des Parks emporwuchs. Dies Zimmer, das nach drei Seiten hin Balkone hat, von denen aus man nach Gefallen den Park, das offene Feld oder den Hofraum überblickt, ist sehr geräumig (dreißig Fuß im Quadrat) und mit acht marmorirten Säulen derart um- stellt, daß sich an den vier Wänden entlang eine Art deutlich mar- kirter Gang bildet, der nun das kleiner gewordene Viereck des Saals wie eine Colonnade umspannt. Der Zweck dieser Einrich- tung ist schwer abzusehen. Vielleicht diente das Zimmer auch als Tanzsaal und die Tänzer und Tänzerinnen hatten den innern Raum für sich, während die plaudernden oder sich ausruhenden Paare wohlgeborgen unter dem Säulengange standen. Das Wich- tigste ist auch hier das Deckengemälde. Ich schicke zunächst die bloße Beschreibung vorauf. In der Mitte des Bildes befindet sich eine weiße, hochbusige Schönheit mit pechschwarzem Haar, welches letztere von Perlenschnüren durchzogen ist; in der Linken hält sie eine Art Zauberlaterne, in der Rechten einen kleinen Oelkrug. Allerhand pausbackige Genien halten Tafelgeräth und Kannen em- por, andere entschweben mit leeren Schüsseln, noch andre kommen mit Theegeschirr herbei und gießen den Thee in kleine Schälchen. Diese Scenen füllen zwei Drittel des Bildes. Links in der Ecke hält Apoll mit seinen Sonnenrossen. Vor den Rossen her schwebt bereits Aurora; das Haupt des Sonnengottes selbst aber strahlt nicht, sondern ist von einer dunklen Scheibe umhüllt. Es ist nun allerdings fraglich, ob das Schwinden des Tages und das volle Platzgreifen von Abend und Nacht, oder umgekehrt, das Schwin- den der bis dahin herrschenden Nacht vor dem hereinbrechenden Tage angedeutet sein soll. Das Letztere ist aber das Wahrschein- lichere.
Neben diesem Staatszimmer, demselben, das den Stern des Hosenbandordens in seinen vier Ecken zeigt, befindet sich ein sehr kleines Gemach, nicht viel größer als ein altmodisches Himmelbett. Dies ist das Sterbezimmer des Prinzen August Wilhelm. Die Wände sind schmucklos, eben so die Decke, nur an der Hohlkante zwischen beiden zieht sich eine schmale Borte von geschnitztem,
des Parks emporwuchs. Dies Zimmer, das nach drei Seiten hin Balkone hat, von denen aus man nach Gefallen den Park, das offene Feld oder den Hofraum überblickt, iſt ſehr geräumig (dreißig Fuß im Quadrat) und mit acht marmorirten Säulen derart um- ſtellt, daß ſich an den vier Wänden entlang eine Art deutlich mar- kirter Gang bildet, der nun das kleiner gewordene Viereck des Saals wie eine Colonnade umſpannt. Der Zweck dieſer Einrich- tung iſt ſchwer abzuſehen. Vielleicht diente das Zimmer auch als Tanzſaal und die Tänzer und Tänzerinnen hatten den innern Raum für ſich, während die plaudernden oder ſich ausruhenden Paare wohlgeborgen unter dem Säulengange ſtanden. Das Wich- tigſte iſt auch hier das Deckengemälde. Ich ſchicke zunächſt die bloße Beſchreibung vorauf. In der Mitte des Bildes befindet ſich eine weiße, hochbuſige Schönheit mit pechſchwarzem Haar, welches letztere von Perlenſchnüren durchzogen iſt; in der Linken hält ſie eine Art Zauberlaterne, in der Rechten einen kleinen Oelkrug. Allerhand pausbackige Genien halten Tafelgeräth und Kannen em- por, andere entſchweben mit leeren Schüſſeln, noch andre kommen mit Theegeſchirr herbei und gießen den Thee in kleine Schälchen. Dieſe Scenen füllen zwei Drittel des Bildes. Links in der Ecke hält Apoll mit ſeinen Sonnenroſſen. Vor den Roſſen her ſchwebt bereits Aurora; das Haupt des Sonnengottes ſelbſt aber ſtrahlt nicht, ſondern iſt von einer dunklen Scheibe umhüllt. Es iſt nun allerdings fraglich, ob das Schwinden des Tages und das volle Platzgreifen von Abend und Nacht, oder umgekehrt, das Schwin- den der bis dahin herrſchenden Nacht vor dem hereinbrechenden Tage angedeutet ſein ſoll. Das Letztere iſt aber das Wahrſchein- lichere.
