Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

des Parks emporwuchs. Dies Zimmer, das nach drei Seiten hin
Balkone hat, von denen aus man nach Gefallen den Park, das
offene Feld oder den Hofraum überblickt, ist sehr geräumig (dreißig
Fuß im Quadrat) und mit acht marmorirten Säulen derart um-
stellt, daß sich an den vier Wänden entlang eine Art deutlich mar-
kirter Gang bildet, der nun das kleiner gewordene Viereck des
Saals wie eine Colonnade umspannt. Der Zweck dieser Einrich-
tung ist schwer abzusehen. Vielleicht diente das Zimmer auch als
Tanzsaal und die Tänzer und Tänzerinnen hatten den innern
Raum für sich, während die plaudernden oder sich ausruhenden
Paare wohlgeborgen unter dem Säulengange standen. Das Wich-
tigste ist auch hier das Deckengemälde. Ich schicke zunächst die
bloße Beschreibung vorauf. In der Mitte des Bildes befindet sich
eine weiße, hochbusige Schönheit mit pechschwarzem Haar, welches
letztere von Perlenschnüren durchzogen ist; in der Linken hält sie
eine Art Zauberlaterne, in der Rechten einen kleinen Oelkrug.
Allerhand pausbackige Genien halten Tafelgeräth und Kannen em-
por, andere entschweben mit leeren Schüsseln, noch andre kommen
mit Theegeschirr herbei und gießen den Thee in kleine Schälchen.
Diese Scenen füllen zwei Drittel des Bildes. Links in der Ecke
hält Apoll mit seinen Sonnenrossen. Vor den Rossen her schwebt
bereits Aurora; das Haupt des Sonnengottes selbst aber strahlt
nicht, sondern ist von einer dunklen Scheibe umhüllt. Es ist nun
allerdings fraglich, ob das Schwinden des Tages und das volle
Platzgreifen von Abend und Nacht, oder umgekehrt, das Schwin-
den der bis dahin herrschenden Nacht vor dem hereinbrechenden
Tage angedeutet sein soll. Das Letztere ist aber das Wahrschein-
lichere.

Neben diesem Staatszimmer, demselben, das den Stern des
Hosenbandordens in seinen vier Ecken zeigt, befindet sich ein sehr
kleines Gemach, nicht viel größer als ein altmodisches Himmelbett.
Dies ist das Sterbezimmer des Prinzen August Wilhelm. Die
Wände sind schmucklos, eben so die Decke, nur an der Hohlkante
zwischen beiden zieht sich eine schmale Borte von geschnitztem,

des Parks emporwuchs. Dies Zimmer, das nach drei Seiten hin
Balkone hat, von denen aus man nach Gefallen den Park, das
offene Feld oder den Hofraum überblickt, iſt ſehr geräumig (dreißig
Fuß im Quadrat) und mit acht marmorirten Säulen derart um-
ſtellt, daß ſich an den vier Wänden entlang eine Art deutlich mar-
kirter Gang bildet, der nun das kleiner gewordene Viereck des
Saals wie eine Colonnade umſpannt. Der Zweck dieſer Einrich-
tung iſt ſchwer abzuſehen. Vielleicht diente das Zimmer auch als
Tanzſaal und die Tänzer und Tänzerinnen hatten den innern
Raum für ſich, während die plaudernden oder ſich ausruhenden
Paare wohlgeborgen unter dem Säulengange ſtanden. Das Wich-
tigſte iſt auch hier das Deckengemälde. Ich ſchicke zunächſt die
bloße Beſchreibung vorauf. In der Mitte des Bildes befindet ſich
eine weiße, hochbuſige Schönheit mit pechſchwarzem Haar, welches
letztere von Perlenſchnüren durchzogen iſt; in der Linken hält ſie
eine Art Zauberlaterne, in der Rechten einen kleinen Oelkrug.
Allerhand pausbackige Genien halten Tafelgeräth und Kannen em-
por, andere entſchweben mit leeren Schüſſeln, noch andre kommen
mit Theegeſchirr herbei und gießen den Thee in kleine Schälchen.
