letzteren ging das Gut an seinen Schwiegersohn, den nachherigen Staatsminister von Voß über, dessen Nachkommen es noch jetzt besitzen. Der gegenwärtige Besitzer ist der Graf von Voß-Buch.
Vier Familien in vier Jahrhunderten: die Roebel, Poellnitz, Viereck, Voß. Den drei letztgenannten werden wir auf unserem Umgang noch mannichfach begegnen; nicht so dem Namen der Roe- bel. Alles was Schloß und Kirche bieten, ist aus "nach ihrer Zeit," mit Ausnahme eines werthvollen Besitzthums im Kirchen- archiv, das den Namen dieser Familie wenigstens mittelbar zu ehrendem Gedächtniß aufbewahrt. Es sind dies die zehn Tomi Wittenbergenses Lutheri, die dem Joachim von Roebel, einem begeisterten Anhänger der neuen Lehre, von Philipp Melanchthon, der eigens nach Buch gekommen war, um zwei Kinder Joachims über die Taufe zu halten, zum Geschenk gemacht wurden. In den zehnten Band hat der Reformator selbst einen Paulinischen Spruch aus dem Brief an die Colosser (Kapitel 3, Vers 16) eingetragen, der da lautet: "Lasset das Wort Christi unter euch reichlich woh- nen in aller Weisheit, lehret und vermahnet euch selbst mit Psal- men und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern, und singet dem Herrn in eurem Herzen." Darunter das Datum und die Jahreszahl 1559.
Die Sonne weckt uns bei guter Zeit. Das rothe Deckbett, trotz aller Schwere, hat leicht wie eine Feder auf uns gelegen, und aufspringend, so gut es die gewichtige Masse gestattet, eilen wir an's Fenster und lassen den Sommermorgen ein. Das Früh- stück wird aufgetragen und die Lindenbäume draußen sorgen für Duft und Klang. Ein Blick noch auf das Strohlager, den Schau- platz unseres stillen Muths, und wir treten in die Dorfgasse hin- aus, um zunächst dem Schlosse, dessen weißgelbe Wände zwischen den Baumstämmen hindurch schimmern, unsern Besuch zu machen.
Das Schloß ist ein Flügelbau von jener einfachen Art, wie ihrer das vorige Jahrhundert auf unsern märkischen Rittergütern so viele entstehen sah. Sie haben untereinander eine große Familien- ähnlichkeit. Wenn sich Buch von ähnlichen Bauten unterscheidet,
letzteren ging das Gut an ſeinen Schwiegerſohn, den nachherigen Staatsminiſter von Voß über, deſſen Nachkommen es noch jetzt beſitzen. Der gegenwärtige Beſitzer iſt der Graf von Voß-Buch.
Vier Familien in vier Jahrhunderten: die Roebel, Poellnitz, Viereck, Voß. Den drei letztgenannten werden wir auf unſerem Umgang noch mannichfach begegnen; nicht ſo dem Namen der Roe- bel. Alles was Schloß und Kirche bieten, iſt aus „nach ihrer Zeit,“ mit Ausnahme eines werthvollen Beſitzthums im Kirchen- archiv, das den Namen dieſer Familie wenigſtens mittelbar zu ehrendem Gedächtniß aufbewahrt. Es ſind dies die zehn Tomi Wittenbergenses Lutheri, die dem Joachim von Roebel, einem begeiſterten Anhänger der neuen Lehre, von Philipp Melanchthon, der eigens nach Buch gekommen war, um zwei Kinder Joachims über die Taufe zu halten, zum Geſchenk gemacht wurden. In den zehnten Band hat der Reformator ſelbſt einen Pauliniſchen Spruch aus dem Brief an die Coloſſer (Kapitel 3, Vers 16) eingetragen, der da lautet: „Laſſet das Wort Chriſti unter euch reichlich woh- nen in aller Weisheit, lehret und vermahnet euch ſelbſt mit Pſal- men und Lobgeſängen und geiſtlichen lieblichen Liedern, und ſinget dem Herrn in eurem Herzen.“ Darunter das Datum und die Jahreszahl 1559.
