getödtet hat, die nach dem Gleichklang und gemäß poetisirender Volksneigung alsbald ein Diamant geworden ist.
Man passirt, mal dicht am Seeufer hin, mal wieder sich von ihm entfernend, die üblichen Schaustücke solcher Anlage: Säulen- Tempel, künstliche Ruinen, bemooste Steinbänke, Statuen (darunter einige von großer Schönheit), und gelangt endlich, einige Partieen zur Seite lassend, die wir auf dem Rückwege besuchen wollen, in den sogenannten Freundschafts-Tempel, der bereits im Bobe- row-Walde, also am jenseitigen Ufer des See's liegt. In diesem Freundschafts-Tempel pflegte der Prinz zu speisen, wenn das Wetter eine Fahrt über den See gestattete. Es war ein kleiner Kuppelbau, auf dessen Haupt-Kuppel noch ein Kuppelchen saß; den Eingang bildete ein Frontispice. Frontispice und Kuppeln existiren in diesem Augenblick nicht mehr; sie drohten Einsturz und man hat beides abgetragen. In welcher Weise die Wiederherstellung erfolgen wird, vermag ich nicht zu sagen. Das Innere des ganzen "Tem- pels" besteht eigentlich nur aus einem einzigen achteckigen Zimmer, um das sich, wie die Schale um die Mandel, ein etwas größerer achteckiger Außenbau legt. Es ist genau so, wie wenn man eine kleine Schachtel in eine große stellt und beide mit einem gemein- schaftlichen Deckel überdeckt. Der kleinere achteckige Einsatz hat aber vier thürbreite Einschnitte (die Thüren selbst fehlen), und durch diese Einschnitte wird es möglich, die Inschriften zu lesen, die sich an der Innen wand des achteckigen Außenbaues befinden. Es sind ihrer 16, die sich alle auf das Glück der Freundschaft beziehen, einzelne zwei, andere vier Zeilen lang und alle entweder mit S. oder B. unterzeichnet. Ich gebe zwei derselben:
Qui vit sans amitie, ne scauroit etre heureux Quand il auroit pour lui la fortune et les Dieux.
oder:
Pourquoi l'amour est-il donc le poison Et l'amitie le charme de la vie? C'est que l'amour est le fils de la folie Et l'amitie fille de la raison.
getödtet hat, die nach dem Gleichklang und gemäß poëtiſirender Volksneigung alsbald ein Diamant geworden iſt.
Man paſſirt, mal dicht am Seeufer hin, mal wieder ſich von ihm entfernend, die üblichen Schauſtücke ſolcher Anlage: Säulen- Tempel, künſtliche Ruinen, bemooste Steinbänke, Statuen (darunter einige von großer Schönheit), und gelangt endlich, einige Partieen zur Seite laſſend, die wir auf dem Rückwege beſuchen wollen, in den ſogenannten Freundſchafts-Tempel, der bereits im Bobe- row-Walde, alſo am jenſeitigen Ufer des See’s liegt. In dieſem Freundſchafts-Tempel pflegte der Prinz zu ſpeiſen, wenn das Wetter eine Fahrt über den See geſtattete. Es war ein kleiner Kuppelbau, auf deſſen Haupt-Kuppel noch ein Kuppelchen ſaß; den Eingang bildete ein Frontiſpice. Frontiſpice und Kuppeln exiſtiren in dieſem Augenblick nicht mehr; ſie drohten Einſturz und man hat beides abgetragen. In welcher Weiſe die Wiederherſtellung erfolgen wird, vermag ich nicht zu ſagen. Das Innere des ganzen „Tem- pels“ beſteht eigentlich nur aus einem einzigen achteckigen Zimmer, um das ſich, wie die Schale um die Mandel, ein etwas größerer achteckiger Außenbau legt. Es iſt genau ſo, wie wenn man eine kleine Schachtel in eine große ſtellt und beide mit einem gemein- ſchaftlichen Deckel überdeckt. Der kleinere achteckige Einſatz hat aber vier thürbreite Einſchnitte (die Thüren ſelbſt fehlen), und durch dieſe Einſchnitte wird es möglich, die Inſchriften zu leſen, die ſich an der Innen wand des achteckigen Außenbaues befinden. Es ſind ihrer 16, die ſich alle auf das Glück der Freundſchaft beziehen, einzelne zwei, andere vier Zeilen lang und alle entweder mit S. oder B. unterzeichnet. Ich gebe zwei derſelben:
Qui vit sans amitié, ne scauroit être heureux Quand il auroit pour lui la fortune et les Dieux.
oder:
Pourquoi l’amour est-il donc le poison Et l’amitié le charme de la vie? C’est que l’amour est le fils de la folie Et l’amitié fille de la raison.
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getödtet hat, die nach dem Gleichklang und gemäß poëtiſirender
Volksneigung alsbald ein Diamant geworden iſt.
Man paſſirt, mal dicht am Seeufer hin, mal wieder ſich von
ihm entfernend, die üblichen Schauſtücke ſolcher Anlage: Säulen-
Tempel, künſtliche Ruinen, bemooste Steinbänke, Statuen (darunter
einige von großer Schönheit), und gelangt endlich, einige Partieen
zur Seite laſſend, die wir auf dem Rückwege beſuchen wollen, in
den ſogenannten Freundſchafts-Tempel, der bereits im Bobe-
row-Walde, alſo am jenſeitigen Ufer des See’s liegt. In dieſem
Freundſchafts-Tempel pflegte der Prinz zu ſpeiſen, wenn das
Wetter eine Fahrt über den See geſtattete. Es war ein kleiner
Kuppelbau, auf deſſen Haupt-Kuppel noch ein Kuppelchen ſaß; den
Eingang bildete ein Frontiſpice. Frontiſpice und Kuppeln exiſtiren
in dieſem Augenblick nicht mehr; ſie drohten Einſturz und man hat
beides abgetragen. In welcher Weiſe die Wiederherſtellung erfolgen
wird, vermag ich nicht zu ſagen. Das Innere des ganzen „Tem-
pels“ beſteht eigentlich nur aus einem einzigen achteckigen Zimmer,
um das ſich, wie die Schale um die Mandel, ein etwas größerer
achteckiger Außenbau legt. Es iſt genau ſo, wie wenn man eine
kleine Schachtel in eine große ſtellt und beide mit einem gemein-
ſchaftlichen Deckel überdeckt. Der kleinere achteckige Einſatz hat aber
vier thürbreite Einſchnitte (die Thüren ſelbſt fehlen), und durch
dieſe Einſchnitte wird es möglich, die Inſchriften zu leſen, die ſich
an der Innen wand des achteckigen Außenbaues befinden. Es ſind
ihrer 16, die ſich alle auf das Glück der Freundſchaft beziehen,
einzelne zwei, andere vier Zeilen lang und alle entweder mit S.
oder B. unterzeichnet. Ich gebe zwei derſelben:
Qui vit sans amitié, ne scauroit être heureux
Quand il auroit pour lui la fortune et les Dieux.
oder:
Pourquoi l’amour est-il donc le poison
Et l’amitié le charme de la vie?
C’est que l’amour est le fils de la folie
Et l’amitié fille de la raison.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/121>, abgerufen am 25.11.2024.
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