Die Erinnerung an jenen glänzenden Abend lebt noch bis heute bei den Tamselern fort; die alte reiche Familie aber (sie besaß eine Anzahl Güter in der Umgegend), die diese Festlichkeit in's Leben rief, ist seitdem längst vom Schauplatz abgetreten. 1795 starb Graf Ludwig Wreech und Tamsel ging auf seinen Schwager, den Grafen von Dönhoff über. Mit Friedrich Wilhelm v. Wreech, einem Sohn oder Neffen des Grafen Ludwig, ist seitdem das Ge- schlecht erloschen. Ein halbes Jahrhundert lang hatten sie dem Rheinsberger Hofe treulich gedient und (aus nicht völlig aufge- klärten Gründen) ihre Lebensaufgabe darin gesetzt, den Prinzen Heinrich auf Kosten seines Bruders, des Königs -- den die Wreechs geradezu haßten -- zu verherrlichen.
(Bogislaw v. Tauentzien), der spätere Graf Tauentzien von Wittenberg, Sohn des berühmten Vertheidigers von Breslau, gehörte 15 Jahre lang dem Rheinsberger Hofe an. Er war ein ganz besonderer Liebling des Prinzen, der schon 1776 den damals erst 16jährigen Fähnrich von Tauentzien zu seinem Adjutanten ernannte. Bis ganz vor Kurzem noch befand sich ein trefflicher alter Stich im Rheinsberger Schloß, der die Scene darstellt, wie der Fähnrich von Tauentzien seine erste Meldung vor dem Prinzen macht. 1778, bei Ausbruch des bairischen Erbfolgekrieges, folgte Tauentzien dem Prinzen nach Sachsen und Böhmen und kehrte mit ihm in das Rheinsberger Stillleben zurück, das nur durch die zweimalige Reise des Prinzen nach Paris (1784 und 1788) auf längere Zeit unterbrochen wurde. Auf beiden Reisen begleitete Tauentzien den Prinzen (1784 als Lieutenant, 1788 als Capitain) und gedachte noch in späteren Jahren dieses Aufenthalts in der französischen Hauptstadt mit Vorliebe und besonderer Dankbarkeit. Bis 1791, nachdem er schon das Jahr vorher zum Major beför- dert worden war, blieb er in Rheinsberg; dann trat er in die Suite des Königs und wurde in den Grafenstand erhoben. Seine Stellung zum Prinzen wurde dadurch eine sehr schwierige; wie er dieser Schwierigkeiten Herr wurde, darüber lassen sich nur Ver- muthungen äußern. Das Mißverhältniß zwischen dem König und
Die Erinnerung an jenen glänzenden Abend lebt noch bis heute bei den Tamſelern fort; die alte reiche Familie aber (ſie beſaß eine Anzahl Güter in der Umgegend), die dieſe Feſtlichkeit in’s Leben rief, iſt ſeitdem längſt vom Schauplatz abgetreten. 1795 ſtarb Graf Ludwig Wreech und Tamſel ging auf ſeinen Schwager, den Grafen von Dönhoff über. Mit Friedrich Wilhelm v. Wreech, einem Sohn oder Neffen des Grafen Ludwig, iſt ſeitdem das Ge- ſchlecht erloſchen. Ein halbes Jahrhundert lang hatten ſie dem Rheinsberger Hofe treulich gedient und (aus nicht völlig aufge- klärten Gründen) ihre Lebensaufgabe darin geſetzt, den Prinzen Heinrich auf Koſten ſeines Bruders, des Königs — den die Wreechs geradezu haßten — zu verherrlichen.
