5. Der große Obelisk in Rheinsberg und seine Inschriften.
Vielleicht die größte Sehenswürdigkeit Rheinsbergs ist der große Obelisk, der sich, gegenüber dem Schlosse, also am jen- seitigen See-Ufer, auf einem zwischen dem Park und dem Boberow gelegenen Hügel erhebt. Er wurde zu Anfang der 90er Jahre vom Prinzen Heinrich "dem Andenken seines Bruders August Wilhelm" errichtet. Dieser Obelisk und seine Inschriften (auch jetzt noch von sehr wenigen gekannt) sind zwar mehrfach beschrieben, aber selten mit kritischem Auge gelesen worden. Diese 28 gol- denen Inschriften, die (rund eingelegt und etwa von dem Ansehen wie die Kehrseiten großer Medaillen) die untere Hälfte des Obelisks bedecken, sind eine Geschichte des siebenjährigen Krieges im Lapi- darstil und scheinen mir darin eine bis diesen Augenblick noch nicht hinreichend gewürdigte Bedeutung zu haben, daß sie das Verhältniß des Prinzen Heinrich zu seinem Königlichen Bruder durch aller- eigenste Worte des Ersteren kennzeichnen und, wenn auch in mildester Form, einen der Sache nach ziemlich strengen Maßstab prinzlicher Kritik an die Sympathieen und Antipathieen König Friedrichs, an sein Lob und seinen Tadel legen. Der umfang- reiche, ein Werk für sich bildende kritische Commentar des Prinzen zu dem großen Geschichtsbuch seines Bruders, ist nach testament- licher Bestimmung des Ersteren unmittelbar nach seinem Hinscheiden verbrannt worden; der Obelisk aber, der sich Jedermann zugänglich Angesichts des Rheinsberger Schlosses erhebt, ist ein kurz gefaßter
5. Der große Obelisk in Rheinsberg und ſeine Inſchriften.
Vielleicht die größte Sehenswürdigkeit Rheinsbergs iſt der große Obelisk, der ſich, gegenüber dem Schloſſe, alſo am jen- ſeitigen See-Ufer, auf einem zwiſchen dem Park und dem Boberow gelegenen Hügel erhebt. Er wurde zu Anfang der 90er Jahre vom Prinzen Heinrich „dem Andenken ſeines Bruders Auguſt Wilhelm“ errichtet. Dieſer Obelisk und ſeine Inſchriften (auch jetzt noch von ſehr wenigen gekannt) ſind zwar mehrfach beſchrieben, aber ſelten mit kritiſchem Auge geleſen worden. Dieſe 28 gol- denen Inſchriften, die (rund eingelegt und etwa von dem Anſehen wie die Kehrſeiten großer Medaillen) die untere Hälfte des Obelisks bedecken, ſind eine Geſchichte des ſiebenjährigen Krieges im Lapi- darſtil und ſcheinen mir darin eine bis dieſen Augenblick noch nicht hinreichend gewürdigte Bedeutung zu haben, daß ſie das Verhältniß des Prinzen Heinrich zu ſeinem Königlichen Bruder durch aller- eigenſte Worte des Erſteren kennzeichnen und, wenn auch in mildeſter Form, einen der Sache nach ziemlich ſtrengen Maßſtab prinzlicher Kritik an die Sympathieen und Antipathieen König Friedrichs, an ſein Lob und ſeinen Tadel legen. Der umfang- reiche, ein Werk für ſich bildende kritiſche Commentar des Prinzen zu dem großen Geſchichtsbuch ſeines Bruders, iſt nach teſtament- licher Beſtimmung des Erſteren unmittelbar nach ſeinem Hinſcheiden verbrannt worden; der Obelisk aber, der ſich Jedermann zugänglich Angeſichts des Rheinsberger Schloſſes erhebt, iſt ein kurz gefaßter
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5.
Der große Obelisk in Rheinsberg und ſeine Inſchriften.
Vielleicht die größte Sehenswürdigkeit Rheinsbergs iſt der
große Obelisk, der ſich, gegenüber dem Schloſſe, alſo am jen-
ſeitigen See-Ufer, auf einem zwiſchen dem Park und dem Boberow
gelegenen Hügel erhebt. Er wurde zu Anfang der 90er Jahre
vom Prinzen Heinrich „dem Andenken ſeines Bruders Auguſt
Wilhelm“ errichtet. Dieſer Obelisk und ſeine Inſchriften (auch
jetzt noch von ſehr wenigen gekannt) ſind zwar mehrfach beſchrieben,
aber ſelten mit kritiſchem Auge geleſen worden. Dieſe 28 gol-
denen Inſchriften, die (rund eingelegt und etwa von dem Anſehen
wie die Kehrſeiten großer Medaillen) die untere Hälfte des Obelisks
bedecken, ſind eine Geſchichte des ſiebenjährigen Krieges im Lapi-
darſtil und ſcheinen mir darin eine bis dieſen Augenblick noch nicht
hinreichend gewürdigte Bedeutung zu haben, daß ſie das Verhältniß
des Prinzen Heinrich zu ſeinem Königlichen Bruder durch aller-
eigenſte Worte des Erſteren kennzeichnen und, wenn auch in
mildeſter Form, einen der Sache nach ziemlich ſtrengen Maßſtab
prinzlicher Kritik an die Sympathieen und Antipathieen König
Friedrichs, an ſein Lob und ſeinen Tadel legen. Der umfang-
reiche, ein Werk für ſich bildende kritiſche Commentar des Prinzen
zu dem großen Geſchichtsbuch ſeines Bruders, iſt nach teſtament-
licher Beſtimmung des Erſteren unmittelbar nach ſeinem Hinſcheiden
verbrannt worden; der Obelisk aber, der ſich Jedermann zugänglich
Angeſichts des Rheinsberger Schloſſes erhebt, iſt ein kurz gefaßter
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [106]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/124>, abgerufen am 26.11.2024.
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