gegenüber liegt. (Auch das alte stattliche Haus, Wilhelmsstraße 9, galt bei seinen früheren Bewohnern als ein Zietensches Haus.)
Das Zimmer links vom Saal heißt das Königs-Zimmer, seitdem Friedrich Wilhelm IV., etwa in der Mitte der 40er Jahre, die Grafschaft Ruppin durchreiste und in Wustrau und Koepernitz, wo damals noch die 70jährige Marquise La Roche Aymon lebte, einen längeren Besuch machte.
Der große Saal ist die eigentliche Sehenswürdigkeit des Hauses. Alles erinnert hier an den Helden, der diese Stätte be- rühmt gemacht hat. Eine Kolossal-Vase, in der Mitte des Saals, zeigt auf ihrer Rückseite die Abbildung des Zietendenkmals auf dem Wilhelmsplatz; rund umher aber, an den Wänden entlang, gruppiren sich Portraits und Büsten der allermannigfachsten Art. Unter den Skulpturen bemerken wir zunächst zwei Büsten des "alten Zieten" selbst. Sie stehen in Wand-Nischen, auf hohen Posta- menten, von einfacher aber gefälliger Form. Die eine Büste, ein Gips-Modell vom berühmten Bildhauer Tassaert, ist ein großes Werthstück, durchaus Portrait, das, noch bei Lebzeiten des alten Zieten, nach der Natur gefertigt wurde. Die andre Büste, kaum zehn Jahre alt, ist nichts wie die übrigens sehr gelungene Aus- führung des Tassaert'schen Modells in Marmor. Die Arbeit dieses alten Meisters ist ganz vortrefflich, und kann der Schadow'sche "alte Zieten", den wir Alle vom Wilhelmsplatz her kennen, daneben kaum bestehen. Die große Lebenswahrheit, die aus der Tassaert'schen Büste spricht, drückt, wenn ich mich des Ausdruckes bedienen darf, den Schadow'schen alten Zieten zu einer bloßen Tendenz-Statue herab. Schadow scheint davon ausgegangen zu sein, den Husaren quand meme, oder das Husarenthum an sich, darstellen zu wollen; er hat dies Letztere, wie mir scheint, als eine Idee in seinem Kopfe herumgetragen und diesem idealen Husarenthum hinterher Ausdruck gegeben. Von dem Moment ab, wo man den wirklichen alten Zieten (den Tassaert'schen) gesehen hat, wird einem das mit einem Male klar. Dies übergeschlagene Bein, diese Hand am Kinn, als solle mal wieder ein lustiger Husarenstreich ersonnen und ausge-
gegenüber liegt. (Auch das alte ſtattliche Haus, Wilhelmsſtraße 9, galt bei ſeinen früheren Bewohnern als ein Zietenſches Haus.)
Das Zimmer links vom Saal heißt das Königs-Zimmer, ſeitdem Friedrich Wilhelm IV., etwa in der Mitte der 40er Jahre, die Grafſchaft Ruppin durchreiſte und in Wuſtrau und Koepernitz, wo damals noch die 70jährige Marquiſe La Roche Aymon lebte, einen längeren Beſuch machte.