Dieſe Scenen füllen zwei Drittel des Bildes. Links in der Ecke
hält Apoll mit ſeinen Sonnenroſſen. Vor den Roſſen her ſchwebt
bereits Aurora; das Haupt des Sonnengottes ſelbſt aber ſtrahlt
nicht, ſondern iſt von einer dunklen Scheibe umhüllt. Es iſt nun
allerdings fraglich, ob das Schwinden des Tages und das volle
Platzgreifen von Abend und Nacht, oder umgekehrt, das Schwin-
den der bis dahin herrſchenden Nacht vor dem hereinbrechenden
Tage angedeutet ſein ſoll. Das Letztere iſt aber das Wahrſchein-
lichere.

Neben dieſem Staatszimmer, demſelben, das den Stern des
Hoſenbandordens in ſeinen vier Ecken zeigt, befindet ſich ein ſehr
kleines Gemach, nicht viel größer als ein altmodiſches Himmelbett.
Dies iſt das Sterbezimmer des Prinzen Auguſt Wilhelm. Die
Wände ſind ſchmucklos, eben ſo die Decke, nur an der Hohlkante
zwiſchen beiden zieht ſich eine ſchmale Borte von geſchnitztem,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0251" n="233"/>
des Parks emporwuchs. Dies Zimmer, das nach drei Seiten hin<lb/>
Balkone hat, von denen aus man nach Gefallen den Park, das<lb/>
offene Feld oder den Hofraum überblickt, i&#x017F;t &#x017F;ehr geräumig (dreißig<lb/>
Fuß im Quadrat) und mit acht marmorirten Säulen derart um-<lb/>
&#x017F;tellt, daß &#x017F;ich an den vier Wänden entlang eine Art deutlich mar-<lb/>
kirter Gang bildet, der nun das kleiner gewordene Viereck des<lb/>
Saals wie eine Colonnade um&#x017F;pannt. Der Zweck die&#x017F;er Einrich-<lb/>
tung i&#x017F;t &#x017F;chwer abzu&#x017F;ehen. Vielleicht diente das Zimmer auch als<lb/>
Tanz&#x017F;aal und die Tänzer und Tänzerinnen hatten den innern<lb/>
Raum für &#x017F;ich, während die plaudernden oder &#x017F;ich ausruhenden<lb/>
Paare wohlgeborgen unter dem Säulengange &#x017F;tanden. Das Wich-<lb/>
tig&#x017F;te i&#x017F;t auch hier das Deckengemälde. Ich &#x017F;chicke zunäch&#x017F;t die<lb/>
bloße Be&#x017F;chreibung vorauf. In der Mitte des Bildes befindet &#x017F;ich<lb/>
eine weiße, hochbu&#x017F;ige Schönheit mit pech&#x017F;chwarzem Haar, welches<lb/>
letztere von Perlen&#x017F;chnüren durchzogen i&#x017F;t; in der Linken hält &#x017F;ie<lb/>
eine Art Zauberlaterne, in der Rechten einen kleinen Oelkrug.<lb/>
Allerhand pausbackige Genien halten Tafelgeräth und Kannen em-<lb/>
por, andere ent&#x017F;chweben mit leeren Schü&#x017F;&#x017F;eln, noch andre kommen<lb/>
mit Theege&#x017F;chirr herbei und gießen den Thee in kleine Schälchen.<lb/>
Die&#x017F;e Scenen füllen zwei Drittel des Bildes. Links in der Ecke<lb/>
hält Apoll mit &#x017F;einen Sonnenro&#x017F;&#x017F;en. Vor den Ro&#x017F;&#x017F;en her &#x017F;chwebt<lb/>
bereits Aurora; das Haupt des Sonnengottes &#x017F;elb&#x017F;t aber &#x017F;trahlt<lb/>
nicht, &#x017F;ondern i&#x017F;t von einer dunklen Scheibe umhüllt. Es i&#x017F;t nun<lb/>
allerdings fraglich, ob das Schwinden des Tages und das volle<lb/>
Platzgreifen von Abend und Nacht, oder umgekehrt, das Schwin-<lb/>
den der bis dahin herr&#x017F;chenden Nacht vor dem hereinbrechenden<lb/>
