tigt, daß sie schon volle hundert Jahre früher existirte. Oefter ge- nannt wird die Burg zu den Zeiten des Markgrafen Waldemar; Leben und Farbe indeß erhalten die Ueberlieferungen erst zu An- fang des 15. Jahrhunderts während der Quitzow-Zeit.
Versuch ich es, in kurzen Zügen ein Bild jener Epoche zu geben.
1402 war Bötzow eine markgräfliche oder kurfürstliche Burg, die durch einen Burgvoigt im Namen des Markgrafen Jobst von Mähren, oder vielleicht auch seines Statthalters, Günther von Schwarzburg, gehalten wurde. Das Elend des Landes stand da- mals auf seiner Höhe; wie ein hingeworfener Fetzen lag es da, von dem jeder Nachbar, ja jeder ehrgeizige Vasall im Lande selbst, glaubte nehmen zu dürfen, was ihm gut erschien. Sie hatten es sammt und sonders leicht genug; um aber noch sicherer und be- quemer zu gehen, vereinigten sie sich zu gemeinschaftlichen Angriffen, nachdem die Vertheilung der Beute zuvor festgesetzt worden war. Im genannten Jahre (1402) kam es zu einer Art von nordischem Bündniß gegen die offen daliegende Mark, zu einer Ligue, die aus den Herzögen von Mecklenburg und Pommern, so wie aus den Ruppin'schen Grafen bestand, deren Seele jedoch die Quitzow's waren. Die letztern, wiewohl selber Lehnsträger des Markgrafen, verfolgten, politisch genommen, den richtigen und gut zu heißen- den Plan, sich in dem immer herrenloser werdenden Lande schließ- lich selber zum Herrn zu machen, und die Bündnisse, die sie schlossen dienten ihnen nur als Mittel zum Zweck. Die Völker der Ligue fielen endlich in die Mark ein, sengten und plünderten, wohin sie kamen, erstürmten Burg Bötzow und legten an Stelle der märki- schen nunmehr eine pommersche Besatzung in die Burg. Die Mark, nachdem die kurfürstliche Autorität durch diese Vorgänge, besonders aber in Folge der Gefangennahme des Statthalters Günther von Schwarzburg (durch die Quitzows 1404), einen Schlag nach dem andern erfahren hatte, suchte endlich eine Aus- söhnung mit ihren gefährlichsten Gegnern, den Quitzows, herbei- zuführen und war in ihren Verhandlungen -- vielleicht eben des-
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tigt, daß ſie ſchon volle hundert Jahre früher exiſtirte. Oefter ge- nannt wird die Burg zu den Zeiten des Markgrafen Waldemar; Leben und Farbe indeß erhalten die Ueberlieferungen erſt zu An- fang des 15. Jahrhunderts während der Quitzow-Zeit.
Verſuch ich es, in kurzen Zügen ein Bild jener Epoche zu geben.
