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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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so ist es nur durch eine noch größere Einfachheit. Aller Schmuck
scheint geflissentlich vermieden. Keine Säulen, die Balcon oder
Porticus tragen, kein Fries, kein Fenstersims, nicht Thurm, nicht
Erker; selbst die Rampe fehlt, die sonst wohl den Eindruck der
Stattlichkeit schafft oder steigert. Ein paar dünne Arabesken schnör-
keln sich um die Thür und ein halbes Dutzend Orangenbäume
fassen den Kiesplatz ein, der zwischen dem Hause und dem Grün
des Parkes liegt. Und doch hat man das bestimmte Gefühl, daß
hier Reichthum und adelige Gesinnung wohnen. Das Haus gleicht
einem einfachen Kleide, einfach und altmodisch dazu, aber der Park,
der das Ganze umzirkt, ist wie ein reicher Mantel von niederlän-
dischem Tuch, der die Frage nach dem Rockschnitt verstummen und
vergessen macht.

Der Eintritt in das Schloß wird uns freundlich gestattet.
Die Eindrücke, die das Aeußere gemacht, wiederholen sich hier.
Der bürgerliche Comfort, die kleinen Niedlichkeiten, in deren Her-
vorbringung die Neuzeit so erfinderisch gewesen ist, sie fehlen hier;
aber diese Nippes fehlen entweder, weil das Herz des Besitzers an
andern Dingen hing, oder weil er in fein ästhetischem Sinn em-
pfand, daß der moderne Kram zu dem historisch Ueberlieferten nicht
passen würde. Wir sind nicht unempfindlich gegen das heitere Neue,
wir lassen es nicht nur gelten, wir freuen uns auch desselben;
aber jene todten Dinge, die, je älter sie werden, mehr und mehr
in wirkliches Leben hinein zu wachsen scheinen, an ihnen haftet
doch immer der wahre Reiz, und die Pflege dieses Ueberlieferten
ist der Zug wirklichster Vornehmheit, dem man in Schlössern und
Häusern begegnen kann. So auch hier.

Die Roccocozeit, draußen in der Welt seit hundert Jahren
begraben, hier tritt sie uns in aller Aechtheit entgegen, und könn-
ten die Gestalten aus ihren Rahmen heraustreten, sie würden sich
nicht verwundert umschauen in diesen Räumen, in denen Stoff
und Form, Schmuck und Kunst, alles beim Alten geblieben. Por-
zellanornamente, mit denen der Geschmack unserer Urgroßväter die
Zimmereinrichtung zu verzieren liebte, haften noch in Gestalt von

ſo iſt es nur durch eine noch größere Einfachheit. Aller Schmuck
ſcheint gefliſſentlich vermieden. Keine Säulen, die Balcon oder
Porticus tragen, kein Fries, kein Fenſterſims, nicht Thurm, nicht
Erker; ſelbſt die Rampe fehlt, die ſonſt wohl den Eindruck der
Stattlichkeit ſchafft oder ſteigert. Ein paar dünne Arabesken ſchnör-
keln ſich um die Thür und ein halbes Dutzend Orangenbäume
faſſen den Kiesplatz ein, der zwiſchen dem Hauſe und dem Grün
des Parkes liegt. Und doch hat man das beſtimmte Gefühl, daß
hier Reichthum und adelige Geſinnung wohnen. Das Haus gleicht
einem einfachen Kleide, einfach und altmodiſch dazu, aber der Park,
der das Ganze umzirkt, iſt wie ein reicher Mantel von niederlän-
diſchem Tuch, der die Frage nach dem Rockſchnitt verſtummen und
vergeſſen macht.

