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Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642].

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Poetischer Wälder
Und tödten eh der Todt uns noch die Sense beut;
und auff das krancke Fleisch aus vollen Kräfften häut.
Jm sterben findet sichs. Wie einer hat gelebet/
so kranckt/ so stirbt er auch. Ein furchtsam Hertze bebet/
und steht in steter Angst. Wer Gott zum Freunde weiß/
dem macht kein Schrecken kalt/ kein Trübsals-Feuer heiß.
So stirbt ein junger Mensch. Was ists noht zu erzählen/
mit was wir alten sonst uns pflegen stets zu quälen;
Das uns bey Tage blaß/ bey Nachte bange macht;
Ein ieder weiß für sich/ wie wo was er verbracht/
das jener große Tag soll an die Sonne bringen/
dafür sich mancher scheut. Vor so dergleichen Dingen
sind Kinder noch befreyt. Drümm blasse Mutter denckt/
Ob Euch der harte Fall auch denn so billich kränckt/
Als wie ihr wol vermeynt. Wem fromme Kinder sterben/
der weiß/ was er der Welt und Himmel läßt zu erben;
Der Erden zwar den Leib/ als der Sie Mutter heißt;
und als sein Vater-recht/ dem Himmel seinen Geist.


Auf H. Jlgens Leichbestattung.
WER sagts/ geehrter Mann/ itzt neuer Himmels-
Bürger/
daß euch sey leid geschehn/ indem der wilde Würger
den Euch Gott zahm hieß seyn/ sich auch an Euch gemacht/
und durch sein scharffes Recht/ wie alles/ ümm gebracht?
Wer sagts/ Euch sey nicht wol/ als etwan eure lieben/
die über euren Fall sich billich hoch betrüben/
und ernstlich traurig seyn. Wir andern die wir Euch
am Blute nicht verwand/ doch nach der Liebe gleich/
die uns gesamt verknüpfft/ erkennen euer Glücke/
und höchste Seeligkeit. Jhr habt die Welt zurücke/
und alles was sie ist. Die Erde laßt ihr stehn/
und könnt mit sicherm Fuß itzt auff den Wolcken gehn/
die
Poetiſcher Waͤlder
Und toͤdten eh der Todt uns noch die Senſe beut;
und auff das krancke Fleiſch aus vollen Kraͤfften haͤut.
Jm ſterben findet ſichs. Wie einer hat gelebet/
ſo kranckt/ ſo ſtirbt er auch. Ein furchtſam Hertze bebet/
und ſteht in ſteter Angſt. Wer Gott zum Freunde weiß/
dem macht kein Schrecken kalt/ kein Truͤbſals-Feuer heiß.
So ſtirbt ein junger Menſch. Was iſts noht zu erzaͤhlen/
mit was wir alten ſonſt uns pflegen ſtets zu quaͤlen;
Das uns bey Tage blaß/ bey Nachte bange macht;
Ein ieder weiß fuͤr ſich/ wie wo was er verbracht/
das jener große Tag ſoll an die Sonne bringen/
dafuͤr ſich mancher ſcheut. Vor ſo dergleichen Dingen
ſind Kinder noch befreyt. Druͤmm blaſſe Mutter denckt/
Ob Euch der harte Fall auch denn ſo billich kraͤnckt/
Als wie ihr wol vermeynt. Wem fromme Kinder ſterben/
der weiß/ was er der Welt und Himmel laͤßt zu erben;
Der Erden zwar den Leib/ als der Sie Mutter heißt;
und als ſein Vater-recht/ dem Himmel ſeinen Geiſt.


Auf H. Jlgens Leichbeſtattung.
WER ſagts/ geehrter Mann/ itzt neuer Himmels-
Buͤrger/
daß euch ſey leid geſchehn/ indem der wilde Wuͤrger
den Euch Gott zahm hieß ſeyn/ ſich auch an Euch gemacht/
und durch ſein ſcharffes Recht/ wie alles/ uͤm̃ gebracht?
Wer ſagts/ Euch ſey nicht wol/ als etwan eure lieben/
die uͤber euren Fall ſich billich hoch betruͤben/
und ernſtlich traurig ſeyn. Wir andern die wir Euch
am Blute nicht verwand/ doch nach der Liebe gleich/
die uns geſamt verknuͤpfft/ erkennen euer Gluͤcke/
und hoͤchſte Seeligkeit. Jhr habt die Welt zuruͤcke/
und alles was ſie iſt. Die Erde laßt ihr ſtehn/
und koͤnnt mit ſicherm Fuß itzt auff den Wolcken gehn/
die
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[130/0150] Poetiſcher Waͤlder Und toͤdten eh der Todt uns noch die Senſe beut; und auff das krancke Fleiſch aus vollen Kraͤfften haͤut. Jm ſterben findet ſichs. Wie einer hat gelebet/ ſo kranckt/ ſo ſtirbt er auch. Ein furchtſam Hertze bebet/ und ſteht in ſteter Angſt. Wer Gott zum Freunde weiß/ dem macht kein Schrecken kalt/ kein Truͤbſals-Feuer heiß. So ſtirbt ein junger Menſch. Was iſts noht zu erzaͤhlen/ mit was wir alten ſonſt uns pflegen ſtets zu quaͤlen; Das uns bey Tage blaß/ bey Nachte bange macht; Ein ieder weiß fuͤr ſich/ wie wo was er verbracht/ das jener große Tag ſoll an die Sonne bringen/ dafuͤr ſich mancher ſcheut. Vor ſo dergleichen Dingen ſind Kinder noch befreyt. Druͤmm blaſſe Mutter denckt/ Ob Euch der harte Fall auch denn ſo billich kraͤnckt/ Als wie ihr wol vermeynt. Wem fromme Kinder ſterben/ der weiß/ was er der Welt und Himmel laͤßt zu erben; Der Erden zwar den Leib/ als der Sie Mutter heißt; und als ſein Vater-recht/ dem Himmel ſeinen Geiſt. Auf H. Jlgens Leichbeſtattung. WER ſagts/ geehrter Mann/ itzt neuer Himmels- Buͤrger/ daß euch ſey leid geſchehn/ indem der wilde Wuͤrger den Euch Gott zahm hieß ſeyn/ ſich auch an Euch gemacht/ und durch ſein ſcharffes Recht/ wie alles/ uͤm̃ gebracht? Wer ſagts/ Euch ſey nicht wol/ als etwan eure lieben/ die uͤber euren Fall ſich billich hoch betruͤben/ und ernſtlich traurig ſeyn. Wir andern die wir Euch am Blute nicht verwand/ doch nach der Liebe gleich/ die uns geſamt verknuͤpfft/ erkennen euer Gluͤcke/ und hoͤchſte Seeligkeit. Jhr habt die Welt zuruͤcke/ und alles was ſie iſt. Die Erde laßt ihr ſtehn/ und koͤnnt mit ſicherm Fuß itzt auff den Wolcken gehn/ die

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Zitationshilfe: Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642], S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_poemata_1642/150>, abgerufen am 21.11.2024.