1402 war Bötzow eine markgräfliche oder kurfürſtliche Burg, die durch einen Burgvoigt im Namen des Markgrafen Jobſt von Mähren, oder vielleicht auch ſeines Statthalters, Günther von Schwarzburg, gehalten wurde. Das Elend des Landes ſtand da- mals auf ſeiner Höhe; wie ein hingeworfener Fetzen lag es da, von dem jeder Nachbar, ja jeder ehrgeizige Vaſall im Lande ſelbſt, glaubte nehmen zu dürfen, was ihm gut erſchien. Sie hatten es ſammt und ſonders leicht genug; um aber noch ſicherer und be- quemer zu gehen, vereinigten ſie ſich zu gemeinſchaftlichen Angriffen, nachdem die Vertheilung der Beute zuvor feſtgeſetzt worden war. Im genannten Jahre (1402) kam es zu einer Art von nordiſchem Bündniß gegen die offen daliegende Mark, zu einer Ligue, die aus den Herzögen von Mecklenburg und Pommern, ſo wie aus den Ruppin’ſchen Grafen beſtand, deren Seele jedoch die Quitzow’s waren. Die letztern, wiewohl ſelber Lehnsträger des Markgrafen, verfolgten, politiſch genommen, den richtigen und gut zu heißen- den Plan, ſich in dem immer herrenloſer werdenden Lande ſchließ- lich ſelber zum Herrn zu machen, und die Bündniſſe, die ſie ſchloſſen dienten ihnen nur als Mittel zum Zweck. Die Völker der Ligue fielen endlich in die Mark ein, ſengten und plünderten, wohin ſie kamen, erſtürmten Burg Bötzow und legten an Stelle der märki- ſchen nunmehr eine pommerſche Beſatzung in die Burg. Die Mark, nachdem die kurfürſtliche Autorität durch dieſe Vorgänge, beſonders aber in Folge der Gefangennahme des Statthalters Günther von Schwarzburg (durch die Quitzows 1404), einen Schlag nach dem andern erfahren hatte, ſuchte endlich eine Aus- ſöhnung mit ihren gefährlichſten Gegnern, den Quitzows, herbei- zuführen und war in ihren Verhandlungen — vielleicht eben des-
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tigt, daß ſie ſchon volle hundert Jahre früher exiſtirte. Oefter ge-
nannt wird die Burg zu den Zeiten des Markgrafen Waldemar;
Leben und Farbe indeß erhalten die Ueberlieferungen erſt zu An-
fang des 15. Jahrhunderts während der Quitzow-Zeit.
Verſuch ich es, in kurzen Zügen ein Bild jener Epoche zu
geben.
1402 war Bötzow eine markgräfliche oder kurfürſtliche Burg,
die durch einen Burgvoigt im Namen des Markgrafen Jobſt von
Mähren, oder vielleicht auch ſeines Statthalters, Günther von
Schwarzburg, gehalten wurde. Das Elend des Landes ſtand da-
mals auf ſeiner Höhe; wie ein hingeworfener Fetzen lag es da,
von dem jeder Nachbar, ja jeder ehrgeizige Vaſall im Lande ſelbſt,
glaubte nehmen zu dürfen, was ihm gut erſchien. Sie hatten es
ſammt und ſonders leicht genug; um aber noch ſicherer und be-
quemer zu gehen, vereinigten ſie ſich zu gemeinſchaftlichen Angriffen,
nachdem die Vertheilung der Beute zuvor feſtgeſetzt worden war.
Im genannten Jahre (1402) kam es zu einer Art von nordiſchem
Bündniß gegen die offen daliegende Mark, zu einer Ligue, die
aus den Herzögen von Mecklenburg und Pommern, ſo wie aus
den Ruppin’ſchen Grafen beſtand, deren Seele jedoch die Quitzow’s
waren. Die letztern, wiewohl ſelber Lehnsträger des Markgrafen,
verfolgten, politiſch genommen, den richtigen und gut zu heißen-
den Plan, ſich in dem immer herrenloſer werdenden Lande ſchließ-
lich ſelber zum Herrn zu machen, und die Bündniſſe, die ſie ſchloſſen
dienten ihnen nur als Mittel zum Zweck. Die Völker der Ligue
fielen endlich in die Mark ein, ſengten und plünderten, wohin ſie
kamen, erſtürmten Burg Bötzow und legten an Stelle der märki-
ſchen nunmehr eine pommerſche Beſatzung in die Burg. Die
Mark, nachdem die kurfürſtliche Autorität durch dieſe Vorgänge,
beſonders aber in Folge der Gefangennahme des Statthalters
Günther von Schwarzburg (durch die Quitzows 1404), einen
Schlag nach dem andern erfahren hatte, ſuchte endlich eine Aus-
ſöhnung mit ihren gefährlichſten Gegnern, den Quitzows, herbei-
zuführen und war in ihren Verhandlungen — vielleicht eben des-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/227>, abgerufen am 26.11.2024.
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