Offizier, schlank, schön, von dunkelstem Colorit und sechs Fuß groß, aber in bedürftigster Garderobe, in Rheinsberg und gab bei "Demoiselle Aurore", jener schon genannten Schauspielerin des prinzlichen Hoftheaters, einen Empfehlungsbrief ab. Der Brief ent- hielt die Aufforderung, den Ueberbringer, den Grafen La Roche- Aymon bei günstiger Gelegenheit in die Nähe des Prinzen zu bringen. Demoiselle Aurore war eine echte Französin, lebhaft, gut- herzig, dabei Royalistin und zu Abenteuern geneigt; sie bestritt eine passende Equipirung aus eignen Mitteln, und vor Ablauf einer Woche war der Graf in des Prinzen Dienst. Er bezog Wohnung im Kavalierhaus und übernahm den Befehl über die 40 Leibhusaren, die, als eine specielle Prinz-Heinrich'sche Truppe, zu Rheinsberg in Garnison lagen; kurze Zeit darauf wurde er Adjutant des Prinzen. Schön, gewandt, liebenswürdig, ein Kava- lier im besten Sinne des Worts, trat er alsbald in eine Vertrauens- stellung, in ein gewisses Herzensverhältniß zum Prinzen, wie es dieser, seit Tauentzien, nicht mehr gekannt hatte. Der Graf erschien ihm wie ein Geschenk des Himmels; der Abend des Lebens war da, aber die Sonne vor ihrem Scheiden gönnte ihm noch einmal einen Strahl ihres belebenden Lichts. Graf La Roche-Aymon war der letzte Adjutant des Prinzen. Seine Adjutanten, so weit ich es habe in Erfahrung bringen können, waren seit Beginn des siebenjährigen Krieges folgende: Graf Henkel (1757 und 1758); Graf Kalkreuth in der zweiten Hälfte des Krieges; nach dem Kriege: Kaphengst, Tauentzien, La Roche-Aymon.
Nach dem Basler Frieden, der zugleich auch eine Art Ver- söhnung zwischen dem Prinzen Heinrich und seinem Neffen, dem König (Friedrich Wilhelm II.) herbeigeführt hatte, erschien der Prinz wieder in Berlin, wenn auch ohne Freudigkeit und auf kürzere Zeit nur. Bei einer der statthabenden Festlichkeiten war es, wo der Graf La Roche-Aymon, der nunmehrige Adjutant des Prinzen, ein Fräulein v. Zeuner kennen lernte und von ihrer blendenden Schönheit hingerissen wurde. Er war seinerseits völlig dazu angethan, nicht blos bezaubert zu werden, sondern selbst zu
Offizier, ſchlank, ſchön, von dunkelſtem Colorit und ſechs Fuß groß, aber in bedürftigſter Garderobe, in Rheinsberg und gab bei „Demoiſelle Aurore“, jener ſchon genannten Schauſpielerin des prinzlichen Hoftheaters, einen Empfehlungsbrief ab. Der Brief ent- hielt die Aufforderung, den Ueberbringer, den Grafen La Roche- Aymon bei günſtiger Gelegenheit in die Nähe des Prinzen zu bringen. Demoiſelle Aurore war eine echte Franzöſin, lebhaft, gut- herzig, dabei Royaliſtin und zu Abenteuern geneigt; ſie beſtritt eine paſſende Equipirung aus eignen Mitteln, und vor Ablauf einer Woche war der Graf in des Prinzen Dienſt. Er bezog Wohnung im Kavalierhaus und übernahm den Befehl über die 40 Leibhuſaren, die, als eine ſpecielle Prinz-Heinrich’ſche Truppe, zu Rheinsberg in Garniſon lagen; kurze Zeit darauf wurde er Adjutant des Prinzen. Schön, gewandt, liebenswürdig, ein Kava- lier im beſten Sinne des Worts, trat er alsbald in eine Vertrauens- ſtellung, in ein gewiſſes Herzensverhältniß zum Prinzen, wie es dieſer, ſeit Tauentzien, nicht mehr gekannt hatte. Der Graf erſchien ihm wie ein Geſchenk des Himmels; der Abend des Lebens war da, aber die Sonne vor ihrem Scheiden gönnte ihm noch einmal einen Strahl ihres belebenden Lichts. Graf La Roche-Aymon war der letzte Adjutant des Prinzen. Seine Adjutanten, ſo weit ich es habe in Erfahrung bringen können, waren ſeit Beginn des ſiebenjährigen Krieges folgende: Graf Henkel (1757 und 1758); Graf Kalkreuth in der zweiten Hälfte des Krieges; nach dem Kriege: Kaphengſt, Tauentzien, La Roche-Aymon.
