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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Welch' einfach-schöne Worte; die ganze Schlichtheit und Ker-
nigkeit jener Zeit kann einem nicht faßbarer entgegen treten.

Wie marklos nehmen sich daneben die französischen Verse
aus, die einer der Hofpoeten des Prinzen Heinrich, zu Ehren
eines Fräulein Elsener's gedichtet und unter Einfügung eines
Aschenkrugs in einen der gothischen Pfeiler, mit dünnen Buchstaben
an die Console dieses Aschenkrugs geschrieben hat:

La vertu, la douceur, les charmes,
La firent aimer ici bas;
Aussi voit-on que son trepas
A chacun fait verser des larmes.
Wir liebten sie, weil sie lieblich vereint
Tugend, Sanftmuth und Zauber der Wangen
Jetzt nun, wo sie hinübergegangen,
Folgt ihr die Klage und jeder weint.

Wir werden noch an andrer Stelle, zumal an den Bauten
und Büsten des Parks, ähnlichen Versen begegnen, oft trivial, im
günstigsten Falle sinnig, niemals erhebend. Ein philosophischer
Nothbehelf an Stelle eines freudigen Glaubens. Im Grün des
Parks, wo die alten Griechengötter von allen Seiten her durch
das Grün der Zweige blitzen, freut man sich dieser Betrachtungen,
weil sie zu allem Uebrigen passen; hier in der Kirche aber stören
sie und würden selbst dann noch stören, wenn sie bedeutender
wären als sie sind. Man erkennt deutlich, daß die Kirche der ge-
miedene Schauplatz der Voltairianer war, eine Art gothisch gewölbter
Keller, für den es sich nicht verlohnte, wenn wirklich mal eine
Elsener oder gar ein Pitschner starb, eine besonderes poetische An-
strengung zu machen.

Die Rheinsberger Kirche enthält noch eine Reihe kleiner
Denk- und Sehenswürdigkeiten, die wir wenigstens in Kürze nam-
haft gemacht haben möchten. Da ist der Krystallglas-Kronleuchter,
den die Rheinsberger Jungfrauen hier aufhingen und zum ersten
Mal mit Lichtern schmückten, als im Sommer 1763, in Gegen-

Welch’ einfach-ſchöne Worte; die ganze Schlichtheit und Ker-
nigkeit jener Zeit kann einem nicht faßbarer entgegen treten.

Wie marklos nehmen ſich daneben die franzöſiſchen Verſe
aus, die einer der Hofpoëten des Prinzen Heinrich, zu Ehren
eines Fräulein Elſener’s gedichtet und unter Einfügung eines
Aſchenkrugs in einen der gothiſchen Pfeiler, mit dünnen Buchſtaben
an die Conſole dieſes Aſchenkrugs geſchrieben hat:

La vertu, la douceur, les charmes,
La firent aimer ici bas;
Aussi voit-on que son trépas
A chacun fait verser des larmes.
Wir liebten ſie, weil ſie lieblich vereint
Tugend, Sanftmuth und Zauber der Wangen
Jetzt nun, wo ſie hinübergegangen,
Folgt ihr die Klage und jeder weint.

Wir werden noch an andrer Stelle, zumal an den Bauten
und Büſten des Parks, ähnlichen Verſen begegnen, oft trivial, im
günſtigſten Falle ſinnig, niemals erhebend. Ein philoſophiſcher
Nothbehelf an Stelle eines freudigen Glaubens. Im Grün des
Parks, wo die alten Griechengötter von allen Seiten her durch
das Grün der Zweige blitzen, freut man ſich dieſer Betrachtungen,
weil ſie zu allem Uebrigen paſſen; hier in der Kirche aber ſtören
ſie und würden ſelbſt dann noch ſtören, wenn ſie bedeutender
wären als ſie ſind. Man erkennt deutlich, daß die Kirche der ge-
miedene Schauplatz der Voltairianer war, eine Art gothiſch gewölbter
Keller, für den es ſich nicht verlohnte, wenn wirklich mal eine
Elſener oder gar ein Pitſchner ſtarb, eine beſonderes poëtiſche An-
ſtrengung zu machen.

Die Rheinsberger Kirche enthält noch eine Reihe kleiner
Denk- und Sehenswürdigkeiten, die wir wenigſtens in Kürze nam-
haft gemacht haben möchten. Da iſt der Kryſtallglas-Kronleuchter,
den die Rheinsberger Jungfrauen hier aufhingen und zum erſten
Mal mit Lichtern ſchmückten, als im Sommer 1763, in Gegen-

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[86/0104] Welch’ einfach-ſchöne Worte; die ganze Schlichtheit und Ker- nigkeit jener Zeit kann einem nicht faßbarer entgegen treten. Wie marklos nehmen ſich daneben die franzöſiſchen Verſe aus, die einer der Hofpoëten des Prinzen Heinrich, zu Ehren eines Fräulein Elſener’s gedichtet und unter Einfügung eines Aſchenkrugs in einen der gothiſchen Pfeiler, mit dünnen Buchſtaben an die Conſole dieſes Aſchenkrugs geſchrieben hat: La vertu, la douceur, les charmes, La firent aimer ici bas; Aussi voit-on que son trépas A chacun fait verser des larmes. Wir liebten ſie, weil ſie lieblich vereint Tugend, Sanftmuth und Zauber der Wangen Jetzt nun, wo ſie hinübergegangen, Folgt ihr die Klage und jeder weint. Wir werden noch an andrer Stelle, zumal an den Bauten und Büſten des Parks, ähnlichen Verſen begegnen, oft trivial, im günſtigſten Falle ſinnig, niemals erhebend. Ein philoſophiſcher Nothbehelf an Stelle eines freudigen Glaubens. Im Grün des Parks, wo die alten Griechengötter von allen Seiten her durch das Grün der Zweige blitzen, freut man ſich dieſer Betrachtungen, weil ſie zu allem Uebrigen paſſen; hier in der Kirche aber ſtören ſie und würden ſelbſt dann noch ſtören, wenn ſie bedeutender wären als ſie ſind. Man erkennt deutlich, daß die Kirche der ge- miedene Schauplatz der Voltairianer war, eine Art gothiſch gewölbter Keller, für den es ſich nicht verlohnte, wenn wirklich mal eine Elſener oder gar ein Pitſchner ſtarb, eine beſonderes poëtiſche An- ſtrengung zu machen. Die Rheinsberger Kirche enthält noch eine Reihe kleiner Denk- und Sehenswürdigkeiten, die wir wenigſtens in Kürze nam- haft gemacht haben möchten. Da iſt der Kryſtallglas-Kronleuchter, den die Rheinsberger Jungfrauen hier aufhingen und zum erſten Mal mit Lichtern ſchmückten, als im Sommer 1763, in Gegen-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/104>, abgerufen am 19.05.2024.