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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Charakters ist es, die ich so hoch schätze; ein Herz, das der Freund-
schaft offen ist, ist über niedern Ehrgeiz erhaben; Sie kennen kein
anderes Gebot, als das der Gerechtigkeit, und keinen andern
Willen, als den Wunsch, die Hochschätzung der Weisen zu ver-
dienen."

So war das Verhältniß zwischen den beiden Brüdern, als
die schweren Tage, die dem Unglückstage von Kollin folgten, diesem
schönen Einvernehmen plötzlich ein Ziel setzten. Prinz August Wil-
helm erhielt bekanntlich den Oberbefehl über diejenigen Truppen,
die ihren Rückzug nach der Lausitz nehmen sollten; Winterfeldt
wurde ihm beigegeben. Die Sachen gingen schlecht und bei end-
licher Wiederbegegnung der beiden Brüder fand jene furchtbare
Scene statt, die Graf Schwerin, der Adjutant Winterfeldt's, mit
folgenden Worten beschrieben hat: "Ein Parolekreis wurde ge-
schlossen, in dem der Prinz und alle seine Generale standen. Nicht
der König trat in den Kreis, sondern Winterfeldt statt seiner.
Im Auftrage des Königs mußte er sagen: "Sie hätten Alle
verdient, daß über ihr Betragen ein Kriegsrath gehalten würde,
wo sie dann dem Spruch nicht entgehen könnten, die Köpfe zu
verlieren; indeß wolle der König es nicht so weit treiben, weil er
im General auch den Bruder nicht vergesse." "Der König stand
unweit des Kreises," so fährt Graf Schwerin fort, "und horchte,
ob Winterfeldt sich auch strikte der ihm anbefohlenen Ausdrücke
bediene. Winterfeldt that es, aber mit Schaudern, und
er konnte den Eindruck seiner Worte sogleich sehen, denn der Prinz
trat augenblicklich aus dem Kreise und ritt, ohne den König zu
sprechen, nach Bautzen."

Im Spätherbst desselben Jahres finden wir den Prinzen wie-
der in Oranienburg, an selbiger Stelle, wo er uns zuerst als
liebenswürdiger und aufmerksamer Sohn und geübt in den feinen
Künsten der Ueberraschung, entgegentrat. Aber wir finden ihn jetzt
in Einsamkeit und gebrochenen Herzens. Ob er sich in seiner Liebe
zum König oder in seiner eignen Ehre schwerer getroffen fühlte, ist
schwer zu sagen. Gleichviel, unheilbare Krankheit hatte sich seiner

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Charakters iſt es, die ich ſo hoch ſchätze; ein Herz, das der Freund-
ſchaft offen iſt, iſt über niedern Ehrgeiz erhaben; Sie kennen kein
anderes Gebot, als das der Gerechtigkeit, und keinen andern
Willen, als den Wunſch, die Hochſchätzung der Weiſen zu ver-
dienen.“

So war das Verhältniß zwiſchen den beiden Brüdern, als
die ſchweren Tage, die dem Unglückstage von Kollin folgten, dieſem
ſchönen Einvernehmen plötzlich ein Ziel ſetzten. Prinz Auguſt Wil-
helm erhielt bekanntlich den Oberbefehl über diejenigen Truppen,
die ihren Rückzug nach der Lauſitz nehmen ſollten; Winterfeldt
wurde ihm beigegeben. Die Sachen gingen ſchlecht und bei end-
licher Wiederbegegnung der beiden Brüder fand jene furchtbare
Scene ſtatt, die Graf Schwerin, der Adjutant Winterfeldt’s, mit
folgenden Worten beſchrieben hat: „Ein Parolekreis wurde ge-
ſchloſſen, in dem der Prinz und alle ſeine Generale ſtanden. Nicht
der König trat in den Kreis, ſondern Winterfeldt ſtatt ſeiner.
Im Auftrage des Königs mußte er ſagen: „Sie hätten Alle
verdient, daß über ihr Betragen ein Kriegsrath gehalten würde,
wo ſie dann dem Spruch nicht entgehen könnten, die Köpfe zu
verlieren; indeß wolle der König es nicht ſo weit treiben, weil er
im General auch den Bruder nicht vergeſſe.“ „Der König ſtand
unweit des Kreiſes,“ ſo fährt Graf Schwerin fort, „und horchte,
ob Winterfeldt ſich auch ſtrikte der ihm anbefohlenen Ausdrücke
bediene. Winterfeldt that es, aber mit Schaudern, und
er konnte den Eindruck ſeiner Worte ſogleich ſehen, denn der Prinz
trat augenblicklich aus dem Kreiſe und ritt, ohne den König zu
ſprechen, nach Bautzen.“

