seinem Onkel, dem Prinzen, war offenkundig, und die Frage drängt sich einem auf, wie stellte sich Tauentzien zu zwei Gegnern, die beide Ansprüche auf seine Treue und Dankbarkeit hatten? Wir müssen annehmen, daß er die Aufgabe glücklich gelöst habe (ver- band er doch ein glückliches Naturell mit der Klugheitsschule des Rheinsberger Hofes), der Prinz würde sonst nicht, während des letzten Jahrzehnts seines Lebens, so viele Erinnerungszeichen an Tauentzien um sich geduldet und werth gehalten haben, darunter ein treffliches Oelportrait, das bis diesen Tag den Zimmern des Schlosses verblieben ist.
(Major von Kaphengst.) Die Rheinsberger Kirchenglocke trägt auch den Namen "Major von Kaphengst" als Inschrift; von ihm und dem Schauplatz seines späteren Lebens werden wir ausführlicher zu sprechen haben. Christian Ludwig v. Kaphengst wurde ohngefähr im Jahre 1740 auf seinem väterlichen Gute Gülitz in der Priegnitz geboren. Wann er an den Rheinsberger Hof kam, ist nicht genau festzustellen; wahrscheinlich aber lernte ihn der Prinz schon während des siebenjährigen Krieges kennen (vielleicht als Offizier im Regimente Prinz Heinrich), fand Gefallen an seiner Jugend und Schönheit und nahm ihn nach erfolgtem Friedensschluß mit nach Rheinsberg. Als Adjutant des Prinzen (eine Stellung, zu der ihn seine geistigen Gaben keineswegs befä- higten) avancirte er zum Capitain, dann zum Major und beherrschte in gewissem Sinne den Hof und den Prinzen selbst, dessen Gunst- bezeugungen ihn übermüthig machten. Der König, der in seiner Sanssouci-Einsamkeit von allem was vorging, sehr wohl unter- richtet war, mißbilligte unumwunden die eben damals herrschenden Verhältnisse am Hofe seines Bruders und bestimmte diesen endlich, den Günstling, der so viel Anstoß gebe, aus seiner Nähe zu ent- fernen. Aber auch diese Entfernung geschah noch wieder in den Formen einer Gunstbezeugung. 1774 überbrachte ein Page des Königs (v. Wülknitz) dem Prinzen Heinrich ein königliches Geschenk von 10,000 Stück Friedrichsd'or zugleich mit der Ordre, "daß er nunmehr den Major v. Kaphengst entlassen möge," eine mündliche
ſeinem Onkel, dem Prinzen, war offenkundig, und die Frage drängt ſich einem auf, wie ſtellte ſich Tauentzien zu zwei Gegnern, die beide Anſprüche auf ſeine Treue und Dankbarkeit hatten? Wir müſſen annehmen, daß er die Aufgabe glücklich gelöſt habe (ver- band er doch ein glückliches Naturell mit der Klugheitsſchule des Rheinsberger Hofes), der Prinz würde ſonſt nicht, während des letzten Jahrzehnts ſeines Lebens, ſo viele Erinnerungszeichen an Tauentzien um ſich geduldet und werth gehalten haben, darunter ein treffliches Oelportrait, das bis dieſen Tag den Zimmern des Schloſſes verblieben iſt.
