Damen in ihrem Bettzimmer; diejenigen, die eine Handarbeit dem Kartenspiel vorzogen, setzten sich auf Tabourets, um die Königin her, während Baron Poellnitz seinen Platz als Vorleser einnahm und in der Lektüre von "La Mouche oder die Abenteuer des Mr. Bigaud" fortfuhr. Die Königin folgte der Vorlesung und zog Goldfäden aus (se mit a effiler de l'or). Den Beschluß des Tages machte ein Ball in dem hell erleuchteten Tanzsaal, woran sich ein Souper in dem Staatszimmer, am Ausgang der Porzellan- Gallerie, anschloß. Als die Königin eben in das Staatszimmer eintrat, bemerkte sie durch die hohen, gegenübergelegenen Fenster- flügel, wie es plötzlich, inmitten des dunklen Parks, wie ein Flam- menbaum aus der Erde wuchs. Immer deutlicher gestaltete sich das Bild, bis es endlich wie ein feuriger Laubengang dastand, der an höchster Stelle eine Krone und darunter die Worte: "Vivat Sophia Dorothea" trug.
So lebte man 1745 in Oranienburg. Sechs Wochen später wurde die Schlacht bei Hohenfriedberg geschlagen, an welcher Prinz August Wilhelm, der eben noch Zeit zu Geplauder und Feuerwerk gehabt hatte, einen rühmlichen Antheil nahm.
Die Beziehungen der drei jüngern Prinzen (August Wilhelm, Heinrich und Ferdinand) zu ihrem älteren Bruder, dem Könige, waren damals noch kaum getrübt. Es ist wahr, sie lebten, zumal wenn sie in Potsdam, also in seiner unmittelbaren Nähe waren, unter einem gewissen Druck, aber man fand diesen Druck gleichsam in der Ordnung; er war der älteste, der begabteste und -- der König. Dabei ließ er es seinerseits, um strengen Forderungen ein Gegengewicht zu geben, an Huldigungen nicht fehlen und besonders war es der "Prinz von Preußen," für den er die zartesten Auf- merksamkeiten hatte. Er widmete ihm sein großes Gedicht "die Kriegskunst," er widmete ihm ferner "die Geschichte seines Hauses" und sprach es in der meisterhaften Widmung dieses Werkes vor der ganzen Welt und vor der Zukunft aus, warum er diesen seinen Bruder, der ihn einst beerben solle, als Freund und Fürsten besonders liebe. "Die Milde, die Humanität Ihres
Damen in ihrem Bettzimmer; diejenigen, die eine Handarbeit dem Kartenſpiel vorzogen, ſetzten ſich auf Tabourets, um die Königin her, während Baron Poellnitz ſeinen Platz als Vorleſer einnahm und in der Lektüre von „La Mouche oder die Abenteuer des Mr. Bigaud“ fortfuhr. Die Königin folgte der Vorleſung und zog Goldfäden aus (se mit à effiler de l’or). Den Beſchluß des Tages machte ein Ball in dem hell erleuchteten Tanzſaal, woran ſich ein Souper in dem Staatszimmer, am Ausgang der Porzellan- Gallerie, anſchloß. Als die Königin eben in das Staatszimmer eintrat, bemerkte ſie durch die hohen, gegenübergelegenen Fenſter- flügel, wie es plötzlich, inmitten des dunklen Parks, wie ein Flam- menbaum aus der Erde wuchs. Immer deutlicher geſtaltete ſich das Bild, bis es endlich wie ein feuriger Laubengang daſtand, der an höchſter Stelle eine Krone und darunter die Worte: „Vivat Sophia Dorothea“ trug.
So lebte man 1745 in Oranienburg. Sechs Wochen ſpäter wurde die Schlacht bei Hohenfriedberg geſchlagen, an welcher Prinz Auguſt Wilhelm, der eben noch Zeit zu Geplauder und Feuerwerk gehabt hatte, einen rühmlichen Antheil nahm.