Tage angedeutet &#x017F;ein &#x017F;oll. Das Letztere i&#x017F;t aber das Wahr&#x017F;chein-<lb/>
lichere.</p><lb/>
          <p>Neben die&#x017F;em Staatszimmer, dem&#x017F;elben, das den Stern des<lb/>
Ho&#x017F;enbandordens in &#x017F;einen vier Ecken zeigt, befindet &#x017F;ich ein &#x017F;ehr<lb/>
kleines Gemach, nicht viel größer als ein altmodi&#x017F;ches Himmelbett.<lb/>
Dies i&#x017F;t das Sterbezimmer des Prinzen <hi rendition="#g">Augu&#x017F;t Wilhelm</hi>. Die<lb/>
Wände &#x017F;ind &#x017F;chmucklos, eben &#x017F;o die Decke, nur an der Hohlkante<lb/>
zwi&#x017F;chen beiden zieht &#x017F;ich eine &#x017F;chmale Borte von ge&#x017F;chnitztem,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0251] des Parks emporwuchs. Dies Zimmer, das nach drei Seiten hin Balkone hat, von denen aus man nach Gefallen den Park, das offene Feld oder den Hofraum überblickt, iſt ſehr geräumig (dreißig Fuß im Quadrat) und mit acht marmorirten Säulen derart um- ſtellt, daß ſich an den vier Wänden entlang eine Art deutlich mar- kirter Gang bildet, der nun das kleiner gewordene Viereck des Saals wie eine Colonnade umſpannt. Der Zweck dieſer Einrich- tung iſt ſchwer abzuſehen. Vielleicht diente das Zimmer auch als Tanzſaal und die Tänzer und Tänzerinnen hatten den innern Raum für ſich, während die plaudernden oder ſich ausruhenden Paare wohlgeborgen unter dem Säulengange ſtanden. Das Wich- tigſte iſt auch hier das Deckengemälde. Ich ſchicke zunächſt die bloße Beſchreibung vorauf. In der Mitte des Bildes befindet ſich eine weiße, hochbuſige Schönheit mit pechſchwarzem Haar, welches letztere von Perlenſchnüren durchzogen iſt; in der Linken hält ſie eine Art Zauberlaterne, in der Rechten einen kleinen Oelkrug. Allerhand pausbackige Genien halten Tafelgeräth und Kannen em- por, andere entſchweben mit leeren Schüſſeln, noch andre kommen mit Theegeſchirr herbei und gießen den Thee in kleine Schälchen. Dieſe Scenen füllen zwei Drittel des Bildes. Links in der Ecke hält Apoll mit ſeinen Sonnenroſſen. Vor den Roſſen her ſchwebt bereits Aurora; das Haupt des Sonnengottes ſelbſt aber ſtrahlt nicht, ſondern iſt von einer dunklen Scheibe umhüllt. Es iſt nun allerdings fraglich, ob das Schwinden des Tages und das volle Platzgreifen von Abend und Nacht, oder umgekehrt, das Schwin- den der bis dahin herrſchenden Nacht vor dem hereinbrechenden Tage angedeutet ſein ſoll. Das Letztere iſt aber das Wahrſchein- lichere. Neben dieſem Staatszimmer, demſelben, das den Stern des Hoſenbandordens in ſeinen vier Ecken zeigt, befindet ſich ein ſehr kleines Gemach, nicht viel größer als ein altmodiſches Himmelbett. Dies iſt das Sterbezimmer des Prinzen Auguſt Wilhelm. Die Wände ſind ſchmucklos, eben ſo die Decke, nur an der Hohlkante zwiſchen beiden zieht ſich eine ſchmale Borte von geſchnitztem,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/251
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/251>, abgerufen am 26.06.2024.