So war das Schloß, das der Günstling des Prinzen 35 Jahre später (1774) bezog. Aber weit entfernt, an dieser Pracht ein Genüge und mehr denn das zu finden, begann jetzt ein Leben, das sich vorgesetzt zu haben schien, hinter dem Reichsgrafen nicht zurückzubleiben und abermals eine Tonne Goldes auszugeben. Neubauten aller Art entstanden, aber Bauten, die zunächst nicht ihren Stolz darin setzten, das Vorhandene durch Treibhäuser und Orangerieen auszuschmücken, sondern Bauten, wie sie dem roheren Geschmack und Bedürfniß des Günstlings entsprachen. Ein voll- ständiger Marstall wurde eingerichtet, zwanzig Luxuspferde (laut noch vorhandener Pfandbriefstaxe) wurden gehalten und auf den Atlaskissen der Stühle und Sophas streckten sich die Wind- spiele, während eine Meute von Jagdhunden um die Mittagszeit ihr Geheul über den Hof schickte. Jagd, Spiel, Streit und Aven- türen füllten die Zeit aus, die kaum noch in Tag und Nacht zer- fiel, und mit untergelegten Pferden ging es in fünf Stunden nach Berlin, wohin ihn Theater und große Oper zogen, weniger die Oper als der Tanz und weniger der Tanz als Demoiselle Meroni, die Tänzerin.
Der Prinz hatte wohl Kunde von dem Allen, und wenn er sonst nicht Ursache gehabt hätte den Kopf zu schütteln, so gab ihm das Eine doch Grund vollauf, daß an seinen Säckel und seine Großmuth in sich endlos wiederholenden Geldverlegenheiten appellirt wurde. Er mochte hoffen, durch eine Verheirathung seines einstigen Lieblings die Dinge zum Bessern hin ändern zu können, und da dieser auf den Plan willfährig und ohne Weiteres einging (schon um durch Nachgiebigkeit einen Anspruch auf neue Forderungen zu gewinnen), so kam im Jahre 1789, zu besonderer Freude des Prinzen, eine Vermählung zwischen dem Major v. Kaphengst und
Meseberger Kirche befindet sich das Grabgewölbe des oben genannten Grafen Hermann v. Wartensleben. Er, seine Frau und zwei Kinder sind darin beigesetzt. Er war Oberst über ein Regiment zu Pferde und starb 1764 oder 65. Seine Erben besaßen das Gut bis 1774.
So war das Schloß, das der Günſtling des Prinzen 35 Jahre ſpäter (1774) bezog. Aber weit entfernt, an dieſer Pracht ein Genüge und mehr denn das zu finden, begann jetzt ein Leben, das ſich vorgeſetzt zu haben ſchien, hinter dem Reichsgrafen nicht zurückzubleiben und abermals eine Tonne Goldes auszugeben. Neubauten aller Art entſtanden, aber Bauten, die zunächſt nicht ihren Stolz darin ſetzten, das Vorhandene durch Treibhäuſer und Orangerieen auszuſchmücken, ſondern Bauten, wie ſie dem roheren Geſchmack und Bedürfniß des Günſtlings entſprachen. Ein voll- ſtändiger Marſtall wurde eingerichtet, zwanzig Luxuspferde (laut noch vorhandener Pfandbriefstaxe) wurden gehalten und auf den Atlaskiſſen der Stühle und Sophas ſtreckten ſich die Wind- ſpiele, während eine Meute von Jagdhunden um die Mittagszeit ihr Geheul über den Hof ſchickte. Jagd, Spiel, Streit und Aven- türen füllten die Zeit aus, die kaum noch in Tag und Nacht zer- fiel, und mit untergelegten Pferden ging es in fünf Stunden nach Berlin, wohin ihn Theater und große Oper zogen, weniger die Oper als der Tanz und weniger der Tanz als Demoiſelle Meroni, die Tänzerin.
