uns getrennt, ragt der alte Schloßbau selbst auf, dessen Bild und dessen Geschichte uns heut beschäftigen soll.
Wir haben die Front des Schlosses in aller Klarheit vor uns, aber doch ist es nur die kleinere Hälfte, deren wir von un- serem Platz aus ansichtig werden. Die Form des Oranienburger Schlosses in seiner Blüthezeit war die eines lateinischen H, oder mit anderen Worten, es bestand aus einem Haupt- oder Mittel- stück (corps de logis), an das sich zwei Vorder- und zwei Hinter- flügel lehnten. Die beiden Hinterflügel existiren noch, entziehen sich aber unserem Blick; von den Vorderflügeln wurde der eine (der rechts gelegene) durch Feuer zerstört.
Schloß Oranienburg, wenn wir diese Bezeichnung zunächst unterschiedlos und mit einer Art rückwirkender Kraft festhalten wollen, ist ein alter Schloß- und Burgbau, der sich an derselben Stelle, d. h. also auf der kleinen vor uns gelegenen Havelinsel, seit nahe an 700 Jahren erhebt. Wir haben hier, wie bei verschiedenen andern hohenzollernschen Schlössern, drei Epochen zu unterscheiden, drei Epochen, die sich in aller Kürze durch drei bestimmte Worte bezeich- nen lassen: Burg, Jagdhaus, Schloß. Erst das "Schloß" (wir werden bald sehen, aus welcher Veranlassung) empfing den Namen Oranienburg, während Burg und Jagdhaus den Namen Bötzow, d. h. den Namen jenes uralten wendischen Dorfes führten, den die vordringenden Deutschen bei ihrer Eroberung des Landes be- reits vorfanden. Die Geschichte kennt also bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts hinein nur eine "Burg Bötzow," resp. ein "Jagdhaus zu Bötzow;" erst von den Tagen der Oranierin an, die hier ein "Schloß," einen verhältnißmäßig prächtigen Neubau, an alter Stelle erstehen ließ, existirt ein Oranienburg.
(Burg und Jagdhaus Bötzow von 1200--1650.) Wann Burg Bötzow gegründet wurde, ist nicht genau ersichtlich, wahrscheinlich zwischen 1170 und 1200, von einem der unmittel- baren Nachfolger Albrecht des Bären. 1217 ist urkundlich von einer Feldmark zu Bötzow die Rede, aber freilich erst 1288 von einer Burg zu Bötzow. Nichtsdestoweniger ist der Schluß berech-
uns getrennt, ragt der alte Schloßbau ſelbſt auf, deſſen Bild und deſſen Geſchichte uns heut beſchäftigen ſoll.
Wir haben die Front des Schloſſes in aller Klarheit vor uns, aber doch iſt es nur die kleinere Hälfte, deren wir von un- ſerem Platz aus anſichtig werden. Die Form des Oranienburger Schloſſes in ſeiner Blüthezeit war die eines lateiniſchen H, oder mit anderen Worten, es beſtand aus einem Haupt- oder Mittel- ſtück (corps de logis), an das ſich zwei Vorder- und zwei Hinter- flügel lehnten. Die beiden Hinterflügel exiſtiren noch, entziehen ſich aber unſerem Blick; von den Vorderflügeln wurde der eine (der rechts gelegene) durch Feuer zerſtört.
Schloß Oranienburg, wenn wir dieſe Bezeichnung zunächſt unterſchiedlos und mit einer Art rückwirkender Kraft feſthalten wollen, iſt ein alter Schloß- und Burgbau, der ſich an derſelben Stelle, d. h. alſo auf der kleinen vor uns gelegenen Havelinſel, ſeit nahe an 700 Jahren erhebt. Wir haben hier, wie bei verſchiedenen andern hohenzollernſchen Schlöſſern, drei Epochen zu unterſcheiden, drei Epochen, die ſich in aller Kürze durch drei beſtimmte Worte bezeich- nen laſſen: Burg, Jagdhaus, Schloß. Erſt das „Schloß“ (wir werden bald ſehen, aus welcher Veranlaſſung) empfing den Namen Oranienburg, während Burg und Jagdhaus den Namen Bötzow, d. h. den Namen jenes uralten wendiſchen Dorfes führten, den die vordringenden Deutſchen bei ihrer Eroberung des Landes be- reits vorfanden. Die Geſchichte kennt alſo bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts hinein nur eine „Burg Bötzow,“ reſp. ein „Jagdhaus zu Bötzow;“ erſt von den Tagen der Oranierin an, die hier ein „Schloß,“ einen verhältnißmäßig prächtigen Neubau, an alter Stelle erſtehen ließ, exiſtirt ein Oranienburg.
