Bruder als Geschenk, siedelt aber erst 1753 nach Rheinsberg über. *)
Prinz Heinrich von 1753 bis 1802 (+ 3. August.)
Prinz Ferdinand von 1802 bis 1813 (+ 2. Mai.)
Prinz August von 1813 bis 1843 (+ 19. Juli.)
Seit 1843 ist es wieder Königlicher Besitz. --
Wir passiren nun den Schloßhof, treten links auf den großen Flur und ziehen leise, mit der Hand des Bittstellers, an der Klingel des Castellans. Er schläft wirklich noch; seine Frau aber, eine rüstige Alte, nimmt unverdrossen das große Schlüssel- bund von der Wand und schreitet treppauf vor uns her.
Wollt' ich dem Leser zumuthen, uns auf diesem Gange durch ein Labyrinth von Zimmern zu folgen, so würd' ich eine chaotische Verwirrung in seinem Kopfe anrichten und ihn die Bereicherung seiner Kenntniß mit diesem oder jenem Detail, etwas theuer be- zahlen lassen. Ich verfahre also nicht chronologisch mit Rücksicht auf unseren zufälligen Marsch, sondern chronologisch mit Rücksicht auf die Geschichte selbst und bespreche vorzugsweise die Zimmer des Kronprinzen Friedrich und die Zimmer des Prinzen Heinrich.
Zunächst also die Zimmer des Kronprinzen, des nachmaligen "großen Königs." Sie befinden sich in beiden Flügeln, wenn man, wie billig, den großen Concert-Saal mit hinzurechnet, in welchem unter Leitung der beiden Graun's und Benda's und unter Mitwirkung des Kronprinzen selbst, die classischen Compo- sitionen jener Epoche aufgeführt wurden. Dieser Concert-Saal befindet sich (immer vom See-Ufer aus gesehen) im linken
*) Im Widerspruch hiermit steht allerdings, daß Prinz Heinrich im Jahre 1745 bereits seine Mutter, die verwittwete Königin Sophie Do- rothea, hier in Rheinsberg empfing. Poellnitz giebt davon eine sehr ein- gehende Beschreibung. Vielleicht aber hatte sich der Prinz eigens und auf kurze Zeit nur nach Rheinsberg begeben, um seine Mutter daselbst em- pfangen zu können.
Bruder als Geſchenk, ſiedelt aber erſt 1753 nach Rheinsberg über. *)
Prinz Heinrich von 1753 bis 1802 († 3. Auguſt.)
Prinz Ferdinand von 1802 bis 1813 († 2. Mai.)
Prinz Auguſt von 1813 bis 1843 († 19. Juli.)
Seit 1843 iſt es wieder Königlicher Beſitz. —
Wir paſſiren nun den Schloßhof, treten links auf den großen Flur und ziehen leiſe, mit der Hand des Bittſtellers, an der Klingel des Caſtellans. Er ſchläft wirklich noch; ſeine Frau aber, eine rüſtige Alte, nimmt unverdroſſen das große Schlüſſel- bund von der Wand und ſchreitet treppauf vor uns her.
Wollt’ ich dem Leſer zumuthen, uns auf dieſem Gange durch ein Labyrinth von Zimmern zu folgen, ſo würd’ ich eine chaotiſche Verwirrung in ſeinem Kopfe anrichten und ihn die Bereicherung ſeiner Kenntniß mit dieſem oder jenem Detail, etwas theuer be- zahlen laſſen. Ich verfahre alſo nicht chronologiſch mit Rückſicht auf unſeren zufälligen Marſch, ſondern chronologiſch mit Rückſicht auf die Geſchichte ſelbſt und beſpreche vorzugsweiſe die Zimmer des Kronprinzen Friedrich und die Zimmer des Prinzen Heinrich.
Zunächſt alſo die Zimmer des Kronprinzen, des nachmaligen „großen Königs.“ Sie befinden ſich in beiden Flügeln, wenn man, wie billig, den großen Concert-Saal mit hinzurechnet, in welchem unter Leitung der beiden Graun’s und Benda’s und unter Mitwirkung des Kronprinzen ſelbſt, die claſſiſchen Compo- ſitionen jener Epoche aufgeführt wurden. Dieſer Concert-Saal befindet ſich (immer vom See-Ufer aus geſehen) im linken
*) Im Widerſpruch hiermit ſteht allerdings, daß Prinz Heinrich im Jahre 1745 bereits ſeine Mutter, die verwittwete Königin Sophie Do- rothea, hier in Rheinsberg empfing. Poellnitz giebt davon eine ſehr ein- gehende Beſchreibung. Vielleicht aber hatte ſich der Prinz eigens und auf kurze Zeit nur nach Rheinsberg begeben, um ſeine Mutter daſelbſt em- pfangen zu können.
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Bruder als Geſchenk, ſiedelt aber erſt 1753 nach Rheinsberg
über. *)
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Prinz Ferdinand von 1802 bis 1813 († 2. Mai.)
Prinz Auguſt von 1813 bis 1843 († 19. Juli.)
Seit 1843 iſt es wieder Königlicher Beſitz. —
Wir paſſiren nun den Schloßhof, treten links auf den
großen Flur und ziehen leiſe, mit der Hand des Bittſtellers, an
der Klingel des Caſtellans. Er ſchläft wirklich noch; ſeine Frau
aber, eine rüſtige Alte, nimmt unverdroſſen das große Schlüſſel-
bund von der Wand und ſchreitet treppauf vor uns her.
Wollt’ ich dem Leſer zumuthen, uns auf dieſem Gange durch
ein Labyrinth von Zimmern zu folgen, ſo würd’ ich eine chaotiſche
Verwirrung in ſeinem Kopfe anrichten und ihn die Bereicherung
ſeiner Kenntniß mit dieſem oder jenem Detail, etwas theuer be-
zahlen laſſen. Ich verfahre alſo nicht chronologiſch mit Rückſicht
auf unſeren zufälligen Marſch, ſondern chronologiſch mit Rückſicht
auf die Geſchichte ſelbſt und beſpreche vorzugsweiſe die Zimmer
des Kronprinzen Friedrich und die Zimmer des Prinzen Heinrich.
Zunächſt alſo die Zimmer des Kronprinzen, des nachmaligen
„großen Königs.“ Sie befinden ſich in beiden Flügeln, wenn
man, wie billig, den großen Concert-Saal mit hinzurechnet, in
welchem unter Leitung der beiden Graun’s und Benda’s und
unter Mitwirkung des Kronprinzen ſelbſt, die claſſiſchen Compo-
ſitionen jener Epoche aufgeführt wurden. Dieſer Concert-Saal
befindet ſich (immer vom See-Ufer aus geſehen) im linken
*) Im Widerſpruch hiermit ſteht allerdings, daß Prinz Heinrich im
Jahre 1745 bereits ſeine Mutter, die verwittwete Königin Sophie Do-
rothea, hier in Rheinsberg empfing. Poellnitz giebt davon eine ſehr ein-
gehende Beſchreibung. Vielleicht aber hatte ſich der Prinz eigens und auf
kurze Zeit nur nach Rheinsberg begeben, um ſeine Mutter daſelbſt em-
pfangen zu können.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/111>, abgerufen am 16.07.2024.
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