Der Prinz hatte wohl Kunde von dem Allen, und wenn er ſonſt nicht Urſache gehabt hätte den Kopf zu ſchütteln, ſo gab ihm das Eine doch Grund vollauf, daß an ſeinen Säckel und ſeine Großmuth in ſich endlos wiederholenden Geldverlegenheiten appellirt wurde. Er mochte hoffen, durch eine Verheirathung ſeines einſtigen Lieblings die Dinge zum Beſſern hin ändern zu können, und da dieſer auf den Plan willfährig und ohne Weiteres einging (ſchon um durch Nachgiebigkeit einen Anſpruch auf neue Forderungen zu gewinnen), ſo kam im Jahre 1789, zu beſonderer Freude des Prinzen, eine Vermählung zwiſchen dem Major v. Kaphengſt und
Meſeberger Kirche befindet ſich das Grabgewölbe des oben genannten Grafen Hermann v. Wartensleben. Er, ſeine Frau und zwei Kinder ſind darin beigeſetzt. Er war Oberſt über ein Regiment zu Pferde und ſtarb 1764 oder 65. Seine Erben beſaßen das Gut bis 1774.
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So war das Schloß, das der Günſtling des Prinzen 35 Jahre
ſpäter (1774) bezog. Aber weit entfernt, an dieſer Pracht ein
Genüge und mehr denn das zu finden, begann jetzt ein Leben,
das ſich vorgeſetzt zu haben ſchien, hinter dem Reichsgrafen nicht
zurückzubleiben und abermals eine Tonne Goldes auszugeben.
Neubauten aller Art entſtanden, aber Bauten, die zunächſt nicht
ihren Stolz darin ſetzten, das Vorhandene durch Treibhäuſer und
Orangerieen auszuſchmücken, ſondern Bauten, wie ſie dem roheren
Geſchmack und Bedürfniß des Günſtlings entſprachen. Ein voll-
ſtändiger Marſtall wurde eingerichtet, zwanzig Luxuspferde
(laut noch vorhandener Pfandbriefstaxe) wurden gehalten und auf
den Atlaskiſſen der Stühle und Sophas ſtreckten ſich die Wind-
ſpiele, während eine Meute von Jagdhunden um die Mittagszeit
ihr Geheul über den Hof ſchickte. Jagd, Spiel, Streit und Aven-
türen füllten die Zeit aus, die kaum noch in Tag und Nacht zer-
fiel, und mit untergelegten Pferden ging es in fünf Stunden
nach Berlin, wohin ihn Theater und große Oper zogen, weniger
die Oper als der Tanz und weniger der Tanz als Demoiſelle
Meroni, die Tänzerin.
Der Prinz hatte wohl Kunde von dem Allen, und wenn er
ſonſt nicht Urſache gehabt hätte den Kopf zu ſchütteln, ſo gab ihm
das Eine doch Grund vollauf, daß an ſeinen Säckel und ſeine
Großmuth in ſich endlos wiederholenden Geldverlegenheiten appellirt
wurde. Er mochte hoffen, durch eine Verheirathung ſeines einſtigen
Lieblings die Dinge zum Beſſern hin ändern zu können, und da
dieſer auf den Plan willfährig und ohne Weiteres einging (ſchon
um durch Nachgiebigkeit einen Anſpruch auf neue Forderungen zu
gewinnen), ſo kam im Jahre 1789, zu beſonderer Freude des
Prinzen, eine Vermählung zwiſchen dem Major v. Kaphengſt und
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*) Meſeberger Kirche befindet ſich das Grabgewölbe des oben genannten
Grafen Hermann v. Wartensleben. Er, ſeine Frau und zwei Kinder ſind
darin beigeſetzt. Er war Oberſt über ein Regiment zu Pferde und ſtarb
1764 oder 65. Seine Erben beſaßen das Gut bis 1774.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/148>, abgerufen am 28.11.2024.
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