von ihr zu erzählen. Sie war eine resolute Frau, klug, umsichtig, thätig, aber rechthaberisch, die, weil sie immer herrschen wollte, zuletzt schlecht zu regieren verstand. Es lag ihr mehr daran, daß ihr Wille, als daß das Richtige geschah, und die Schmeichler und Ja-sager hatten leichtes Spiel auf Kosten derer, die es wohl meinten. Sie hatte all die Schwächen alter Leute, die die Triumphe ihrer Jugend nicht vergessen können; aber was ihr bis zuletzt die Herzen Vieler zugethan machte, das war, daß sie trotz aller Schwächen und Unleidlichkeiten im Besitz einer wirklichen Vornehm- heit war. Sie glaubte an sich und darauf kommt es an.
Ihre Beziehungen zum Rheinsberger Hofe und zum Prinzen Louis, nicht minder wohl die Huldigungen, die ihr am französi- schen Hofe zu Theil geworden waren, gaben ihr vor der Welt noch immer ein Ansehn, und Friedrich Wilhelm IV. kam nie in die Grafschaft Ruppin, ohne der Marquise auf Koepernitz seinen Besuch zu machen. Es traf sich, daß sie bei einem dieser Besuche, wie zu den Zeiten der Remus-Insel-Diners durch ihre Kochkunst wieder glänzen und den König durch eine Trüffel- oder Cervelat- Wurst (die Historie giebt hier der Phantasie des Lesers Spiel- raum) überraschen konnte. Der König bat sich davon für seine Potsdamer Küche aus und zum Weihnachtsabend kam das könig- liche Gegengeschenk: ein Collier aus goldenen Würstchen bestehend, die Speilerchen von Perlen, dazu ein verbindliches Schreiben mit dem Motto: "Wurst wider Wurst." Geschenk und Gegengeschenk wiederholten sich mehrfach, so daß sich zu dem Collier ein Armband, zu dem Armband ein Ohrgehänge gesellte, zuletzt eine Tabatiere in Form einer kurzen, gedrungenen Zungenwurst, die Dose oben und unten mit Rubinen besetzt, äußerst werthvoll. Die Freude war groß, aber es war die letzte der Art. Aus den Zeitungen er- sah die Marquise bald darauf, daß einer der Hofschlächtermeister zu Potsdam, als Gegengeschenk für eine große Fest- oder Jubi- läumswurst (sogar unter Beifügung desselben Motto's: "Wurst wider Wurst") mit einer eben solchen Tabatiere beschenkt worden
von ihr zu erzählen. Sie war eine reſolute Frau, klug, umſichtig, thätig, aber rechthaberiſch, die, weil ſie immer herrſchen wollte, zuletzt ſchlecht zu regieren verſtand. Es lag ihr mehr daran, daß ihr Wille, als daß das Richtige geſchah, und die Schmeichler und Ja-ſager hatten leichtes Spiel auf Koſten derer, die es wohl meinten. Sie hatte all die Schwächen alter Leute, die die Triumphe ihrer Jugend nicht vergeſſen können; aber was ihr bis zuletzt die Herzen Vieler zugethan machte, das war, daß ſie trotz aller Schwächen und Unleidlichkeiten im Beſitz einer wirklichen Vornehm- heit war. Sie glaubte an ſich und darauf kommt es an.
