Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Stille beigesetzt. Ihr letzter Wunsch war gewesen, nicht in die
Mumiengruft der Familie gestellt zu werden. Ihr Wunsch wurde
erfüllt. Hier unter der Kuppel der Kirche ruht die schöne Frau in
einsamer Gruft, sicher vor dem Auge zudringlicher Neugier, ja
selbst der Theilnahme derer entzogen, die an dieser Stelle vorüber-
gehen und keine Ahnung haben, was die Vertiefung in den Steinen
des Fußbodens bedeutet.

Ueberall in Buch, in Kirche, Schloß und Park, begegnet der
Besucher den Spuren der schönen Gräfin, allerhand Zeichen und
Gegenständen, die leise an sie mahnen, aber nirgends ihrem
Namen
. Wie in Familien, wo das Lieblingskind stirbt, Eltern
und Geschwister stillschweigend übereinkommen, den Namen des
theuren Hingeschiedenen nie mehr auszusprechen, so auch hier. Eine
Gruft ist da, aber es fehlt der Stein; aus reichem goldenen Rah-
men heraus blickt in den Wohnzimmern des Schlosses ein Frauen-
bild, auffallend durch Schönheit und stille Majestät der Züge, aber
die Kastellanin nennt den Namen nicht und nur das Wappen zu

zehrte am Leben Juliens von Voß, die inzwischen (1787) zur Gräfin
Ingenheim erhoben worden war. Sie starb am 25. März 1789, bald
nach der Geburt eines Sohnes, des Grafen Gustav v. Ingenheim, wie
man sich damals erzählte, in Folge einer vergifteten Orange, die ihr, auf
Anstiften ihrer Rivalin, im Theater gereicht worden war. Die Unglaub-
würdigkeit dieser Erzählung ist längst dargethan, am eclatantesten durch
die Rietz-Lichtenau selbst, in ihren "Memoiren." Alles, was sie sagt, ist
schlagend. Wenn der Volksglaube nichtsdestoweniger bei seiner Vorstellung
von einer stattgehabten Vergiftung beharrt und als Beweis anführt, daß
die Leiche der Gräfin, nach ihrer Beisetzung im Erbbegräbniß, nicht in
Verwesung übergegangen sei, so zeigt dies, neben andrem, wie wenig
stichhaltig die ganze Anklage ist. Selbst wenn die Gräfin in der Familien-
gruft wirklich beigesetzt wäre, so würde die Nicht-Verwesung nichts zu
bedeuten haben, da eben alle Todten in dieser Gruft zu Mumien werden;
Julie v. Voß ist aber, auf ihren ausdrücklichen Wunsch, in der Familien-
Gruft nicht beigesetzt worden, sondern ruht, wie oben erzählt, unter der
Kuppel der Kirche, in einem übermauerten Grabe. Es ist zu wünschen,
daß diese Stelle später einen Grabstein erhält, was, der Vertiefung im
Boden nach zu schließen, ursprünglich gewiß beabsichtigt war.

Stille beigeſetzt. Ihr letzter Wunſch war geweſen, nicht in die
Mumiengruft der Familie geſtellt zu werden. Ihr Wunſch wurde
erfüllt. Hier unter der Kuppel der Kirche ruht die ſchöne Frau in
einſamer Gruft, ſicher vor dem Auge zudringlicher Neugier, ja
ſelbſt der Theilnahme derer entzogen, die an dieſer Stelle vorüber-
gehen und keine Ahnung haben, was die Vertiefung in den Steinen
des Fußbodens bedeutet.

Ueberall in Buch, in Kirche, Schloß und Park, begegnet der
Beſucher den Spuren der ſchönen Gräfin, allerhand Zeichen und
Gegenſtänden, die leiſe an ſie mahnen, aber nirgends ihrem
Namen
. Wie in Familien, wo das Lieblingskind ſtirbt, Eltern
und Geſchwiſter ſtillſchweigend übereinkommen, den Namen des
theuren Hingeſchiedenen nie mehr auszuſprechen, ſo auch hier. Eine
Gruft iſt da, aber es fehlt der Stein; aus reichem goldenen Rah-
men heraus blickt in den Wohnzimmern des Schloſſes ein Frauen-
bild, auffallend durch Schönheit und ſtille Majeſtät der Züge, aber
die Kaſtellanin nennt den Namen nicht und nur das Wappen zu

