die Stehkrippen von unseren zwei Braunen, die den Weg zu kennen scheinen, mit lebhaftem Prusten begrüßt werden. Der Sand- krug verdient den Beinamen, den wir ihm so eben gegeben, denn die dunklen Forsten, die ihn einfassen, sind fast der einzige Punkt noch in der Umgegend Berlins, darin sich ein Stückchen roman- tischer Wegelagerei erhalten hat, freilich von jener unpoetischeren Art, die statt des lauten Angriffs in Stahl und Eisen die Schoß- kelle leise beschleicht und sich damit begnügt, statt der Hälse -- die Koffer abzuschneiden.
Der Sandkrug ist halber Weg; noch eine anderthalbstündige Fahrt an Tannenholz und Dörfern vorbei und wir halten auf einem großstädtisch angelegten Platz, über dem sich eben der präch- tigste Regenbogen wölbt. Das ist der Schloßplatz von Oranien- burg. Das Wetter klärt sich auf; die Sonne ist da. Das Haus, das uns aufnehmen soll, verbirgt sich fast hinter den Linden- bäumen, die es umstehen, und erweckt, neben manchem Anderen, unsere günstigsten Vorurtheile auch dadurch, daß wir vernehmen, es sei Rathhaus und Gasthaus zugleich. Wo Justiz und Gastlich- keit so nahe zusammen wohnen, da ist es gut sein. In alten Zei- ten war das häufiger; unsere Altvodern verstanden sich besser auf Gemüthlichkeit als wir.
Die Luft ist warm und weich und ladet uns ein, unsern Nachmittagskaffee im Freien zu nehmen. Da sitzen wir denn auf der Treppe des Hauses, die sich nach rechts und links hin zu einer Art Veranda erweitert, und freuen uns der Stille und der balsa- mischen Luft, die uns umgeben. Die Kronen der Lindenbäume sind unmittelbar über uns, und so oft ein Luftzug über den Platz weht, schüttelt er aus dem dichten Blattwerk einzelne Regentropfen auf uns nieder. Zu unserer Linken, ziemlich in der Mitte des Platzes, ragt die Statue der hohen Frau auf, die dieser Stadt den Namen und, über ihren engsten Kreis hinaus, zuerst ein An- sehen in der Geschichte unseres Landes gab; dahinter, zwischen den Stäben eines Gitterthors, schimmern die Bäume des Parks hervor, unmittelbar vor uns aber, nur durch die Breite des Platzes von
die Stehkrippen von unſeren zwei Braunen, die den Weg zu kennen ſcheinen, mit lebhaftem Pruſten begrüßt werden. Der Sand- krug verdient den Beinamen, den wir ihm ſo eben gegeben, denn die dunklen Forſten, die ihn einfaſſen, ſind faſt der einzige Punkt noch in der Umgegend Berlins, darin ſich ein Stückchen roman- tiſcher Wegelagerei erhalten hat, freilich von jener unpoetiſcheren Art, die ſtatt des lauten Angriffs in Stahl und Eiſen die Schoß- kelle leiſe beſchleicht und ſich damit begnügt, ſtatt der Hälſe — die Koffer abzuſchneiden.
Der Sandkrug iſt halber Weg; noch eine anderthalbſtündige Fahrt an Tannenholz und Dörfern vorbei und wir halten auf einem großſtädtiſch angelegten Platz, über dem ſich eben der präch- tigſte Regenbogen wölbt. Das iſt der Schloßplatz von Oranien- burg. Das Wetter klärt ſich auf; die Sonne iſt da. Das Haus, das uns aufnehmen ſoll, verbirgt ſich faſt hinter den Linden- bäumen, die es umſtehen, und erweckt, neben manchem Anderen, unſere günſtigſten Vorurtheile auch dadurch, daß wir vernehmen, es ſei Rathhaus und Gaſthaus zugleich. Wo Juſtiz und Gaſtlich- keit ſo nahe zuſammen wohnen, da iſt es gut ſein. In alten Zei- ten war das häufiger; unſere Altvodern verſtanden ſich beſſer auf Gemüthlichkeit als wir.
