Theil der seinerzeit viel berühmten und von Touristen jener Epoche oft beschriebenen Porzellan-Gallerie, oder war ein Empfangs- und Gesellschafts-Zimmer, wo die fürstlichen Personen in Gesellschaft ihres Hofstaats den Thee einzunehmen pflegten. Das Decken- Gemälde, das ich gleich näher beschreiben werde, scheint mit seinen vielen Porzellangeräthschaften zunächst für die erstere Annahme zu sprechen; ein schärferes Eingehen aber macht es beinah zweifellos, daß es das Theezimmer war. In der Mitte des Deckenbildes erblicken wir nämlich eine starke, blühend aussehende Frauens- person mit rothen Rosen im Haar; in ihrer ganzen Erscheinung einer holländischen Theeschenkerin sehr ähnlich. Mit der linken Hand drückt sie eine blau und weiß gemusterte Theebüchse fest ans Herz, während sie mit der Rechten einen eben so gemusterten por- zellanenen Theetopf einer gleichfalls wohlbeleibten, blonden, hoch- roth gekleideten Dame entgegenstreckt. Diese ihrerseits (durch die Schlange, die sich um ihren weißen Arm ringelt, als Hygea charak- terisirt) hält der Theeschenkerin einen Spiegel entgegen, als ob sie ihr zurufen wolle: "erkenne dich selbst und schrick zurück vor dir selber, wenn du dich als Lügnerin, d. h. deinen Thee als schlecht und unecht erkennst."
Die Malerei ist vortrefflich (man merkt durchaus die gute holländische Schule) und viele unserer Maler werden von Glück sagen können, wenn ihre Deckengemälde sich nach mehr als 150 Jah- ren noch ähnlich gut präsentiren. Auch die diesen Bildern zu Grunde liegenden Ideen, denen es an Humor und Selbstpersiflage gar nicht fehlt, sind leichter zu verspotten, als besser zu machen. Es sind doch immerhin Ideen, mit denen total gebrochen zu haben wir häufig zur Unzeit stolz sind.
Das am entgegengesetzten Ende liegende Zimmer ist aller Wahrscheinlichkeit nach das ehemalige Wohn- und Lieblingszimmer Friedrichs I., dasselbe, in das (wie ich oben beschrieben habe) am 15. April 1745 die Königin Sophie Dorothea eintrat und im Eintreten durch das prächtige Feuerwerk überrascht wurde, das im selben Moment wie eine Flammenlaube mitten aus dem Dunkel
Theil der ſeinerzeit viel berühmten und von Touriſten jener Epoche oft beſchriebenen Porzellan-Gallerie, oder war ein Empfangs- und Geſellſchafts-Zimmer, wo die fürſtlichen Perſonen in Geſellſchaft ihres Hofſtaats den Thee einzunehmen pflegten. Das Decken- Gemälde, das ich gleich näher beſchreiben werde, ſcheint mit ſeinen vielen Porzellangeräthſchaften zunächſt für die erſtere Annahme zu ſprechen; ein ſchärferes Eingehen aber macht es beinah zweifellos, daß es das Theezimmer war. In der Mitte des Deckenbildes erblicken wir nämlich eine ſtarke, blühend ausſehende Frauens- perſon mit rothen Roſen im Haar; in ihrer ganzen Erſcheinung einer holländiſchen Theeſchenkerin ſehr ähnlich. Mit der linken Hand drückt ſie eine blau und weiß gemuſterte Theebüchſe feſt ans Herz, während ſie mit der Rechten einen eben ſo gemuſterten por- zellanenen Theetopf einer gleichfalls wohlbeleibten, blonden, hoch- roth gekleideten Dame entgegenſtreckt. Dieſe ihrerſeits (durch die Schlange, die ſich um ihren weißen Arm ringelt, als Hygea charak- teriſirt) hält der Theeſchenkerin einen Spiegel entgegen, als ob ſie ihr zurufen wolle: „erkenne dich ſelbſt und ſchrick zurück vor dir ſelber, wenn du dich als Lügnerin, d. h. deinen Thee als ſchlecht und unecht erkennſt.“
Die Malerei iſt vortrefflich (man merkt durchaus die gute holländiſche Schule) und viele unſerer Maler werden von Glück ſagen können, wenn ihre Deckengemälde ſich nach mehr als 150 Jah- ren noch ähnlich gut präſentiren. Auch die dieſen Bildern zu Grunde liegenden Ideen, denen es an Humor und Selbſtperſiflage gar nicht fehlt, ſind leichter zu verſpotten, als beſſer zu machen. Es ſind doch immerhin Ideen, mit denen total gebrochen zu haben wir häufig zur Unzeit ſtolz ſind.
