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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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war und die Sendungen in die Königliche Küche hatten von dem
Augenblick an ihr Ende erreicht.

Ihre letzten Lebensjahre brachten ihr noch einen andern inter-
essanten Besuch. Ein Neffe des verstorbenen Marquis hatte diesen
beerbt, und nicht zufrieden mit den französischen Gütern, die ihm
zugefallen waren, machte er auch bei dem betreffenden Pariser Gerichts-
hofe ein Verfahren anhängig, um sich das Gut seiner alten Tante,
das alte Prinz Heinrich'sche Koepernitz, zu erprozessiren. In der ersten
Instanz erklärten selbst die französischen Gerichte ihr "nein"; in der
zweiten und dritten aber wurde das "nein" in ein "ja" umgewandelt,
denn der Neffe des alten legitimistischen Marquis, war ein beson-
derer Günstling Napoleons III. Der Günstling schickte Abge-
sandte, um Koepernitz für ihn in Besitz zu nehmen, und als sich
das nicht thun lassen wollte, erschien er endlich selber. Er nahm
in Rheinsberg bescheidentlich einen Einspänner, umfuhr das ganze
Gut, dessen Lage und Ausdehnung ihm wohlgefiel und fuhr dann
vor dem Wohnhause der alten Tante vor. Diese empfing ihn
auf's artigste, und mit ganzem Aufwand jenes Ceremoniells, worin
sie Meister war; als er aber den eigentlichen Zweck seines Kom-
mens berührte, lachte sie ihn so herzlich aus, daß er sich artig,
aber nicht ohne Verlegenheit von der alten "ma tante" verab-
schiedete. Er wurde nicht wieder gesehn. Dieser Neffe aber, der im
Einspänner von Rheinsberg nach Koepernitz fuhr, ist niemand an-
ders, als der jetzige Befehlshaber der französischen Armee in Rom
-- General Goyon.

Die Marquise war eine stolze, selbstbewußte Frau, voll ari-
stokratischer Vorurtheile, aber auch, wie schon angedeutet, voll ari-
stokratischer Tugenden. Ich mag nicht sagen, daß sie das wahrhaft
Adlige repräsentirte, aber doch die Vornehmheit einer nun zu
Grabe getragenen Zeit, eine Vornehmheit, die unter Umständen
von der Gesinnung abstrahiren konnte und ihr Wesen in eine
meisterhafte Behandlung des Formellen setzte. Oft kam es dabei,
daß sich die Form mit dem Wesen der Vornehmheit identificirte.
Die Formen der Marquise waren von der gewinnendsten Art;

war und die Sendungen in die Königliche Küche hatten von dem
Augenblick an ihr Ende erreicht.

Ihre letzten Lebensjahre brachten ihr noch einen andern inter-
eſſanten Beſuch. Ein Neffe des verſtorbenen Marquis hatte dieſen
beerbt, und nicht zufrieden mit den franzöſiſchen Gütern, die ihm
zugefallen waren, machte er auch bei dem betreffenden Pariſer Gerichts-
hofe ein Verfahren anhängig, um ſich das Gut ſeiner alten Tante,
das alte Prinz Heinrich’ſche Koepernitz, zu erprozeſſiren. In der erſten
Inſtanz erklärten ſelbſt die franzöſiſchen Gerichte ihr „nein“; in der
zweiten und dritten aber wurde das „nein“ in ein „ja“ umgewandelt,
denn der Neffe des alten legitimiſtiſchen Marquis, war ein beſon-
derer Günſtling Napoleons III. Der Günſtling ſchickte Abge-
ſandte, um Koepernitz für ihn in Beſitz zu nehmen, und als ſich
das nicht thun laſſen wollte, erſchien er endlich ſelber. Er nahm
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Gut, deſſen Lage und Ausdehnung ihm wohlgefiel und fuhr dann
vor dem Wohnhauſe der alten Tante vor. Dieſe empfing ihn
auf’s artigſte, und mit ganzem Aufwand jenes Ceremoniells, worin
ſie Meiſter war; als er aber den eigentlichen Zweck ſeines Kom-
mens berührte, lachte ſie ihn ſo herzlich aus, daß er ſich artig,
aber nicht ohne Verlegenheit von der alten „ma tante“ verab-
ſchiedete. Er wurde nicht wieder geſehn. Dieſer Neffe aber, der im
Einſpänner von Rheinsberg nach Koepernitz fuhr, iſt niemand an-
ders, als der jetzige Befehlshaber der franzöſiſchen Armee in Rom
General Goyon.