Der Eintritt in das Schloß wird uns freundlich geſtattet.
Die Eindrücke, die das Aeußere gemacht, wiederholen ſich hier.
Der bürgerliche Comfort, die kleinen Niedlichkeiten, in deren Her-
vorbringung die Neuzeit ſo erfinderiſch geweſen iſt, ſie fehlen hier;
aber dieſe Nippes fehlen entweder, weil das Herz des Beſitzers an
andern Dingen hing, oder weil er in fein äſthetiſchem Sinn em-
pfand, daß der moderne Kram zu dem hiſtoriſch Ueberlieferten nicht
paſſen würde. Wir ſind nicht unempfindlich gegen das heitere Neue,
wir laſſen es nicht nur gelten, wir freuen uns auch deſſelben;
aber jene todten Dinge, die, je älter ſie werden, mehr und mehr
in wirkliches Leben hinein zu wachſen ſcheinen, an ihnen haftet
doch immer der wahre Reiz, und die Pflege dieſes Ueberlieferten
iſt der Zug wirklichſter Vornehmheit, dem man in Schlöſſern und
Häuſern begegnen kann. So auch hier.

Die Roccocozeit, draußen in der Welt ſeit hundert Jahren
begraben, hier tritt ſie uns in aller Aechtheit entgegen, und könn-
ten die Geſtalten aus ihren Rahmen heraustreten, ſie würden ſich
nicht verwundert umſchauen in dieſen Räumen, in denen Stoff
und Form, Schmuck und Kunſt, alles beim Alten geblieben. Por-
zellanornamente, mit denen der Geſchmack unſerer Urgroßväter die
Zimmereinrichtung zu verzieren liebte, haften noch in Geſtalt von

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[239/0257] ſo iſt es nur durch eine noch größere Einfachheit. Aller Schmuck ſcheint gefliſſentlich vermieden. Keine Säulen, die Balcon oder Porticus tragen, kein Fries, kein Fenſterſims, nicht Thurm, nicht Erker; ſelbſt die Rampe fehlt, die ſonſt wohl den Eindruck der Stattlichkeit ſchafft oder ſteigert. Ein paar dünne Arabesken ſchnör- keln ſich um die Thür und ein halbes Dutzend Orangenbäume faſſen den Kiesplatz ein, der zwiſchen dem Hauſe und dem Grün des Parkes liegt. Und doch hat man das beſtimmte Gefühl, daß hier Reichthum und adelige Geſinnung wohnen. Das Haus gleicht einem einfachen Kleide, einfach und altmodiſch dazu, aber der Park, der das Ganze umzirkt, iſt wie ein reicher Mantel von niederlän- diſchem Tuch, der die Frage nach dem Rockſchnitt verſtummen und vergeſſen macht. Der Eintritt in das Schloß wird uns freundlich geſtattet. Die Eindrücke, die das Aeußere gemacht, wiederholen ſich hier. Der bürgerliche Comfort, die kleinen Niedlichkeiten, in deren Her- vorbringung die Neuzeit ſo erfinderiſch geweſen iſt, ſie fehlen hier; aber dieſe Nippes fehlen entweder, weil das Herz des Beſitzers an andern Dingen hing, oder weil er in fein äſthetiſchem Sinn em- pfand, daß der moderne Kram zu dem hiſtoriſch Ueberlieferten nicht paſſen würde. Wir ſind nicht unempfindlich gegen das heitere Neue, wir laſſen es nicht nur gelten, wir freuen uns auch deſſelben; aber jene todten Dinge, die, je älter ſie werden, mehr und mehr in wirkliches Leben hinein zu wachſen ſcheinen, an ihnen haftet doch immer der wahre Reiz, und die Pflege dieſes Ueberlieferten iſt der Zug wirklichſter Vornehmheit, dem man in Schlöſſern und Häuſern begegnen kann. So auch hier. Die Roccocozeit, draußen in der Welt ſeit hundert Jahren begraben, hier tritt ſie uns in aller Aechtheit entgegen, und könn- ten die Geſtalten aus ihren Rahmen heraustreten, ſie würden ſich nicht verwundert umſchauen in dieſen Räumen, in denen Stoff und Form, Schmuck und Kunſt, alles beim Alten geblieben. Por- zellanornamente, mit denen der Geſchmack unſerer Urgroßväter die Zimmereinrichtung zu verzieren liebte, haften noch in Geſtalt von

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/257>, abgerufen am 23.11.2024.