Baumgruppen das etwas hoch gelegene Herrenhaus überragt. Dies Schloß oder Herrenhaus gleicht auf ein Haar den adligen Wohn- häusern, wie sie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Städten und Dörfern hier zu Lande gebaut wurden. Unser Pariser Platz zeigt zu beiden Seiten noch ein Paar Musterstücke dieser Bauart. Zwei Geschosse (Parterre und Bel-Etage), ein hohes Dach, ein Blitzableiter, 10 Fenster Front, eine Rampe, das Ganze gelb angestrichen und ein Wappen oder Namenszug als einziges Ornament. So ist auch das alte Herrenhaus der Zieten; freilich hat es eine reizende Lage voraus. Vorder- und Hinter- front geben gleich anziehende Bilder. Jene gestattet landeinwärts einen Blick auf Park, Dorf, Kirche und Kirchhof, ein Ueberblick, der um so vollständiger ist, als das leis ansteigende Terrain auch das Fernerliegende dem Auge näher rückt. Die Hinterfront hat die Aussicht auf den See.
Wir kommen in einem Boote über den See, legen an einer Wasserbrücke an und springen an's Ufer. Ein kurzer Weg, an Parkgrün und blühenden Linden vorbei, führt uns an den ge- wöhnlichen Eingang des Hauses. Der Flur ist durch eine Glas- thüren-Wand in zwei Theile getheilt; die eine Hälfte, nach dem Dorf hinaus, dient als eine Art Empfangshalle und ist mit Bil- dern und Stichen behängt, darunter der bekannte Kupferstich Cho- dowiecki's: Zieten sitzend vor seinem König. Die andere Hälfte dient als Treppenhaus. Wir steigen die eichene, altmodisch-bequeme Treppe hinauf und treten nun in die nach vornhin gelegene Zimmerreihe ein. Es sind fünf Räume; in der Mitte ein großer 4- oder 5fenstriger Saal, zu beiden Seiten je zwei kleinere Zim- mer. Die kleineren Zimmer sind durchaus schmucklos; über den Thüren befinden sich Oelbilder, Copieen nach Niederländischen Mei- stern; das ist Alles. Das Zimmer, rechts vom Saal, ist das Sterbezimmer des letzten Zieten. Der historische "alte Zieten" starb in Berlin, und zwar in einem jetzt umgebauten Hause in der Kochstraße, das dem Friedrich-Wilhelms-Gymnasium schräg
Baumgruppen das etwas hoch gelegene Herrenhaus überragt. Dies Schloß oder Herrenhaus gleicht auf ein Haar den adligen Wohn- häuſern, wie ſie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Städten und Dörfern hier zu Lande gebaut wurden. Unſer Pariſer Platz zeigt zu beiden Seiten noch ein Paar Muſterſtücke dieſer Bauart. Zwei Geſchoſſe (Parterre und Bel-Etage), ein hohes Dach, ein Blitzableiter, 10 Fenſter Front, eine Rampe, das Ganze gelb angeſtrichen und ein Wappen oder Namenszug als einziges Ornament. So iſt auch das alte Herrenhaus der Zieten; freilich hat es eine reizende Lage voraus. Vorder- und Hinter- front geben gleich anziehende Bilder. Jene geſtattet landeinwärts einen Blick auf Park, Dorf, Kirche und Kirchhof, ein Ueberblick, der um ſo vollſtändiger iſt, als das leis anſteigende Terrain auch das Fernerliegende dem Auge näher rückt. Die Hinterfront hat die Ausſicht auf den See.
Wir kommen in einem Boote über den See, legen an einer Waſſerbrücke an und ſpringen an’s Ufer. Ein kurzer Weg, an Parkgrün und blühenden Linden vorbei, führt uns an den ge- wöhnlichen Eingang des Hauſes. Der Flur iſt durch eine Glas- thüren-Wand in zwei Theile getheilt; die eine Hälfte, nach dem Dorf hinaus, dient als eine Art Empfangshalle und iſt mit Bil- dern und Stichen behängt, darunter der bekannte Kupferſtich Cho- dowiecki’s: Zieten ſitzend vor ſeinem König. Die andere Hälfte dient als Treppenhaus. Wir ſteigen die eichene, altmodiſch-bequeme Treppe hinauf und treten nun in die nach vornhin gelegene Zimmerreihe ein. Es ſind fünf Räume; in der Mitte ein großer 4- oder 5fenſtriger Saal, zu beiden Seiten je zwei kleinere Zim- mer. Die kleineren Zimmer ſind durchaus ſchmucklos; über den Thüren befinden ſich Oelbilder, Copieen nach Niederländiſchen Mei- ſtern; das iſt Alles. Das Zimmer, rechts vom Saal, iſt das Sterbezimmer des letzten Zieten. Der hiſtoriſche „alte Zieten“ ſtarb in Berlin, und zwar in einem jetzt umgebauten Hauſe in der Kochſtraße, das dem Friedrich-Wilhelms-Gymnaſium ſchräg
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Baumgruppen das etwas hoch gelegene Herrenhaus überragt. Dies
Schloß oder Herrenhaus gleicht auf ein Haar den adligen Wohn-
häuſern, wie ſie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
in Städten und Dörfern hier zu Lande gebaut wurden. Unſer
Pariſer Platz zeigt zu beiden Seiten noch ein Paar Muſterſtücke
dieſer Bauart. Zwei Geſchoſſe (Parterre und Bel-Etage), ein
hohes Dach, ein Blitzableiter, 10 Fenſter Front, eine Rampe, das
Ganze gelb angeſtrichen und ein Wappen oder Namenszug als
einziges Ornament. So iſt auch das alte Herrenhaus der Zieten;
freilich hat es eine reizende Lage voraus. Vorder- und Hinter-
front geben gleich anziehende Bilder. Jene geſtattet landeinwärts
einen Blick auf Park, Dorf, Kirche und Kirchhof, ein Ueberblick,
der um ſo vollſtändiger iſt, als das leis anſteigende Terrain auch
das Fernerliegende dem Auge näher rückt. Die Hinterfront hat die
Ausſicht auf den See.
Wir kommen in einem Boote über den See, legen an einer
Waſſerbrücke an und ſpringen an’s Ufer. Ein kurzer Weg, an
Parkgrün und blühenden Linden vorbei, führt uns an den ge-
wöhnlichen Eingang des Hauſes. Der Flur iſt durch eine Glas-
thüren-Wand in zwei Theile getheilt; die eine Hälfte, nach dem
Dorf hinaus, dient als eine Art Empfangshalle und iſt mit Bil-
dern und Stichen behängt, darunter der bekannte Kupferſtich Cho-
dowiecki’s: Zieten ſitzend vor ſeinem König. Die andere Hälfte
dient als Treppenhaus. Wir ſteigen die eichene, altmodiſch-bequeme
Treppe hinauf und treten nun in die nach vornhin gelegene
Zimmerreihe ein. Es ſind fünf Räume; in der Mitte ein großer
4- oder 5fenſtriger Saal, zu beiden Seiten je zwei kleinere Zim-
mer. Die kleineren Zimmer ſind durchaus ſchmucklos; über den
Thüren befinden ſich Oelbilder, Copieen nach Niederländiſchen Mei-
ſtern; das iſt Alles. Das Zimmer, rechts vom Saal, iſt das
Sterbezimmer des letzten Zieten. Der hiſtoriſche „alte Zieten“
ſtarb in Berlin, und zwar in einem jetzt umgebauten Hauſe in
der Kochſtraße, das dem Friedrich-Wilhelms-Gymnaſium ſchräg
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/23>, abgerufen am 03.12.2024.
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