Der große Saal iſt die eigentliche Sehenswürdigkeit des Hauſes. Alles erinnert hier an den Helden, der dieſe Stätte be- rühmt gemacht hat. Eine Koloſſal-Vaſe, in der Mitte des Saals, zeigt auf ihrer Rückſeite die Abbildung des Zietendenkmals auf dem Wilhelmsplatz; rund umher aber, an den Wänden entlang, gruppiren ſich Portraits und Büſten der allermannigfachſten Art. Unter den Skulpturen bemerken wir zunächſt zwei Büſten des „alten Zieten“ ſelbſt. Sie ſtehen in Wand-Niſchen, auf hohen Poſta- menten, von einfacher aber gefälliger Form. Die eine Büſte, ein Gips-Modell vom berühmten Bildhauer Taſſaert, iſt ein großes Werthſtück, durchaus Portrait, das, noch bei Lebzeiten des alten Zieten, nach der Natur gefertigt wurde. Die andre Büſte, kaum zehn Jahre alt, iſt nichts wie die übrigens ſehr gelungene Aus- führung des Taſſaert’ſchen Modells in Marmor. Die Arbeit dieſes alten Meiſters iſt ganz vortrefflich, und kann der Schadow’ſche „alte Zieten“, den wir Alle vom Wilhelmsplatz her kennen, daneben kaum beſtehen. Die große Lebenswahrheit, die aus der Taſſaert’ſchen Büſte ſpricht, drückt, wenn ich mich des Ausdruckes bedienen darf, den Schadow’ſchen alten Zieten zu einer bloßen Tendenz-Statue herab. Schadow ſcheint davon ausgegangen zu ſein, den Huſaren quand même, oder das Huſarenthum an ſich, darſtellen zu wollen; er hat dies Letztere, wie mir ſcheint, als eine Idee in ſeinem Kopfe herumgetragen und dieſem idealen Huſarenthum hinterher Ausdruck gegeben. Von dem Moment ab, wo man den wirklichen alten Zieten (den Taſſaert’ſchen) geſehen hat, wird einem das mit einem Male klar. Dies übergeſchlagene Bein, dieſe Hand am Kinn, als ſolle mal wieder ein luſtiger Huſarenſtreich erſonnen und ausge-
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gegenüber liegt. (Auch das alte ſtattliche Haus, Wilhelmsſtraße 9,
galt bei ſeinen früheren Bewohnern als ein Zietenſches Haus.)
Das Zimmer links vom Saal heißt das Königs-Zimmer,
ſeitdem Friedrich Wilhelm IV., etwa in der Mitte der 40er Jahre,
die Grafſchaft Ruppin durchreiſte und in Wuſtrau und Koepernitz,
wo damals noch die 70jährige Marquiſe La Roche Aymon lebte,
einen längeren Beſuch machte.
Der große Saal iſt die eigentliche Sehenswürdigkeit des
Hauſes. Alles erinnert hier an den Helden, der dieſe Stätte be-
rühmt gemacht hat. Eine Koloſſal-Vaſe, in der Mitte des Saals,
zeigt auf ihrer Rückſeite die Abbildung des Zietendenkmals auf
dem Wilhelmsplatz; rund umher aber, an den Wänden entlang,
gruppiren ſich Portraits und Büſten der allermannigfachſten Art.
Unter den Skulpturen bemerken wir zunächſt zwei Büſten des
„alten Zieten“ ſelbſt. Sie ſtehen in Wand-Niſchen, auf hohen Poſta-
menten, von einfacher aber gefälliger Form. Die eine Büſte, ein
Gips-Modell vom berühmten Bildhauer Taſſaert, iſt ein großes
Werthſtück, durchaus Portrait, das, noch bei Lebzeiten des alten
Zieten, nach der Natur gefertigt wurde. Die andre Büſte, kaum
zehn Jahre alt, iſt nichts wie die übrigens ſehr gelungene Aus-
führung des Taſſaert’ſchen Modells in Marmor. Die Arbeit dieſes
alten Meiſters iſt ganz vortrefflich, und kann der Schadow’ſche „alte
Zieten“, den wir Alle vom Wilhelmsplatz her kennen, daneben kaum
beſtehen. Die große Lebenswahrheit, die aus der Taſſaert’ſchen Büſte
ſpricht, drückt, wenn ich mich des Ausdruckes bedienen darf, den
Schadow’ſchen alten Zieten zu einer bloßen Tendenz-Statue herab.
Schadow ſcheint davon ausgegangen zu ſein, den Huſaren quand
même, oder das Huſarenthum an ſich, darſtellen zu wollen;
er hat dies Letztere, wie mir ſcheint, als eine Idee in ſeinem Kopfe
herumgetragen und dieſem idealen Huſarenthum hinterher Ausdruck
gegeben. Von dem Moment ab, wo man den wirklichen alten
Zieten (den Taſſaert’ſchen) geſehen hat, wird einem das mit einem
Male klar. Dies übergeſchlagene Bein, dieſe Hand am Kinn, als
ſolle mal wieder ein luſtiger Huſarenſtreich erſonnen und ausge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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