zehrte am Leben Juliens von Voß, die inzwiſchen (1787) zur Gräfin
Ingenheim erhoben worden war. Sie ſtarb am 25. März 1789, bald
nach der Geburt eines Sohnes, des Grafen Guſtav v. Ingenheim, wie
man ſich damals erzählte, in Folge einer vergifteten Orange, die ihr, auf
Anſtiften ihrer Rivalin, im Theater gereicht worden war. Die Unglaub-
würdigkeit dieſer Erzählung iſt längſt dargethan, am eclatanteſten durch
die Rietz-Lichtenau ſelbſt, in ihren „Memoiren.“ Alles, was ſie ſagt, iſt
ſchlagend. Wenn der Volksglaube nichtsdeſtoweniger bei ſeiner Vorſtellung
von einer ſtattgehabten Vergiftung beharrt und als Beweis anführt, daß
die Leiche der Gräfin, nach ihrer Beiſetzung im Erbbegräbniß, nicht in
Verweſung übergegangen ſei, ſo zeigt dies, neben andrem, wie wenig
ſtichhaltig die ganze Anklage iſt. Selbſt wenn die Gräfin in der Familien-
gruft wirklich beigeſetzt wäre, ſo würde die Nicht-Verweſung nichts zu
bedeuten haben, da eben alle Todten in dieſer Gruft zu Mumien werden;
Julie v. Voß iſt aber, auf ihren ausdrücklichen Wunſch, in der Familien-
Gruft nicht beigeſetzt worden, ſondern ruht, wie oben erzählt, unter der
Kuppel der Kirche, in einem übermauerten Grabe. Es iſt zu wünſchen,
daß dieſe Stelle ſpäter einen Grabſtein erhält, was, der Vertiefung im
Boden nach zu ſchließen, urſprünglich gewiß beabſichtigt war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0265" n="247"/>
Stille beige&#x017F;etzt. Ihr letzter Wun&#x017F;ch war gewe&#x017F;en, <hi rendition="#g">nicht</hi> in die<lb/>
Mumiengruft der Familie ge&#x017F;tellt zu werden. Ihr Wun&#x017F;ch wurde<lb/>
erfüllt. Hier unter der Kuppel der Kirche ruht die &#x017F;chöne Frau in<lb/>
ein&#x017F;amer Gruft, &#x017F;icher vor dem Auge zudringlicher Neugier, ja<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t der Theilnahme derer entzogen, die an die&#x017F;er Stelle vorüber-<lb/>
gehen und keine Ahnung haben, was die Vertiefung in den Steinen<lb/>
des Fußbodens bedeutet.</p><lb/>
          <p>Ueberall in Buch, in Kirche, Schloß und Park, begegnet der<lb/>
Be&#x017F;ucher den Spuren der &#x017F;chönen Gräfin, allerhand Zeichen und<lb/>
Gegen&#x017F;tänden, die lei&#x017F;e an &#x017F;ie mahnen, <hi rendition="#g">aber nirgends ihrem<lb/>
Namen</hi>. Wie in Familien, wo das Lieblingskind &#x017F;tirbt, Eltern<lb/>
und Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter &#x017F;till&#x017F;chweigend übereinkommen, den Namen des<lb/>
theuren Hinge&#x017F;chiedenen nie mehr auszu&#x017F;prechen, &#x017F;o auch hier. Eine<lb/>
Gruft i&#x017F;t da, aber es fehlt der Stein; aus reichem goldenen Rah-<lb/>
men heraus blickt in den Wohnzimmern des Schlo&#x017F;&#x017F;es ein Frauen-<lb/>
bild, auffallend durch Schönheit und &#x017F;tille Maje&#x017F;tät der Züge, aber<lb/>
die Ka&#x017F;tellanin nennt den Namen nicht und nur das Wappen zu<lb/><note xml:id="note-0265" prev="#note-0264" place="foot" n="*)">zehrte am Leben Juliens von Voß, die inzwi&#x017F;chen (1787) zur Gräfin<lb/>
Ingenheim erhoben worden war. Sie &#x017F;tarb am 25. März 1789, bald<lb/>
nach der Geburt eines Sohnes, des Grafen Gu&#x017F;tav v. Ingenheim, wie<lb/>
man &#x017F;ich damals erzählte, in Folge einer vergifteten Orange, die ihr, auf<lb/>
An&#x017F;tiften ihrer Rivalin, im Theater gereicht worden war. Die Unglaub-<lb/>
würdigkeit die&#x017F;er Erzählung i&#x017F;t läng&#x017F;t dargethan, am eclatante&#x017F;ten durch<lb/>
die Rietz-Lichtenau &#x017F;elb&#x017F;t, in ihren &#x201E;Memoiren.&#x201C; Alles, was &#x017F;ie &#x017F;agt, i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chlagend. Wenn der Volksglaube nichtsde&#x017F;toweniger bei &#x017F;einer Vor&#x017F;tellung<lb/>
