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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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der andern Seite her, eine weibliche Figur mit einer weit geöffne-
ten Leuchte gesellt, unzweifelhaft um das helle "Licht der Aufklä-
rung" symbolisch anzudeuten, das damals überall und natürlich
auch im Kopfe des fridericianischen Cultusministers zu finden war.
Eine Büste des Ministers krönt das Ganze; unter der Büste sein
und seiner beiden Frauen Wappen; unter den Wappen eine latei-
nische Inschrift in Goldbuchstaben, die, wie sich denken läßt, nur
bei den Verdiensten des Viri illustrissimi et excellentissimi
verweilt und keinen Nachklang enthält von jener Reprimande König
Friedrich Wilhelms I., die da lautete: "Geheimer Rath von Viereck
soll sich meritirt machen, nicht zu viel a l'Hombre spielen, diligent
und prompt in seiner Arbeit sein, nicht so langsam und faul,
wie er bisher gewesen
." -- Der Unterschied zwischen preußi-
schen Cabinetsordres und Grabschriften war immer groß.

Noch eine Stelle bleibt uns übrig, an die wir heran zu tre-
ten haben. Unter der Kuppel, genau in der Mitte der Kirche, be-
merken wir eine Vertiefung im Fußboden, als seien hier die Ziegel,
womit der Fußboden gepflastert ist, zu einem bestimmten Zweck
herausgenommen und später wieder eingemauert worden. Wir be-
merken nun auch, daß die Vertiefung die ohngefähre Länge und
Breite eines Grabsteins hat, als sei es Absicht gewesen, hier eine
Steintafel einzulegen. Wir stehen in der That an einem Grabe.
Hier an dieser unscheinbaren Stelle wurde die schöne Julie von
Voß
, bekannt unter dem Namen Gräfin Ingenheim,*) in aller

*) Die Beziehungen des Königs Friedrich Wilhelms II. zur Rietz-
Lichtenau und -- wie eine Episode -- zum Fräulein v. Voß, muß ich
als bekannt voraussetzen. Es lag dem Hofe daran, die allmächtige Favo-
ritin (die Rietz) zu beseitigen und die Huldigungen und Aufmerksamkeiten,
die der König der schönen Julie von Voß erwies, schienen das ge-
eignetste Mittel dazu zu bieten. Julie von Voß aber war kalt und von
einer, für jene Zeit wenigstens, herben Moral, die es verschmähte, die
Nachfolgerin einer Madame Rietz zu sein. Endlich gab sie nach, aber nur
unter der Bedingung, daß sie dem Könige an die linke Hand angetraut
werde. Diese Antrauung erfolgte am 22. December 1786. Der König in-
deß kehrte bald zu seiner "lieben Rietz" zurück und diese Demüthigung

der andern Seite her, eine weibliche Figur mit einer weit geöffne-
ten Leuchte geſellt, unzweifelhaft um das helle „Licht der Aufklä-
rung“ ſymboliſch anzudeuten, das damals überall und natürlich
auch im Kopfe des fridericianiſchen Cultusminiſters zu finden war.
Eine Büſte des Miniſters krönt das Ganze; unter der Büſte ſein
und ſeiner beiden Frauen Wappen; unter den Wappen eine latei-
niſche Inſchrift in Goldbuchſtaben, die, wie ſich denken läßt, nur
bei den Verdienſten des Viri illustrissimi et excellentissimi
verweilt und keinen Nachklang enthält von jener Reprimande König
Friedrich Wilhelms I., die da lautete: „Geheimer Rath von Viereck
ſoll ſich meritirt machen, nicht zu viel à l’Hombre ſpielen, diligent
und prompt in ſeiner Arbeit ſein, nicht ſo langſam und faul,
wie er bisher geweſen
.“ — Der Unterſchied zwiſchen preußi-
ſchen Cabinetsordres und Grabſchriften war immer groß.

