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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Gast und Wirthin zugleich und der Prinz hing nicht nur an den
graziösen Bewegungen der schönen Frau, er freute sich ihrer Ge-
genwart überhaupt und bewunderte alles an ihr -- ihre Augen,
ihren Witz und selbst -- ihre Kochkunst.

Ein Abenteuer trat endlich störend dazwischen und warf einen
Schatten über dies heitere Stillleben, das dem Prinzen theurer ge-
worden war, als er sich selbst gestehen mochte. Prinz Louis Fer-
dinand traf eben damals öfters zum Besuch in Schloß Rheinsberg
ein, um seinem Oheim (den er beerben sollte) seinen Respekt zu
bezeugen. Im Sommer 1800 kam er häufiger denn zuvor, kam
und ging, ohne daß Wünsche und Gesuche laut geworden wären,
die er sonst wohl vertraulich gegen den nachsichtigen Oheim zu äußern
pflegte. Ein Geplauder im Park, eine Fahrt über den See, ein
Gastmahl auf der Remus-Insel, während das Schilf leise im
Nachmittagswinde rauschte, schien alles, worauf der Sinn des
Prinzen gerichtet war. Die Gräfin saß neben ihm bei Tisch und
trug einen Kranz von Teichrosen im Haar, den ihr der Prinz
unter Lachen geflochten hatte; sie sah aus wie eine Wassernixe.
So kam der Abend; lautlos glitten die Kähne über den See zu-
rück, nur Flüstern und Lachen und dann und wann ein franzö-
sisches Lied unterbrach die Stille. Der Prinz und die Gräfin fuhren
im selben Kahn; wir wissen nicht, was heimlich versprochen wurde
und was nicht, nur das Bild wollen wir zu malen suchen, das
die nächsten Stunden brachten. Vor dem Fenster der Gräfin liegt
ein Rasenstück, halb beschattet vom Blätterdach einer Platane, halb frei
und offen im weißen Schein des Vollmonds. Aus dem Schatten
heraus tritt der Graf, die Hand an den Degen gelegt; vor ihm,
auf dem erhellten Rasenstück steht der Prinz; typische Gestalten aus
Nord und Süd, so messen sie sich einander, beide gleich schlank,
gleich groß, aber der eine blond, der andere von dunklem Teint
und mit leuchtenden Augen. Am offnen Fenster steht die Gräfin;
das herabwallende Haar schimmert in allen Farben und auf die
ausgestreckten, bittenden Arme fällt das Mondlicht. Die Degen

Gaſt und Wirthin zugleich und der Prinz hing nicht nur an den
graziöſen Bewegungen der ſchönen Frau, er freute ſich ihrer Ge-
genwart überhaupt und bewunderte alles an ihr — ihre Augen,
ihren Witz und ſelbſt — ihre Kochkunſt.