(Burg und Jagdhaus Bötzow von 1200—1650.) Wann Burg Bötzow gegründet wurde, iſt nicht genau erſichtlich, wahrſcheinlich zwiſchen 1170 und 1200, von einem der unmittel- baren Nachfolger Albrecht des Bären. 1217 iſt urkundlich von einer Feldmark zu Bötzow die Rede, aber freilich erſt 1288 von einer Burg zu Bötzow. Nichtsdeſtoweniger iſt der Schluß berech-
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uns getrennt, ragt der alte Schloßbau ſelbſt auf, deſſen Bild und
deſſen Geſchichte uns heut beſchäftigen ſoll.
Wir haben die Front des Schloſſes in aller Klarheit vor
uns, aber doch iſt es nur die kleinere Hälfte, deren wir von un-
ſerem Platz aus anſichtig werden. Die Form des Oranienburger
Schloſſes in ſeiner Blüthezeit war die eines lateiniſchen H, oder
mit anderen Worten, es beſtand aus einem Haupt- oder Mittel-
ſtück (corps de logis), an das ſich zwei Vorder- und zwei Hinter-
flügel lehnten. Die beiden Hinterflügel exiſtiren noch, entziehen ſich
aber unſerem Blick; von den Vorderflügeln wurde der eine (der
rechts gelegene) durch Feuer zerſtört.
Schloß Oranienburg, wenn wir dieſe Bezeichnung zunächſt
unterſchiedlos und mit einer Art rückwirkender Kraft feſthalten
wollen, iſt ein alter Schloß- und Burgbau, der ſich an derſelben
Stelle, d. h. alſo auf der kleinen vor uns gelegenen Havelinſel, ſeit
nahe an 700 Jahren erhebt. Wir haben hier, wie bei verſchiedenen
andern hohenzollernſchen Schlöſſern, drei Epochen zu unterſcheiden,
drei Epochen, die ſich in aller Kürze durch drei beſtimmte Worte bezeich-
nen laſſen: Burg, Jagdhaus, Schloß. Erſt das „Schloß“ (wir
werden bald ſehen, aus welcher Veranlaſſung) empfing den Namen
Oranienburg, während Burg und Jagdhaus den Namen Bötzow,
d. h. den Namen jenes uralten wendiſchen Dorfes führten, den
die vordringenden Deutſchen bei ihrer Eroberung des Landes be-
reits vorfanden. Die Geſchichte kennt alſo bis in die Mitte des
17. Jahrhunderts hinein nur eine „Burg Bötzow,“ reſp. ein
„Jagdhaus zu Bötzow;“ erſt von den Tagen der Oranierin an,
die hier ein „Schloß,“ einen verhältnißmäßig prächtigen Neubau,
an alter Stelle erſtehen ließ, exiſtirt ein Oranienburg.
(Burg und Jagdhaus Bötzow von 1200—1650.)
Wann Burg Bötzow gegründet wurde, iſt nicht genau erſichtlich,
wahrſcheinlich zwiſchen 1170 und 1200, von einem der unmittel-
baren Nachfolger Albrecht des Bären. 1217 iſt urkundlich von
einer Feldmark zu Bötzow die Rede, aber freilich erſt 1288 von
einer Burg zu Bötzow. Nichtsdeſtoweniger iſt der Schluß berech-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/226>, abgerufen am 26.11.2024.
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