Neben dieſem Staatszimmer, demſelben, das den Stern des Hoſenbandordens in ſeinen vier Ecken zeigt, befindet ſich ein ſehr kleines Gemach, nicht viel größer als ein altmodiſches Himmelbett. Dies iſt das Sterbezimmer des Prinzen Auguſt Wilhelm. Die Wände ſind ſchmucklos, eben ſo die Decke, nur an der Hohlkante zwiſchen beiden zieht ſich eine ſchmale Borte von geſchnitztem,
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des Parks emporwuchs. Dies Zimmer, das nach drei Seiten hin
Balkone hat, von denen aus man nach Gefallen den Park, das
offene Feld oder den Hofraum überblickt, iſt ſehr geräumig (dreißig
Fuß im Quadrat) und mit acht marmorirten Säulen derart um-
ſtellt, daß ſich an den vier Wänden entlang eine Art deutlich mar-
kirter Gang bildet, der nun das kleiner gewordene Viereck des
Saals wie eine Colonnade umſpannt. Der Zweck dieſer Einrich-
tung iſt ſchwer abzuſehen. Vielleicht diente das Zimmer auch als
Tanzſaal und die Tänzer und Tänzerinnen hatten den innern
Raum für ſich, während die plaudernden oder ſich ausruhenden
Paare wohlgeborgen unter dem Säulengange ſtanden. Das Wich-
tigſte iſt auch hier das Deckengemälde. Ich ſchicke zunächſt die
bloße Beſchreibung vorauf. In der Mitte des Bildes befindet ſich
eine weiße, hochbuſige Schönheit mit pechſchwarzem Haar, welches
letztere von Perlenſchnüren durchzogen iſt; in der Linken hält ſie
eine Art Zauberlaterne, in der Rechten einen kleinen Oelkrug.
Allerhand pausbackige Genien halten Tafelgeräth und Kannen em-
por, andere entſchweben mit leeren Schüſſeln, noch andre kommen
mit Theegeſchirr herbei und gießen den Thee in kleine Schälchen.
Dieſe Scenen füllen zwei Drittel des Bildes. Links in der Ecke
hält Apoll mit ſeinen Sonnenroſſen. Vor den Roſſen her ſchwebt
bereits Aurora; das Haupt des Sonnengottes ſelbſt aber ſtrahlt
nicht, ſondern iſt von einer dunklen Scheibe umhüllt. Es iſt nun
allerdings fraglich, ob das Schwinden des Tages und das volle
Platzgreifen von Abend und Nacht, oder umgekehrt, das Schwin-
den der bis dahin herrſchenden Nacht vor dem hereinbrechenden
Tage angedeutet ſein ſoll. Das Letztere iſt aber das Wahrſchein-
lichere.
Neben dieſem Staatszimmer, demſelben, das den Stern des
Hoſenbandordens in ſeinen vier Ecken zeigt, befindet ſich ein ſehr
kleines Gemach, nicht viel größer als ein altmodiſches Himmelbett.
Dies iſt das Sterbezimmer des Prinzen Auguſt Wilhelm. Die
Wände ſind ſchmucklos, eben ſo die Decke, nur an der Hohlkante
zwiſchen beiden zieht ſich eine ſchmale Borte von geſchnitztem,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/251>, abgerufen am 23.11.2024.
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