Ein Abenteuer trat endlich ſtörend dazwiſchen und warf einen
Schatten über dies heitere Stillleben, das dem Prinzen theurer ge-
worden war, als er ſich ſelbſt geſtehen mochte. Prinz Louis Fer-
dinand traf eben damals öfters zum Beſuch in Schloß Rheinsberg
ein, um ſeinem Oheim (den er beerben ſollte) ſeinen Reſpekt zu
bezeugen. Im Sommer 1800 kam er häufiger denn zuvor, kam
und ging, ohne daß Wünſche und Geſuche laut geworden wären,
die er ſonſt wohl vertraulich gegen den nachſichtigen Oheim zu äußern
pflegte. Ein Geplauder im Park, eine Fahrt über den See, ein
Gaſtmahl auf der Remus-Inſel, während das Schilf leiſe im
Nachmittagswinde rauſchte, ſchien alles, worauf der Sinn des
Prinzen gerichtet war. Die Gräfin ſaß neben ihm bei Tiſch und
trug einen Kranz von Teichroſen im Haar, den ihr der Prinz
unter Lachen geflochten hatte; ſie ſah aus wie eine Waſſernixe.
So kam der Abend; lautlos glitten die Kähne über den See zu-
rück, nur Flüſtern und Lachen und dann und wann ein franzö-
ſiſches Lied unterbrach die Stille. Der Prinz und die Gräfin fuhren
im ſelben Kahn; wir wiſſen nicht, was heimlich verſprochen wurde
und was nicht, nur das Bild wollen wir zu malen ſuchen, das
die nächſten Stunden brachten. Vor dem Fenſter der Gräfin liegt
ein Raſenſtück, halb beſchattet vom Blätterdach einer Platane, halb frei
und offen im weißen Schein des Vollmonds. Aus dem Schatten
heraus tritt der Graf, die Hand an den Degen gelegt; vor ihm,
auf dem erhellten Raſenſtück ſteht der Prinz; typiſche Geſtalten aus
Nord und Süd, ſo meſſen ſie ſich einander, beide gleich ſchlank,
gleich groß, aber der eine blond, der andere von dunklem Teint
und mit leuchtenden Augen. Am offnen Fenſter ſteht die Gräfin;
das herabwallende Haar ſchimmert in allen Farben und auf die
ausgeſtreckten, bittenden Arme fällt das Mondlicht. Die Degen

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[137/0155] Gaſt und Wirthin zugleich und der Prinz hing nicht nur an den graziöſen Bewegungen der ſchönen Frau, er freute ſich ihrer Ge- genwart überhaupt und bewunderte alles an ihr — ihre Augen, ihren Witz und ſelbſt — ihre Kochkunſt. Ein Abenteuer trat endlich ſtörend dazwiſchen und warf einen Schatten über dies heitere Stillleben, das dem Prinzen theurer ge- worden war, als er ſich ſelbſt geſtehen mochte. Prinz Louis Fer- dinand traf eben damals öfters zum Beſuch in Schloß Rheinsberg ein, um ſeinem Oheim (den er beerben ſollte) ſeinen Reſpekt zu bezeugen. Im Sommer 1800 kam er häufiger denn zuvor, kam und ging, ohne daß Wünſche und Geſuche laut geworden wären, die er ſonſt wohl vertraulich gegen den nachſichtigen Oheim zu äußern pflegte. Ein Geplauder im Park, eine Fahrt über den See, ein Gaſtmahl auf der Remus-Inſel, während das Schilf leiſe im Nachmittagswinde rauſchte, ſchien alles, worauf der Sinn des Prinzen gerichtet war. Die Gräfin ſaß neben ihm bei Tiſch und trug einen Kranz von Teichroſen im Haar, den ihr der Prinz unter Lachen geflochten hatte; ſie ſah aus wie eine Waſſernixe. So kam der Abend; lautlos glitten die Kähne über den See zu- rück, nur Flüſtern und Lachen und dann und wann ein franzö- ſiſches Lied unterbrach die Stille. Der Prinz und die Gräfin fuhren im ſelben Kahn; wir wiſſen nicht, was heimlich verſprochen wurde und was nicht, nur das Bild wollen wir zu malen ſuchen, das die nächſten Stunden brachten. Vor dem Fenſter der Gräfin liegt ein Raſenſtück, halb beſchattet vom Blätterdach einer Platane, halb frei und offen im weißen Schein des Vollmonds. Aus dem Schatten heraus tritt der Graf, die Hand an den Degen gelegt; vor ihm, auf dem erhellten Raſenſtück ſteht der Prinz; typiſche Geſtalten aus Nord und Süd, ſo meſſen ſie ſich einander, beide gleich ſchlank, gleich groß, aber der eine blond, der andere von dunklem Teint und mit leuchtenden Augen. Am offnen Fenſter ſteht die Gräfin; das herabwallende Haar ſchimmert in allen Farben und auf die ausgeſtreckten, bittenden Arme fällt das Mondlicht. Die Degen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/155>, abgerufen am 29.11.2024.