Noch eine Stelle bleibt uns übrig, an die wir heran zu tre-
ten haben. Unter der Kuppel, genau in der Mitte der Kirche, be-
merken wir eine Vertiefung im Fußboden, als ſeien hier die Ziegel,
womit der Fußboden gepflaſtert iſt, zu einem beſtimmten Zweck
herausgenommen und ſpäter wieder eingemauert worden. Wir be-
merken nun auch, daß die Vertiefung die ohngefähre Länge und
Breite eines Grabſteins hat, als ſei es Abſicht geweſen, hier eine
Steintafel einzulegen. Wir ſtehen in der That an einem Grabe.
Hier an dieſer unſcheinbaren Stelle wurde die ſchöne Julie von
Voß
, bekannt unter dem Namen Gräfin Ingenheim,*) in aller

*) Die Beziehungen des Königs Friedrich Wilhelms II. zur Rietz-
Lichtenau und — wie eine Epiſode — zum Fräulein v. Voß, muß ich
als bekannt vorausſetzen. Es lag dem Hofe daran, die allmächtige Favo-
ritin (die Rietz) zu beſeitigen und die Huldigungen und Aufmerkſamkeiten,
die der König der ſchönen Julie von Voß erwies, ſchienen das ge-
eignetſte Mittel dazu zu bieten. Julie von Voß aber war kalt und von
einer, für jene Zeit wenigſtens, herben Moral, die es verſchmähte, die
Nachfolgerin einer Madame Rietz zu ſein. Endlich gab ſie nach, aber nur
unter der Bedingung, daß ſie dem Könige an die linke Hand angetraut
werde. Dieſe Antrauung erfolgte am 22. December 1786. Der König in-
deß kehrte bald zu ſeiner „lieben Rietz“ zurück und dieſe Demüthigung
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[246/0264] der andern Seite her, eine weibliche Figur mit einer weit geöffne- ten Leuchte geſellt, unzweifelhaft um das helle „Licht der Aufklä- rung“ ſymboliſch anzudeuten, das damals überall und natürlich auch im Kopfe des fridericianiſchen Cultusminiſters zu finden war. Eine Büſte des Miniſters krönt das Ganze; unter der Büſte ſein und ſeiner beiden Frauen Wappen; unter den Wappen eine latei- niſche Inſchrift in Goldbuchſtaben, die, wie ſich denken läßt, nur bei den Verdienſten des Viri illustrissimi et excellentissimi verweilt und keinen Nachklang enthält von jener Reprimande König Friedrich Wilhelms I., die da lautete: „Geheimer Rath von Viereck ſoll ſich meritirt machen, nicht zu viel à l’Hombre ſpielen, diligent und prompt in ſeiner Arbeit ſein, nicht ſo langſam und faul, wie er bisher geweſen.“ — Der Unterſchied zwiſchen preußi- ſchen Cabinetsordres und Grabſchriften war immer groß. Noch eine Stelle bleibt uns übrig, an die wir heran zu tre- ten haben. Unter der Kuppel, genau in der Mitte der Kirche, be- merken wir eine Vertiefung im Fußboden, als ſeien hier die Ziegel, womit der Fußboden gepflaſtert iſt, zu einem beſtimmten Zweck herausgenommen und ſpäter wieder eingemauert worden. Wir be- merken nun auch, daß die Vertiefung die ohngefähre Länge und Breite eines Grabſteins hat, als ſei es Abſicht geweſen, hier eine Steintafel einzulegen. Wir ſtehen in der That an einem Grabe. Hier an dieſer unſcheinbaren Stelle wurde die ſchöne Julie von Voß, bekannt unter dem Namen Gräfin Ingenheim, *) in aller *) Die Beziehungen des Königs Friedrich Wilhelms II. zur Rietz- Lichtenau und — wie eine Epiſode — zum Fräulein v. Voß, muß ich als bekannt vorausſetzen. Es lag dem Hofe daran, die allmächtige Favo- ritin (die Rietz) zu beſeitigen und die Huldigungen und Aufmerkſamkeiten, die der König der ſchönen Julie von Voß erwies, ſchienen das ge- eignetſte Mittel dazu zu bieten. Julie von Voß aber war kalt und von einer, für jene Zeit wenigſtens, herben Moral, die es verſchmähte, die Nachfolgerin einer Madame Rietz zu ſein. Endlich gab ſie nach, aber nur unter der Bedingung, daß ſie dem Könige an die linke Hand angetraut werde. Dieſe Antrauung erfolgte am 22. December 1786. Der König in- deß kehrte bald zu ſeiner „lieben Rietz“ zurück und dieſe Demüthigung

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/264>, abgerufen am 23.11.2024.