Väter in Ehren gehalten hatten. Hans Zieten zu Wildberg (nur eine Viertelmeile von Gantzer), war geschworner Rath des letzten Grafen zu Ruppin und begleitete ihn nach Worms auf den gro- ßen Reichstag (1517); um dieselbe Zeit aber saßen auch schon die Jürgaß auf Gantzer und werden 1525 urkundlich genannt. Von da ab gehen beide Nachbar-Familien in Leid und Freude mit und neben einander, um schließlich auch, wie ein altes Paar, gemein- schaftlich in den Tod zu gehen. Um anzudeuten, wie vielfach beide Familien verschwägert waren, stehe hier nur Folgendes. Die Mut- ter des berühmten alten Zieten war Ilsabe Catharina von Jürgaß aus dem Hause Gantzer (geb. 1666) und die erste Frau des alten Zieten war wiederum eine Jürgaß (Leopoldine Judith, ge- boren 1703). Aus dieser Ehe, zwischen Hans von Zieten und Ju- dith von Jürgaß, wurde eine Tochter geboren, Fräulein Johanna von Zieten, die sich mit Rudolf von Jürgaß vermählte, der selbst wieder ein Sohn Joachims von Jürgaß aus seiner Ehe mit Luise von Zieten war.
Man wird an diesem einen Beispiel erkennen, daß die Ver- wandtschaft zwischen den beiden Familien eine oft 5- und 6-fache und in ihren verschiedenen Graden nicht mehr zu verfolgen war. Es waren nur noch zwei Familien dem Namen nach, während längst dasselbe Blut in den Adern hüben wie drüben floß.
Gantzer, der alte Herrensitz der Wahlen-Jürgaß, ist um eben dieser Familie willen ein Dorf von einem gewissen special-histori- schen Belang, aber nicht minder fast gewährt es, rein äußerlich, durch Erscheinung und Bauart ein topographisches Interesse. Es ist nämlich ein noch übrig gebliebenes Musterstück aus jener Zeit her, wo ein Dorf nicht aus einem Rittergute, sondern in den meisten Fällen aus zwei und vier und selbst sechs Edelhöfen bestand, die dann freilich ihrer Ausdehnung, wie ihrer Erscheinung nach, mehr einem Bauernhofe als einem Rittergute glichen. Auch Gantzer gehörte in alter Zeit 4 Familien: von Jürgaß, von Rohr, von Kröcher und von Wuthenow, aber aus dieser Viertheilung wurde später eine Zweitheilung, indem der ganze Grundbesitz durch
Väter in Ehren gehalten hatten. Hans Zieten zu Wildberg (nur eine Viertelmeile von Gantzer), war geſchworner Rath des letzten Grafen zu Ruppin und begleitete ihn nach Worms auf den gro- ßen Reichstag (1517); um dieſelbe Zeit aber ſaßen auch ſchon die Jürgaß auf Gantzer und werden 1525 urkundlich genannt. Von da ab gehen beide Nachbar-Familien in Leid und Freude mit und neben einander, um ſchließlich auch, wie ein altes Paar, gemein- ſchaftlich in den Tod zu gehen. Um anzudeuten, wie vielfach beide Familien verſchwägert waren, ſtehe hier nur Folgendes. Die Mut- ter des berühmten alten Zieten war Ilſabe Catharina von Jürgaß aus dem Hauſe Gantzer (geb. 1666) und die erſte Frau des alten Zieten war wiederum eine Jürgaß (Leopoldine Judith, ge- boren 1703). Aus dieſer Ehe, zwiſchen Hans von Zieten und Ju- dith von Jürgaß, wurde eine Tochter geboren, Fräulein Johanna von Zieten, die ſich mit Rudolf von Jürgaß vermählte, der ſelbſt wieder ein Sohn Joachims von Jürgaß aus ſeiner Ehe mit Luiſe von Zieten war.