Nach dem Basler Frieden, der zugleich auch eine Art Ver- ſöhnung zwiſchen dem Prinzen Heinrich und ſeinem Neffen, dem König (Friedrich Wilhelm II.) herbeigeführt hatte, erſchien der Prinz wieder in Berlin, wenn auch ohne Freudigkeit und auf kürzere Zeit nur. Bei einer der ſtatthabenden Feſtlichkeiten war es, wo der Graf La Roche-Aymon, der nunmehrige Adjutant des Prinzen, ein Fräulein v. Zeuner kennen lernte und von ihrer blendenden Schönheit hingeriſſen wurde. Er war ſeinerſeits völlig dazu angethan, nicht blos bezaubert zu werden, ſondern ſelbſt zu
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Offizier, ſchlank, ſchön, von dunkelſtem Colorit und ſechs Fuß
groß, aber in bedürftigſter Garderobe, in Rheinsberg und gab bei
„Demoiſelle Aurore“, jener ſchon genannten Schauſpielerin des
prinzlichen Hoftheaters, einen Empfehlungsbrief ab. Der Brief ent-
hielt die Aufforderung, den Ueberbringer, den Grafen La Roche-
Aymon bei günſtiger Gelegenheit in die Nähe des Prinzen zu
bringen. Demoiſelle Aurore war eine echte Franzöſin, lebhaft, gut-
herzig, dabei Royaliſtin und zu Abenteuern geneigt; ſie beſtritt
eine paſſende Equipirung aus eignen Mitteln, und vor Ablauf
einer Woche war der Graf in des Prinzen Dienſt. Er bezog
Wohnung im Kavalierhaus und übernahm den Befehl über die
40 Leibhuſaren, die, als eine ſpecielle Prinz-Heinrich’ſche Truppe,
zu Rheinsberg in Garniſon lagen; kurze Zeit darauf wurde er
Adjutant des Prinzen. Schön, gewandt, liebenswürdig, ein Kava-
lier im beſten Sinne des Worts, trat er alsbald in eine Vertrauens-
ſtellung, in ein gewiſſes Herzensverhältniß zum Prinzen, wie es
dieſer, ſeit Tauentzien, nicht mehr gekannt hatte. Der Graf erſchien
ihm wie ein Geſchenk des Himmels; der Abend des Lebens war
da, aber die Sonne vor ihrem Scheiden gönnte ihm noch einmal
einen Strahl ihres belebenden Lichts. Graf La Roche-Aymon war
der letzte Adjutant des Prinzen. Seine Adjutanten, ſo weit ich
es habe in Erfahrung bringen können, waren ſeit Beginn des
ſiebenjährigen Krieges folgende: Graf Henkel (1757 und 1758);
Graf Kalkreuth in der zweiten Hälfte des Krieges; nach dem
Kriege: Kaphengſt, Tauentzien, La Roche-Aymon.
Nach dem Basler Frieden, der zugleich auch eine Art Ver-
ſöhnung zwiſchen dem Prinzen Heinrich und ſeinem Neffen, dem
König (Friedrich Wilhelm II.) herbeigeführt hatte, erſchien der
Prinz wieder in Berlin, wenn auch ohne Freudigkeit und auf
kürzere Zeit nur. Bei einer der ſtatthabenden Feſtlichkeiten war es,
wo der Graf La Roche-Aymon, der nunmehrige Adjutant des
Prinzen, ein Fräulein v. Zeuner kennen lernte und von ihrer
blendenden Schönheit hingeriſſen wurde. Er war ſeinerſeits völlig
dazu angethan, nicht blos bezaubert zu werden, ſondern ſelbſt zu
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/153>, abgerufen am 28.11.2024.
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