Im Spätherbſt deſſelben Jahres finden wir den Prinzen wie-
der in Oranienburg, an ſelbiger Stelle, wo er uns zuerſt als
liebenswürdiger und aufmerkſamer Sohn und geübt in den feinen
Künſten der Ueberraſchung, entgegentrat. Aber wir finden ihn jetzt
in Einſamkeit und gebrochenen Herzens. Ob er ſich in ſeiner Liebe
zum König oder in ſeiner eignen Ehre ſchwerer getroffen fühlte, iſt
ſchwer zu ſagen. Gleichviel, unheilbare Krankheit hatte ſich ſeiner

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[227/0245] Charakters iſt es, die ich ſo hoch ſchätze; ein Herz, das der Freund- ſchaft offen iſt, iſt über niedern Ehrgeiz erhaben; Sie kennen kein anderes Gebot, als das der Gerechtigkeit, und keinen andern Willen, als den Wunſch, die Hochſchätzung der Weiſen zu ver- dienen.“ So war das Verhältniß zwiſchen den beiden Brüdern, als die ſchweren Tage, die dem Unglückstage von Kollin folgten, dieſem ſchönen Einvernehmen plötzlich ein Ziel ſetzten. Prinz Auguſt Wil- helm erhielt bekanntlich den Oberbefehl über diejenigen Truppen, die ihren Rückzug nach der Lauſitz nehmen ſollten; Winterfeldt wurde ihm beigegeben. Die Sachen gingen ſchlecht und bei end- licher Wiederbegegnung der beiden Brüder fand jene furchtbare Scene ſtatt, die Graf Schwerin, der Adjutant Winterfeldt’s, mit folgenden Worten beſchrieben hat: „Ein Parolekreis wurde ge- ſchloſſen, in dem der Prinz und alle ſeine Generale ſtanden. Nicht der König trat in den Kreis, ſondern Winterfeldt ſtatt ſeiner. Im Auftrage des Königs mußte er ſagen: „Sie hätten Alle verdient, daß über ihr Betragen ein Kriegsrath gehalten würde, wo ſie dann dem Spruch nicht entgehen könnten, die Köpfe zu verlieren; indeß wolle der König es nicht ſo weit treiben, weil er im General auch den Bruder nicht vergeſſe.“ „Der König ſtand unweit des Kreiſes,“ ſo fährt Graf Schwerin fort, „und horchte, ob Winterfeldt ſich auch ſtrikte der ihm anbefohlenen Ausdrücke bediene. Winterfeldt that es, aber mit Schaudern, und er konnte den Eindruck ſeiner Worte ſogleich ſehen, denn der Prinz trat augenblicklich aus dem Kreiſe und ritt, ohne den König zu ſprechen, nach Bautzen.“ Im Spätherbſt deſſelben Jahres finden wir den Prinzen wie- der in Oranienburg, an ſelbiger Stelle, wo er uns zuerſt als liebenswürdiger und aufmerkſamer Sohn und geübt in den feinen Künſten der Ueberraſchung, entgegentrat. Aber wir finden ihn jetzt in Einſamkeit und gebrochenen Herzens. Ob er ſich in ſeiner Liebe zum König oder in ſeiner eignen Ehre ſchwerer getroffen fühlte, iſt ſchwer zu ſagen. Gleichviel, unheilbare Krankheit hatte ſich ſeiner 15*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/245>, abgerufen am 24.11.2024.