(Major von Kaphengſt.) Die Rheinsberger Kirchenglocke trägt auch den Namen „Major von Kaphengſt“ als Inſchrift; von ihm und dem Schauplatz ſeines ſpäteren Lebens werden wir ausführlicher zu ſprechen haben. Chriſtian Ludwig v. Kaphengſt wurde ohngefähr im Jahre 1740 auf ſeinem väterlichen Gute Gülitz in der Priegnitz geboren. Wann er an den Rheinsberger Hof kam, iſt nicht genau feſtzuſtellen; wahrſcheinlich aber lernte ihn der Prinz ſchon während des ſiebenjährigen Krieges kennen (vielleicht als Offizier im Regimente Prinz Heinrich), fand Gefallen an ſeiner Jugend und Schönheit und nahm ihn nach erfolgtem Friedensſchluß mit nach Rheinsberg. Als Adjutant des Prinzen (eine Stellung, zu der ihn ſeine geiſtigen Gaben keineswegs befä- higten) avancirte er zum Capitain, dann zum Major und beherrſchte in gewiſſem Sinne den Hof und den Prinzen ſelbſt, deſſen Gunſt- bezeugungen ihn übermüthig machten. Der König, der in ſeiner Sansſouci-Einſamkeit von allem was vorging, ſehr wohl unter- richtet war, mißbilligte unumwunden die eben damals herrſchenden Verhältniſſe am Hofe ſeines Bruders und beſtimmte dieſen endlich, den Günſtling, der ſo viel Anſtoß gebe, aus ſeiner Nähe zu ent- fernen. Aber auch dieſe Entfernung geſchah noch wieder in den Formen einer Gunſtbezeugung. 1774 überbrachte ein Page des Königs (v. Wülknitz) dem Prinzen Heinrich ein königliches Geſchenk von 10,000 Stück Friedrichsd’or zugleich mit der Ordre, „daß er nunmehr den Major v. Kaphengſt entlaſſen möge,“ eine mündliche
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ſeinem Onkel, dem Prinzen, war offenkundig, und die Frage drängt
ſich einem auf, wie ſtellte ſich Tauentzien zu zwei Gegnern, die
beide Anſprüche auf ſeine Treue und Dankbarkeit hatten? Wir
müſſen annehmen, daß er die Aufgabe glücklich gelöſt habe (ver-
band er doch ein glückliches Naturell mit der Klugheitsſchule des
Rheinsberger Hofes), der Prinz würde ſonſt nicht, während des
letzten Jahrzehnts ſeines Lebens, ſo viele Erinnerungszeichen an
Tauentzien um ſich geduldet und werth gehalten haben, darunter
ein treffliches Oelportrait, das bis dieſen Tag den Zimmern des
Schloſſes verblieben iſt.
(Major von Kaphengſt.) Die Rheinsberger Kirchenglocke
trägt auch den Namen „Major von Kaphengſt“ als Inſchrift;
von ihm und dem Schauplatz ſeines ſpäteren Lebens werden wir
ausführlicher zu ſprechen haben. Chriſtian Ludwig v. Kaphengſt
wurde ohngefähr im Jahre 1740 auf ſeinem väterlichen Gute
Gülitz in der Priegnitz geboren. Wann er an den Rheinsberger
Hof kam, iſt nicht genau feſtzuſtellen; wahrſcheinlich aber lernte
ihn der Prinz ſchon während des ſiebenjährigen Krieges kennen
(vielleicht als Offizier im Regimente Prinz Heinrich), fand Gefallen
an ſeiner Jugend und Schönheit und nahm ihn nach erfolgtem
Friedensſchluß mit nach Rheinsberg. Als Adjutant des Prinzen
(eine Stellung, zu der ihn ſeine geiſtigen Gaben keineswegs befä-
higten) avancirte er zum Capitain, dann zum Major und beherrſchte
in gewiſſem Sinne den Hof und den Prinzen ſelbſt, deſſen Gunſt-
bezeugungen ihn übermüthig machten. Der König, der in ſeiner
Sansſouci-Einſamkeit von allem was vorging, ſehr wohl unter-
richtet war, mißbilligte unumwunden die eben damals herrſchenden
Verhältniſſe am Hofe ſeines Bruders und beſtimmte dieſen endlich,
den Günſtling, der ſo viel Anſtoß gebe, aus ſeiner Nähe zu ent-
fernen. Aber auch dieſe Entfernung geſchah noch wieder in den
Formen einer Gunſtbezeugung. 1774 überbrachte ein Page des
Königs (v. Wülknitz) dem Prinzen Heinrich ein königliches Geſchenk
von 10,000 Stück Friedrichsd’or zugleich mit der Ordre, „daß er
nunmehr den Major v. Kaphengſt entlaſſen möge,“ eine mündliche
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/144>, abgerufen am 28.11.2024.
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