Die Luft iſt warm und weich und ladet uns ein, unſern Nachmittagskaffee im Freien zu nehmen. Da ſitzen wir denn auf der Treppe des Hauſes, die ſich nach rechts und links hin zu einer Art Veranda erweitert, und freuen uns der Stille und der balſa- miſchen Luft, die uns umgeben. Die Kronen der Lindenbäume ſind unmittelbar über uns, und ſo oft ein Luftzug über den Platz weht, ſchüttelt er aus dem dichten Blattwerk einzelne Regentropfen auf uns nieder. Zu unſerer Linken, ziemlich in der Mitte des Platzes, ragt die Statue der hohen Frau auf, die dieſer Stadt den Namen und, über ihren engſten Kreis hinaus, zuerſt ein An- ſehen in der Geſchichte unſeres Landes gab; dahinter, zwiſchen den Stäben eines Gitterthors, ſchimmern die Bäume des Parks hervor, unmittelbar vor uns aber, nur durch die Breite des Platzes von
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die Stehkrippen von unſeren zwei Braunen, die den Weg zu
kennen ſcheinen, mit lebhaftem Pruſten begrüßt werden. Der Sand-
krug verdient den Beinamen, den wir ihm ſo eben gegeben, denn
die dunklen Forſten, die ihn einfaſſen, ſind faſt der einzige Punkt
noch in der Umgegend Berlins, darin ſich ein Stückchen roman-
tiſcher Wegelagerei erhalten hat, freilich von jener unpoetiſcheren
Art, die ſtatt des lauten Angriffs in Stahl und Eiſen die Schoß-
kelle leiſe beſchleicht und ſich damit begnügt, ſtatt der Hälſe —
die Koffer abzuſchneiden.
Der Sandkrug iſt halber Weg; noch eine anderthalbſtündige
Fahrt an Tannenholz und Dörfern vorbei und wir halten auf
einem großſtädtiſch angelegten Platz, über dem ſich eben der präch-
tigſte Regenbogen wölbt. Das iſt der Schloßplatz von Oranien-
burg. Das Wetter klärt ſich auf; die Sonne iſt da. Das Haus,
das uns aufnehmen ſoll, verbirgt ſich faſt hinter den Linden-
bäumen, die es umſtehen, und erweckt, neben manchem Anderen,
unſere günſtigſten Vorurtheile auch dadurch, daß wir vernehmen,
es ſei Rathhaus und Gaſthaus zugleich. Wo Juſtiz und Gaſtlich-
keit ſo nahe zuſammen wohnen, da iſt es gut ſein. In alten Zei-
ten war das häufiger; unſere Altvodern verſtanden ſich beſſer auf
Gemüthlichkeit als wir.
Die Luft iſt warm und weich und ladet uns ein, unſern
Nachmittagskaffee im Freien zu nehmen. Da ſitzen wir denn auf
der Treppe des Hauſes, die ſich nach rechts und links hin zu einer
Art Veranda erweitert, und freuen uns der Stille und der balſa-
miſchen Luft, die uns umgeben. Die Kronen der Lindenbäume
ſind unmittelbar über uns, und ſo oft ein Luftzug über den Platz
weht, ſchüttelt er aus dem dichten Blattwerk einzelne Regentropfen
auf uns nieder. Zu unſerer Linken, ziemlich in der Mitte des
Platzes, ragt die Statue der hohen Frau auf, die dieſer Stadt
den Namen und, über ihren engſten Kreis hinaus, zuerſt ein An-
ſehen in der Geſchichte unſeres Landes gab; dahinter, zwiſchen den
Stäben eines Gitterthors, ſchimmern die Bäume des Parks hervor,
unmittelbar vor uns aber, nur durch die Breite des Platzes von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/225>, abgerufen am 26.11.2024.
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