Man wird an dieſem einen Beiſpiel erkennen, daß die Ver- wandtſchaft zwiſchen den beiden Familien eine oft 5- und 6-fache und in ihren verſchiedenen Graden nicht mehr zu verfolgen war. Es waren nur noch zwei Familien dem Namen nach, während längſt daſſelbe Blut in den Adern hüben wie drüben floß.
Gantzer, der alte Herrenſitz der Wahlen-Jürgaß, iſt um eben dieſer Familie willen ein Dorf von einem gewiſſen ſpecial-hiſtori- ſchen Belang, aber nicht minder faſt gewährt es, rein äußerlich, durch Erſcheinung und Bauart ein topographiſches Intereſſe. Es iſt nämlich ein noch übrig gebliebenes Muſterſtück aus jener Zeit her, wo ein Dorf nicht aus einem Rittergute, ſondern in den meiſten Fällen aus zwei und vier und ſelbſt ſechs Edelhöfen beſtand, die dann freilich ihrer Ausdehnung, wie ihrer Erſcheinung nach, mehr einem Bauernhofe als einem Rittergute glichen. Auch Gantzer gehörte in alter Zeit 4 Familien: von Jürgaß, von Rohr, von Kröcher und von Wuthenow, aber aus dieſer Viertheilung wurde ſpäter eine Zweitheilung, indem der ganze Grundbeſitz durch
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Väter in Ehren gehalten hatten. Hans Zieten zu Wildberg (nur
eine Viertelmeile von Gantzer), war geſchworner Rath des letzten
Grafen zu Ruppin und begleitete ihn nach Worms auf den gro-
ßen Reichstag (1517); um dieſelbe Zeit aber ſaßen auch ſchon die
Jürgaß auf Gantzer und werden 1525 urkundlich genannt. Von
da ab gehen beide Nachbar-Familien in Leid und Freude mit und
neben einander, um ſchließlich auch, wie ein altes Paar, gemein-
ſchaftlich in den Tod zu gehen. Um anzudeuten, wie vielfach beide
Familien verſchwägert waren, ſtehe hier nur Folgendes. Die Mut-
ter des berühmten alten Zieten war Ilſabe Catharina von Jürgaß
aus dem Hauſe Gantzer (geb. 1666) und die erſte Frau des
alten Zieten war wiederum eine Jürgaß (Leopoldine Judith, ge-
boren 1703). Aus dieſer Ehe, zwiſchen Hans von Zieten und Ju-
dith von Jürgaß, wurde eine Tochter geboren, Fräulein Johanna
von Zieten, die ſich mit Rudolf von Jürgaß vermählte, der ſelbſt
wieder ein Sohn Joachims von Jürgaß aus ſeiner Ehe mit Luiſe
von Zieten war.
Man wird an dieſem einen Beiſpiel erkennen, daß die Ver-
wandtſchaft zwiſchen den beiden Familien eine oft 5- und 6-fache
und in ihren verſchiedenen Graden nicht mehr zu verfolgen war.
Es waren nur noch zwei Familien dem Namen nach, während
längſt daſſelbe Blut in den Adern hüben wie drüben floß.
Gantzer, der alte Herrenſitz der Wahlen-Jürgaß, iſt um eben
dieſer Familie willen ein Dorf von einem gewiſſen ſpecial-hiſtori-
ſchen Belang, aber nicht minder faſt gewährt es, rein äußerlich,
durch Erſcheinung und Bauart ein topographiſches Intereſſe.
Es iſt nämlich ein noch übrig gebliebenes Muſterſtück aus jener
Zeit her, wo ein Dorf nicht aus einem Rittergute, ſondern in
den meiſten Fällen aus zwei und vier und ſelbſt ſechs Edelhöfen
beſtand, die dann freilich ihrer Ausdehnung, wie ihrer Erſcheinung
nach, mehr einem Bauernhofe als einem Rittergute glichen. Auch
Gantzer gehörte in alter Zeit 4 Familien: von Jürgaß, von Rohr,
von Kröcher und von Wuthenow, aber aus dieſer Viertheilung
wurde ſpäter eine Zweitheilung, indem der ganze Grundbeſitz durch
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/170>, abgerufen am 30.11.2024.
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