von einer &#x017F;tattgehabten Vergiftung beharrt und als Beweis anführt, daß<lb/>
die Leiche der Gräfin, nach ihrer Bei&#x017F;etzung im Erbbegräbniß, nicht in<lb/>
Verwe&#x017F;ung übergegangen &#x017F;ei, &#x017F;o zeigt dies, neben andrem, wie wenig<lb/>
&#x017F;tichhaltig die ganze Anklage i&#x017F;t. Selb&#x017F;t wenn die Gräfin in der Familien-<lb/>
gruft wirklich beige&#x017F;etzt <hi rendition="#g">wäre</hi>, &#x017F;o würde die Nicht-Verwe&#x017F;ung nichts zu<lb/>
bedeuten haben, da eben alle Todten in die&#x017F;er Gruft zu Mumien werden;<lb/>
Julie v. Voß i&#x017F;t aber, auf ihren ausdrücklichen Wun&#x017F;ch, in der Familien-<lb/>
Gruft <hi rendition="#g">nicht</hi> beige&#x017F;etzt worden, &#x017F;ondern ruht, wie oben erzählt, unter der<lb/>
Kuppel der Kirche, in einem übermauerten Grabe. Es i&#x017F;t zu wün&#x017F;chen,<lb/>
daß die&#x017F;e Stelle &#x017F;päter einen Grab&#x017F;tein erhält, was, der Vertiefung im<lb/>
Boden nach zu &#x017F;chließen, ur&#x017F;prünglich gewiß beab&#x017F;ichtigt war.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0265] Stille beigeſetzt. Ihr letzter Wunſch war geweſen, nicht in die Mumiengruft der Familie geſtellt zu werden. Ihr Wunſch wurde erfüllt. Hier unter der Kuppel der Kirche ruht die ſchöne Frau in einſamer Gruft, ſicher vor dem Auge zudringlicher Neugier, ja ſelbſt der Theilnahme derer entzogen, die an dieſer Stelle vorüber- gehen und keine Ahnung haben, was die Vertiefung in den Steinen des Fußbodens bedeutet. Ueberall in Buch, in Kirche, Schloß und Park, begegnet der Beſucher den Spuren der ſchönen Gräfin, allerhand Zeichen und Gegenſtänden, die leiſe an ſie mahnen, aber nirgends ihrem Namen. Wie in Familien, wo das Lieblingskind ſtirbt, Eltern und Geſchwiſter ſtillſchweigend übereinkommen, den Namen des theuren Hingeſchiedenen nie mehr auszuſprechen, ſo auch hier. Eine Gruft iſt da, aber es fehlt der Stein; aus reichem goldenen Rah- men heraus blickt in den Wohnzimmern des Schloſſes ein Frauen- bild, auffallend durch Schönheit und ſtille Majeſtät der Züge, aber die Kaſtellanin nennt den Namen nicht und nur das Wappen zu *) *) zehrte am Leben Juliens von Voß, die inzwiſchen (1787) zur Gräfin Ingenheim erhoben worden war. Sie ſtarb am 25. März 1789, bald nach der Geburt eines Sohnes, des Grafen Guſtav v. Ingenheim, wie man ſich damals erzählte, in Folge einer vergifteten Orange, die ihr, auf Anſtiften ihrer Rivalin, im Theater gereicht worden war. Die Unglaub- würdigkeit dieſer Erzählung iſt längſt dargethan, am eclatanteſten durch die Rietz-Lichtenau ſelbſt, in ihren „Memoiren.“ Alles, was ſie ſagt, iſt ſchlagend. Wenn der Volksglaube nichtsdeſtoweniger bei ſeiner Vorſtellung von einer ſtattgehabten Vergiftung beharrt und als Beweis anführt, daß die Leiche der Gräfin, nach ihrer Beiſetzung im Erbbegräbniß, nicht in Verweſung übergegangen ſei, ſo zeigt dies, neben andrem, wie wenig ſtichhaltig die ganze Anklage iſt. Selbſt wenn die Gräfin in der Familien- gruft wirklich beigeſetzt wäre, ſo würde die Nicht-Verweſung nichts zu bedeuten haben, da eben alle Todten in dieſer Gruft zu Mumien werden; Julie v. Voß iſt aber, auf ihren ausdrücklichen Wunſch, in der Familien- Gruft nicht beigeſetzt worden, ſondern ruht, wie oben erzählt, unter der Kuppel der Kirche, in einem übermauerten Grabe. Es iſt zu wünſchen, daß dieſe Stelle ſpäter einen Grabſtein erhält, was, der Vertiefung im Boden nach zu ſchließen, urſprünglich gewiß beabſichtigt war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/265
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/265>, abgerufen am 23.11.2024.