Ihre Beziehungen zum Rheinsberger Hofe und zum Prinzen Louis, nicht minder wohl die Huldigungen, die ihr am franzöſi- ſchen Hofe zu Theil geworden waren, gaben ihr vor der Welt noch immer ein Anſehn, und Friedrich Wilhelm IV. kam nie in die Grafſchaft Ruppin, ohne der Marquiſe auf Koepernitz ſeinen Beſuch zu machen. Es traf ſich, daß ſie bei einem dieſer Beſuche, wie zu den Zeiten der Remus-Inſel-Diners durch ihre Kochkunſt wieder glänzen und den König durch eine Trüffel- oder Cervelat- Wurſt (die Hiſtorie giebt hier der Phantaſie des Leſers Spiel- raum) überraſchen konnte. Der König bat ſich davon für ſeine Potsdamer Küche aus und zum Weihnachtsabend kam das könig- liche Gegengeſchenk: ein Collier aus goldenen Würſtchen beſtehend, die Speilerchen von Perlen, dazu ein verbindliches Schreiben mit dem Motto: „Wurſt wider Wurſt.“ Geſchenk und Gegengeſchenk wiederholten ſich mehrfach, ſo daß ſich zu dem Collier ein Armband, zu dem Armband ein Ohrgehänge geſellte, zuletzt eine Tabatière in Form einer kurzen, gedrungenen Zungenwurſt, die Doſe oben und unten mit Rubinen beſetzt, äußerſt werthvoll. Die Freude war groß, aber es war die letzte der Art. Aus den Zeitungen er- ſah die Marquiſe bald darauf, daß einer der Hofſchlächtermeiſter zu Potsdam, als Gegengeſchenk für eine große Feſt- oder Jubi- läumswurſt (ſogar unter Beifügung deſſelben Motto’s: „Wurſt wider Wurſt“) mit einer eben ſolchen Tabatière beſchenkt worden
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von ihr zu erzählen. Sie war eine reſolute Frau, klug, umſichtig,
thätig, aber rechthaberiſch, die, weil ſie immer herrſchen wollte,
zuletzt ſchlecht zu regieren verſtand. Es lag ihr mehr daran, daß
ihr Wille, als daß das Richtige geſchah, und die Schmeichler
und Ja-ſager hatten leichtes Spiel auf Koſten derer, die es wohl
meinten. Sie hatte all die Schwächen alter Leute, die die Triumphe
ihrer Jugend nicht vergeſſen können; aber was ihr bis zuletzt die
Herzen Vieler zugethan machte, das war, daß ſie trotz aller
Schwächen und Unleidlichkeiten im Beſitz einer wirklichen Vornehm-
heit war. Sie glaubte an ſich und darauf kommt es an.
Ihre Beziehungen zum Rheinsberger Hofe und zum Prinzen
Louis, nicht minder wohl die Huldigungen, die ihr am franzöſi-
ſchen Hofe zu Theil geworden waren, gaben ihr vor der Welt
noch immer ein Anſehn, und Friedrich Wilhelm IV. kam nie in
die Grafſchaft Ruppin, ohne der Marquiſe auf Koepernitz ſeinen
Beſuch zu machen. Es traf ſich, daß ſie bei einem dieſer Beſuche,
wie zu den Zeiten der Remus-Inſel-Diners durch ihre Kochkunſt
wieder glänzen und den König durch eine Trüffel- oder Cervelat-
Wurſt (die Hiſtorie giebt hier der Phantaſie des Leſers Spiel-
raum) überraſchen konnte. Der König bat ſich davon für ſeine
Potsdamer Küche aus und zum Weihnachtsabend kam das könig-
liche Gegengeſchenk: ein Collier aus goldenen Würſtchen beſtehend,
die Speilerchen von Perlen, dazu ein verbindliches Schreiben mit
dem Motto: „Wurſt wider Wurſt.“ Geſchenk und Gegengeſchenk
wiederholten ſich mehrfach, ſo daß ſich zu dem Collier ein Armband,
zu dem Armband ein Ohrgehänge geſellte, zuletzt eine Tabatière
in Form einer kurzen, gedrungenen Zungenwurſt, die Doſe oben
und unten mit Rubinen beſetzt, äußerſt werthvoll. Die Freude
war groß, aber es war die letzte der Art. Aus den Zeitungen er-
ſah die Marquiſe bald darauf, daß einer der Hofſchlächtermeiſter
zu Potsdam, als Gegengeſchenk für eine große Feſt- oder Jubi-
läumswurſt (ſogar unter Beifügung deſſelben Motto’s: „Wurſt
wider Wurſt“) mit einer eben ſolchen Tabatière beſchenkt worden
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/159>, abgerufen am 29.11.2024.
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