Die Marquiſe war eine ſtolze, ſelbſtbewußte Frau, voll ari-
ſtokratiſcher Vorurtheile, aber auch, wie ſchon angedeutet, voll ari-
ſtokratiſcher Tugenden. Ich mag nicht ſagen, daß ſie das wahrhaft
Adlige repräſentirte, aber doch die Vornehmheit einer nun zu
Grabe getragenen Zeit, eine Vornehmheit, die unter Umſtänden
von der Geſinnung abſtrahiren konnte und ihr Weſen in eine
meiſterhafte Behandlung des Formellen ſetzte. Oft kam es dabei,
daß ſich die Form mit dem Weſen der Vornehmheit identificirte.
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[142/0160] war und die Sendungen in die Königliche Küche hatten von dem Augenblick an ihr Ende erreicht. Ihre letzten Lebensjahre brachten ihr noch einen andern inter- eſſanten Beſuch. Ein Neffe des verſtorbenen Marquis hatte dieſen beerbt, und nicht zufrieden mit den franzöſiſchen Gütern, die ihm zugefallen waren, machte er auch bei dem betreffenden Pariſer Gerichts- hofe ein Verfahren anhängig, um ſich das Gut ſeiner alten Tante, das alte Prinz Heinrich’ſche Koepernitz, zu erprozeſſiren. In der erſten Inſtanz erklärten ſelbſt die franzöſiſchen Gerichte ihr „nein“; in der zweiten und dritten aber wurde das „nein“ in ein „ja“ umgewandelt, denn der Neffe des alten legitimiſtiſchen Marquis, war ein beſon- derer Günſtling Napoleons III. Der Günſtling ſchickte Abge- ſandte, um Koepernitz für ihn in Beſitz zu nehmen, und als ſich das nicht thun laſſen wollte, erſchien er endlich ſelber. Er nahm in Rheinsberg beſcheidentlich einen Einſpänner, umfuhr das ganze Gut, deſſen Lage und Ausdehnung ihm wohlgefiel und fuhr dann vor dem Wohnhauſe der alten Tante vor. Dieſe empfing ihn auf’s artigſte, und mit ganzem Aufwand jenes Ceremoniells, worin ſie Meiſter war; als er aber den eigentlichen Zweck ſeines Kom- mens berührte, lachte ſie ihn ſo herzlich aus, daß er ſich artig, aber nicht ohne Verlegenheit von der alten „ma tante“ verab- ſchiedete. Er wurde nicht wieder geſehn. Dieſer Neffe aber, der im Einſpänner von Rheinsberg nach Koepernitz fuhr, iſt niemand an- ders, als der jetzige Befehlshaber der franzöſiſchen Armee in Rom — General Goyon. Die Marquiſe war eine ſtolze, ſelbſtbewußte Frau, voll ari- ſtokratiſcher Vorurtheile, aber auch, wie ſchon angedeutet, voll ari- ſtokratiſcher Tugenden. Ich mag nicht ſagen, daß ſie das wahrhaft Adlige repräſentirte, aber doch die Vornehmheit einer nun zu Grabe getragenen Zeit, eine Vornehmheit, die unter Umſtänden von der Geſinnung abſtrahiren konnte und ihr Weſen in eine meiſterhafte Behandlung des Formellen ſetzte. Oft kam es dabei, daß ſich die Form mit dem Weſen der Vornehmheit identificirte. Die Formen der Marquiſe waren von der gewinnendſten Art;

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/160>, abgerufen am 29.11.2024.