(Bogislaw v. Tauentzien), der ſpätere Graf Tauentzien von Wittenberg, Sohn des berühmten Vertheidigers von Breslau, gehörte 15 Jahre lang dem Rheinsberger Hofe an. Er war ein ganz beſonderer Liebling des Prinzen, der ſchon 1776 den damals erſt 16jährigen Fähnrich von Tauentzien zu ſeinem Adjutanten ernannte. Bis ganz vor Kurzem noch befand ſich ein trefflicher alter Stich im Rheinsberger Schloß, der die Scene darſtellt, wie der Fähnrich von Tauentzien ſeine erſte Meldung vor dem Prinzen macht. 1778, bei Ausbruch des bairiſchen Erbfolgekrieges, folgte Tauentzien dem Prinzen nach Sachſen und Böhmen und kehrte mit ihm in das Rheinsberger Stillleben zurück, das nur durch die zweimalige Reiſe des Prinzen nach Paris (1784 und 1788) auf längere Zeit unterbrochen wurde. Auf beiden Reiſen begleitete Tauentzien den Prinzen (1784 als Lieutenant, 1788 als Capitain) und gedachte noch in ſpäteren Jahren dieſes Aufenthalts in der franzöſiſchen Hauptſtadt mit Vorliebe und beſonderer Dankbarkeit. Bis 1791, nachdem er ſchon das Jahr vorher zum Major beför- dert worden war, blieb er in Rheinsberg; dann trat er in die Suite des Königs und wurde in den Grafenſtand erhoben. Seine Stellung zum Prinzen wurde dadurch eine ſehr ſchwierige; wie er dieſer Schwierigkeiten Herr wurde, darüber laſſen ſich nur Ver- muthungen äußern. Das Mißverhältniß zwiſchen dem König und
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Die Erinnerung an jenen glänzenden Abend lebt noch bis
heute bei den Tamſelern fort; die alte reiche Familie aber (ſie
beſaß eine Anzahl Güter in der Umgegend), die dieſe Feſtlichkeit
in’s Leben rief, iſt ſeitdem längſt vom Schauplatz abgetreten. 1795
ſtarb Graf Ludwig Wreech und Tamſel ging auf ſeinen Schwager,
den Grafen von Dönhoff über. Mit Friedrich Wilhelm v. Wreech,
einem Sohn oder Neffen des Grafen Ludwig, iſt ſeitdem das Ge-
ſchlecht erloſchen. Ein halbes Jahrhundert lang hatten ſie dem
Rheinsberger Hofe treulich gedient und (aus nicht völlig aufge-
klärten Gründen) ihre Lebensaufgabe darin geſetzt, den Prinzen
Heinrich auf Koſten ſeines Bruders, des Königs — den die
Wreechs geradezu haßten — zu verherrlichen.
(Bogislaw v. Tauentzien), der ſpätere Graf Tauentzien
von Wittenberg, Sohn des berühmten Vertheidigers von Breslau,
gehörte 15 Jahre lang dem Rheinsberger Hofe an. Er war ein
ganz beſonderer Liebling des Prinzen, der ſchon 1776 den damals
erſt 16jährigen Fähnrich von Tauentzien zu ſeinem Adjutanten
ernannte. Bis ganz vor Kurzem noch befand ſich ein trefflicher
alter Stich im Rheinsberger Schloß, der die Scene darſtellt, wie
der Fähnrich von Tauentzien ſeine erſte Meldung vor dem Prinzen
macht. 1778, bei Ausbruch des bairiſchen Erbfolgekrieges, folgte
Tauentzien dem Prinzen nach Sachſen und Böhmen und kehrte
mit ihm in das Rheinsberger Stillleben zurück, das nur durch
die zweimalige Reiſe des Prinzen nach Paris (1784 und 1788)
auf längere Zeit unterbrochen wurde. Auf beiden Reiſen begleitete
Tauentzien den Prinzen (1784 als Lieutenant, 1788 als Capitain)
und gedachte noch in ſpäteren Jahren dieſes Aufenthalts in der
franzöſiſchen Hauptſtadt mit Vorliebe und beſonderer Dankbarkeit.
Bis 1791, nachdem er ſchon das Jahr vorher zum Major beför-
dert worden war, blieb er in Rheinsberg; dann trat er in die
Suite des Königs und wurde in den Grafenſtand erhoben. Seine
Stellung zum Prinzen wurde dadurch eine ſehr ſchwierige; wie er
dieſer Schwierigkeiten Herr wurde, darüber laſſen ſich nur Ver-
muthungen äußern. Das Mißverhältniß zwiſchen dem König und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/143>, abgerufen am 28.11.2024.
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