Die Sonne weckt uns bei guter Zeit. Das rothe Deckbett, trotz aller Schwere, hat leicht wie eine Feder auf uns gelegen, und aufſpringend, ſo gut es die gewichtige Maſſe geſtattet, eilen wir an’s Fenſter und laſſen den Sommermorgen ein. Das Früh- ſtück wird aufgetragen und die Lindenbäume draußen ſorgen für Duft und Klang. Ein Blick noch auf das Strohlager, den Schau- platz unſeres ſtillen Muths, und wir treten in die Dorfgaſſe hin- aus, um zunächſt dem Schloſſe, deſſen weißgelbe Wände zwiſchen den Baumſtämmen hindurch ſchimmern, unſern Beſuch zu machen.
Das Schloß iſt ein Flügelbau von jener einfachen Art, wie ihrer das vorige Jahrhundert auf unſern märkiſchen Rittergütern ſo viele entſtehen ſah. Sie haben untereinander eine große Familien- ähnlichkeit. Wenn ſich Buch von ähnlichen Bauten unterſcheidet,
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letzteren ging das Gut an ſeinen Schwiegerſohn, den nachherigen
Staatsminiſter von Voß über, deſſen Nachkommen es noch jetzt
beſitzen. Der gegenwärtige Beſitzer iſt der Graf von Voß-Buch.
Vier Familien in vier Jahrhunderten: die Roebel, Poellnitz,
Viereck, Voß. Den drei letztgenannten werden wir auf unſerem
Umgang noch mannichfach begegnen; nicht ſo dem Namen der Roe-
bel. Alles was Schloß und Kirche bieten, iſt aus „nach ihrer
Zeit,“ mit Ausnahme eines werthvollen Beſitzthums im Kirchen-
archiv, das den Namen dieſer Familie wenigſtens mittelbar zu
ehrendem Gedächtniß aufbewahrt. Es ſind dies die zehn Tomi
Wittenbergenses Lutheri, die dem Joachim von Roebel, einem
begeiſterten Anhänger der neuen Lehre, von Philipp Melanchthon,
der eigens nach Buch gekommen war, um zwei Kinder Joachims
über die Taufe zu halten, zum Geſchenk gemacht wurden. In den
zehnten Band hat der Reformator ſelbſt einen Pauliniſchen Spruch
aus dem Brief an die Coloſſer (Kapitel 3, Vers 16) eingetragen,
der da lautet: „Laſſet das Wort Chriſti unter euch reichlich woh-
nen in aller Weisheit, lehret und vermahnet euch ſelbſt mit Pſal-
men und Lobgeſängen und geiſtlichen lieblichen Liedern, und ſinget
dem Herrn in eurem Herzen.“ Darunter das Datum und die
Jahreszahl 1559.
Die Sonne weckt uns bei guter Zeit. Das rothe Deckbett,
trotz aller Schwere, hat leicht wie eine Feder auf uns gelegen,
und aufſpringend, ſo gut es die gewichtige Maſſe geſtattet, eilen
wir an’s Fenſter und laſſen den Sommermorgen ein. Das Früh-
ſtück wird aufgetragen und die Lindenbäume draußen ſorgen für
Duft und Klang. Ein Blick noch auf das Strohlager, den Schau-
platz unſeres ſtillen Muths, und wir treten in die Dorfgaſſe hin-
aus, um zunächſt dem Schloſſe, deſſen weißgelbe Wände zwiſchen
den Baumſtämmen hindurch ſchimmern, unſern Beſuch zu machen.
Das Schloß iſt ein Flügelbau von jener einfachen Art, wie
ihrer das vorige Jahrhundert auf unſern märkiſchen Rittergütern
ſo viele entſtehen ſah. Sie haben untereinander eine große Familien-
ähnlichkeit. Wenn ſich Buch von ähnlichen Bauten unterſcheidet,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/256>, abgerufen am 23.11.2024.
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