’. Jtzt klagte mir ihr Leid
die gar entmarkte Marck. Sie kamen ſich zu laben
mit ſtiller Ruh’ an mir/ die mich doch friſt der Streit/
Ach wie viel Baͤche ſind ſo blutroth hingeſchoſſen!
wie manches Kriegers Blut faͤrbt manchen groſſen Fluß/
Wie hat ihr gruͤnes Kleid die Erde ſo begoſſen/
daß mancher Acker noch beſudelt weinen muß!
Die Erde war nicht gnung die Todten zu verſencken/
Sie muſte noch die Fluth uͤmm Beyſtand ſprechen an.
Die Mulde weiß es wol/ wenn ſie es kan gedencken/
Wie viel Sie ihr verſchluckt. Wie manchen/ manchen
Mann
ſoff’ unſre Saale nein! Wie manchen gab ſie wieder/
weil ſie ſchon war zu ſatt. Diß iſt noch Kinderſpiel.
Wie manche ſchoͤne Stadt die reiſt die Glut darnieder/
es raucht noch mancher Ort/ der erſt ins Feuer fiel.
Der ſcheue Bauersmann darff ſich nicht laſſen blicken/
Verlaͤßet Dorff und Hauß/ und laͤuffet gar davon.
Es ſtehen ungeheegt der Felder breite Ruͤcken/
Die Acker liegen praach/ ſind gantz verwimmert ſchon.
Da vormahls friſche Luſt/ da gruͤne Gaͤrten wahren/
da der und jener Ort voll bunter Roſen ſtund/
Jſt itzt ein wilder Stock ſelbſt von ſich auffgefahren;
Der Doͤrner ſcharffer Neid reiſt alle Zier in Grund.
So geht es meiner Welt. Jch bin zu dieſem Ende
Jch arme Koͤniginn/ vom Himmel laͤngſt verſehn.
Wohin ich/ muͤde Frau/ die matten Augen wende/
da ſeh’ ich meinen Todt. Es iſt umm mich geſchehn/
Das Zeichen iſt nicht gut/ in dem ich bin gebohren
Weil Volck und Reich/ und Jch auff eins zu truͤmmern
gehn/
Es
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[115/0135] Anderes Buch. Jch kundte laͤnger nicht in meinen Schloͤſſern bleiben. Wie kundt ich fuͤrder hin das Elend ſchauen an? Wie mir mein freyes Volck die frem̃den Herſcher treiben/ wie vor mir taͤglich weint mein armer Untertahn. Jtzt kam der Schleſier/ und wolte Huͤlffe haben/ itzt mein vertriebner Sachß’. Jtzt klagte mir ihr Leid die gar entmarkte Marck. Sie kamen ſich zu laben mit ſtiller Ruh’ an mir/ die mich doch friſt der Streit/ Ach wie viel Baͤche ſind ſo blutroth hingeſchoſſen! wie manches Kriegers Blut faͤrbt manchen groſſen Fluß/ Wie hat ihr gruͤnes Kleid die Erde ſo begoſſen/ daß mancher Acker noch beſudelt weinen muß! Die Erde war nicht gnung die Todten zu verſencken/ Sie muſte noch die Fluth uͤmm Beyſtand ſprechen an. Die Mulde weiß es wol/ wenn ſie es kan gedencken/ Wie viel Sie ihr verſchluckt. Wie manchen/ manchen Mann ſoff’ unſre Saale nein! Wie manchen gab ſie wieder/ weil ſie ſchon war zu ſatt. Diß iſt noch Kinderſpiel. Wie manche ſchoͤne Stadt die reiſt die Glut darnieder/ es raucht noch mancher Ort/ der erſt ins Feuer fiel. Der ſcheue Bauersmann darff ſich nicht laſſen blicken/ Verlaͤßet Dorff und Hauß/ und laͤuffet gar davon. Es ſtehen ungeheegt der Felder breite Ruͤcken/ Die Acker liegen praach/ ſind gantz verwimmert ſchon. Da vormahls friſche Luſt/ da gruͤne Gaͤrten wahren/ da der und jener Ort voll bunter Roſen ſtund/ Jſt itzt ein wilder Stock ſelbſt von ſich auffgefahren; Der Doͤrner ſcharffer Neid reiſt alle Zier in Grund. So geht es meiner Welt. Jch bin zu dieſem Ende Jch arme Koͤniginn/ vom Himmel laͤngſt verſehn. Wohin ich/ muͤde Frau/ die matten Augen wende/ da ſeh’ ich meinen Todt. Es iſt umm mich geſchehn/ Das Zeichen iſt nicht gut/ in dem ich bin gebohren Weil Volck und Reich/ und Jch auff eins zu truͤmmern gehn/ Es H ij

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Zitationshilfe: Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642], S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_poemata_1642/135>, abgerufen am 23.05.2024.