Das am entgegengeſetzten Ende liegende Zimmer iſt aller Wahrſcheinlichkeit nach das ehemalige Wohn- und Lieblingszimmer Friedrichs I., daſſelbe, in das (wie ich oben beſchrieben habe) am 15. April 1745 die Königin Sophie Dorothea eintrat und im Eintreten durch das prächtige Feuerwerk überraſcht wurde, das im ſelben Moment wie eine Flammenlaube mitten aus dem Dunkel
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Theil der ſeinerzeit viel berühmten und von Touriſten jener Epoche
oft beſchriebenen Porzellan-Gallerie, oder war ein Empfangs- und
Geſellſchafts-Zimmer, wo die fürſtlichen Perſonen in Geſellſchaft
ihres Hofſtaats den Thee einzunehmen pflegten. Das Decken-
Gemälde, das ich gleich näher beſchreiben werde, ſcheint mit ſeinen
vielen Porzellangeräthſchaften zunächſt für die erſtere Annahme zu
ſprechen; ein ſchärferes Eingehen aber macht es beinah zweifellos,
daß es das Theezimmer war. In der Mitte des Deckenbildes
erblicken wir nämlich eine ſtarke, blühend ausſehende Frauens-
perſon mit rothen Roſen im Haar; in ihrer ganzen Erſcheinung
einer holländiſchen Theeſchenkerin ſehr ähnlich. Mit der linken
Hand drückt ſie eine blau und weiß gemuſterte Theebüchſe feſt ans
Herz, während ſie mit der Rechten einen eben ſo gemuſterten por-
zellanenen Theetopf einer gleichfalls wohlbeleibten, blonden, hoch-
roth gekleideten Dame entgegenſtreckt. Dieſe ihrerſeits (durch die
Schlange, die ſich um ihren weißen Arm ringelt, als Hygea charak-
teriſirt) hält der Theeſchenkerin einen Spiegel entgegen, als ob
ſie ihr zurufen wolle: „erkenne dich ſelbſt und ſchrick zurück vor
dir ſelber, wenn du dich als Lügnerin, d. h. deinen Thee als
ſchlecht und unecht erkennſt.“
Die Malerei iſt vortrefflich (man merkt durchaus die gute
holländiſche Schule) und viele unſerer Maler werden von Glück
ſagen können, wenn ihre Deckengemälde ſich nach mehr als 150 Jah-
ren noch ähnlich gut präſentiren. Auch die dieſen Bildern zu
Grunde liegenden Ideen, denen es an Humor und Selbſtperſiflage
gar nicht fehlt, ſind leichter zu verſpotten, als beſſer zu machen.
Es ſind doch immerhin Ideen, mit denen total gebrochen zu haben
wir häufig zur Unzeit ſtolz ſind.
Das am entgegengeſetzten Ende liegende Zimmer iſt aller
Wahrſcheinlichkeit nach das ehemalige Wohn- und Lieblingszimmer
Friedrichs I., daſſelbe, in das (wie ich oben beſchrieben habe) am
15. April 1745 die Königin Sophie Dorothea eintrat und im
Eintreten durch das prächtige Feuerwerk überraſcht wurde, das im
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/250>, abgerufen am 23.11.2024.
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