Die Beziehungen der drei jüngern Prinzen (Auguſt Wilhelm, Heinrich und Ferdinand) zu ihrem älteren Bruder, dem Könige, waren damals noch kaum getrübt. Es iſt wahr, ſie lebten, zumal wenn ſie in Potsdam, alſo in ſeiner unmittelbaren Nähe waren, unter einem gewiſſen Druck, aber man fand dieſen Druck gleichſam in der Ordnung; er war der älteſte, der begabteſte und — der König. Dabei ließ er es ſeinerſeits, um ſtrengen Forderungen ein Gegengewicht zu geben, an Huldigungen nicht fehlen und beſonders war es der „Prinz von Preußen,“ für den er die zarteſten Auf- merkſamkeiten hatte. Er widmete ihm ſein großes Gedicht „die Kriegskunſt,“ er widmete ihm ferner „die Geſchichte ſeines Hauſes“ und ſprach es in der meiſterhaften Widmung dieſes Werkes vor der ganzen Welt und vor der Zukunft aus, warum er dieſen ſeinen Bruder, der ihn einſt beerben ſolle, als Freund und Fürſten beſonders liebe. „Die Milde, die Humanität Ihres
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Damen in ihrem Bettzimmer; diejenigen, die eine Handarbeit dem
Kartenſpiel vorzogen, ſetzten ſich auf Tabourets, um die Königin
her, während Baron Poellnitz ſeinen Platz als Vorleſer einnahm
und in der Lektüre von „La Mouche oder die Abenteuer des Mr.
Bigaud“ fortfuhr. Die Königin folgte der Vorleſung und zog
Goldfäden aus (se mit à effiler de l’or). Den Beſchluß des
Tages machte ein Ball in dem hell erleuchteten Tanzſaal, woran
ſich ein Souper in dem Staatszimmer, am Ausgang der Porzellan-
Gallerie, anſchloß. Als die Königin eben in das Staatszimmer
eintrat, bemerkte ſie durch die hohen, gegenübergelegenen Fenſter-
flügel, wie es plötzlich, inmitten des dunklen Parks, wie ein Flam-
menbaum aus der Erde wuchs. Immer deutlicher geſtaltete ſich
das Bild, bis es endlich wie ein feuriger Laubengang daſtand, der
an höchſter Stelle eine Krone und darunter die Worte: „Vivat
Sophia Dorothea“ trug.
So lebte man 1745 in Oranienburg. Sechs Wochen ſpäter
wurde die Schlacht bei Hohenfriedberg geſchlagen, an welcher Prinz
Auguſt Wilhelm, der eben noch Zeit zu Geplauder und Feuerwerk
gehabt hatte, einen rühmlichen Antheil nahm.
Die Beziehungen der drei jüngern Prinzen (Auguſt Wilhelm,
Heinrich und Ferdinand) zu ihrem älteren Bruder, dem Könige,
waren damals noch kaum getrübt. Es iſt wahr, ſie lebten, zumal
wenn ſie in Potsdam, alſo in ſeiner unmittelbaren Nähe waren,
unter einem gewiſſen Druck, aber man fand dieſen Druck gleichſam
in der Ordnung; er war der älteſte, der begabteſte und — der
König. Dabei ließ er es ſeinerſeits, um ſtrengen Forderungen ein
Gegengewicht zu geben, an Huldigungen nicht fehlen und beſonders
war es der „Prinz von Preußen,“ für den er die zarteſten Auf-
merkſamkeiten hatte. Er widmete ihm ſein großes Gedicht „die
Kriegskunſt,“ er widmete ihm ferner „die Geſchichte ſeines Hauſes“
und ſprach es in der meiſterhaften Widmung dieſes Werkes vor
der ganzen Welt und vor der Zukunft aus, warum er dieſen
ſeinen Bruder, der ihn einſt beerben ſolle, als Freund und
Fürſten beſonders liebe. „Die Milde, die Humanität Ihres
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/244>, abgerufen am 24.11.2024.
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