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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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sprach dem Sterbenden aus Gottes Wort christlichen Trost zu, bis
er verschied.

Wir verlassen nun die Gruft und treten in die Kirche ein.
-- Sie ist geräumig, lichtvoll und von einer einfachen Schönheit
der Verhältnisse, die nach der bunten Ueberladenheit der Facaden
doppelt überrascht. Es fehlt aller Schmuck, namentlich alle Ver-
goldung; aber das Eichenschnitzwerk an Kanzel und Altar, an
Chor und Kirchenstühlen leiht dem Ganzen etwas Gediegenes,
wenn auch freilich der Eindruck protestantischer Nüchternheit bleibt.
In der Mitte wölbt sich die Kuppel, nicht ohne eine gewisse Statt-
lichkeit, aber der Bilderschmuck, den man innerhalb derselben ver-
sucht hat, hebt die günstige Wirkung zum Theil wieder auf. Ein
Moses mit den zwei Sinaitafeln auf seinen Knien und eine
büßende Magdalena, die ihren Fuß auf Drachen und Todtenkopf
setzt, sind Leistungen, die auf eine mehr denn kindliche Stufe
vaterländischer Kunst zurückweisen.

Der Ostflügel der Kirche bildet eine Art hohen Chor; Altar
und Kanzel trennen ihn von dem Haupttheil völlig ab und nur
zwei Treppen zur Rechten und Linken des Altars unterhalten die
nöthige Verbindung. Es scheint, daß es die Absicht des Baumei-
sters war, hier Raum für eine Art Campo Santo, für eine mar-
morne Gedächtnißhalle zu schaffen, eine Annahme, die dadurch be-
stätigt wird, daß sich die bereits beschriebene Gruft unter diesem
Theil der Kirche befindet. Den Intentionen des Baumeisters ist
aber nur Einmal entsprochen worden. Ein einziges, allerdings sehr
reiches und prächtiges Grabmonument erhebt sich an dieser Stelle,
das von Glume herrührende Marmordenkmal des Ministers von
Viereck. Zieht man den Geschmack jener Zeit in Erwägung, der in
dem Hange nach geistreicher Symbolik vielleicht nicht wesentlich ein-
seitiger war, als wir es mit unserem Glauben an den allein selig-
machenden Realismus sind, so muß man zugestehen, daß es eine
ganz vortreffliche Arbeit ist. Die Gestalten, aus denen sich das
Ganze zusammensetzt, sind zum Theil die üblichen: der Tod mit
der Sichel und ein Engel mit dem Palmzweig, wozu sich, von

ſprach dem Sterbenden aus Gottes Wort chriſtlichen Troſt zu, bis
er verſchied.

Wir verlaſſen nun die Gruft und treten in die Kirche ein.
— Sie iſt geräumig, lichtvoll und von einer einfachen Schönheit
der Verhältniſſe, die nach der bunten Ueberladenheit der Façaden
doppelt überraſcht. Es fehlt aller Schmuck, namentlich alle Ver-
goldung; aber das Eichenſchnitzwerk an Kanzel und Altar, an
Chor und Kirchenſtühlen leiht dem Ganzen etwas Gediegenes,
wenn auch freilich der Eindruck proteſtantiſcher Nüchternheit bleibt.
In der Mitte wölbt ſich die Kuppel, nicht ohne eine gewiſſe Statt-
lichkeit, aber der Bilderſchmuck, den man innerhalb derſelben ver-
ſucht hat, hebt die günſtige Wirkung zum Theil wieder auf. Ein
Moſes mit den zwei Sinaitafeln auf ſeinen Knien und eine
büßende Magdalena, die ihren Fuß auf Drachen und Todtenkopf
ſetzt, ſind Leiſtungen, die auf eine mehr denn kindliche Stufe
vaterländiſcher Kunſt zurückweiſen.

Der Oſtflügel der Kirche bildet eine Art hohen Chor; Altar
und Kanzel trennen ihn von dem Haupttheil völlig ab und nur
zwei Treppen zur Rechten und Linken des Altars unterhalten die
nöthige Verbindung. Es ſcheint, daß es die Abſicht des Baumei-
ſters war, hier Raum für eine Art Campo Santo, für eine mar-
morne Gedächtnißhalle zu ſchaffen, eine Annahme, die dadurch be-
ſtätigt wird, daß ſich die bereits beſchriebene Gruft unter dieſem
Theil der Kirche befindet. Den Intentionen des Baumeiſters iſt
aber nur Einmal entſprochen worden. Ein einziges, allerdings ſehr
reiches und prächtiges Grabmonument erhebt ſich an dieſer Stelle,
das von Glume herrührende Marmordenkmal des Miniſters von
Viereck. Zieht man den Geſchmack jener Zeit in Erwägung, der in
dem Hange nach geiſtreicher Symbolik vielleicht nicht weſentlich ein-
ſeitiger war, als wir es mit unſerem Glauben an den allein ſelig-
machenden Realismus ſind, ſo muß man zugeſtehen, daß es eine
ganz vortreffliche Arbeit iſt. Die Geſtalten, aus denen ſich das
Ganze zuſammenſetzt, ſind zum Theil die üblichen: der Tod mit
der Sichel und ein Engel mit dem Palmzweig, wozu ſich, von

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[245/0263] ſprach dem Sterbenden aus Gottes Wort chriſtlichen Troſt zu, bis er verſchied. Wir verlaſſen nun die Gruft und treten in die Kirche ein. — Sie iſt geräumig, lichtvoll und von einer einfachen Schönheit der Verhältniſſe, die nach der bunten Ueberladenheit der Façaden doppelt überraſcht. Es fehlt aller Schmuck, namentlich alle Ver- goldung; aber das Eichenſchnitzwerk an Kanzel und Altar, an Chor und Kirchenſtühlen leiht dem Ganzen etwas Gediegenes, wenn auch freilich der Eindruck proteſtantiſcher Nüchternheit bleibt. In der Mitte wölbt ſich die Kuppel, nicht ohne eine gewiſſe Statt- lichkeit, aber der Bilderſchmuck, den man innerhalb derſelben ver- ſucht hat, hebt die günſtige Wirkung zum Theil wieder auf. Ein Moſes mit den zwei Sinaitafeln auf ſeinen Knien und eine büßende Magdalena, die ihren Fuß auf Drachen und Todtenkopf ſetzt, ſind Leiſtungen, die auf eine mehr denn kindliche Stufe vaterländiſcher Kunſt zurückweiſen. Der Oſtflügel der Kirche bildet eine Art hohen Chor; Altar und Kanzel trennen ihn von dem Haupttheil völlig ab und nur zwei Treppen zur Rechten und Linken des Altars unterhalten die nöthige Verbindung. Es ſcheint, daß es die Abſicht des Baumei- ſters war, hier Raum für eine Art Campo Santo, für eine mar- morne Gedächtnißhalle zu ſchaffen, eine Annahme, die dadurch be- ſtätigt wird, daß ſich die bereits beſchriebene Gruft unter dieſem Theil der Kirche befindet. Den Intentionen des Baumeiſters iſt aber nur Einmal entſprochen worden. Ein einziges, allerdings ſehr reiches und prächtiges Grabmonument erhebt ſich an dieſer Stelle, das von Glume herrührende Marmordenkmal des Miniſters von Viereck. Zieht man den Geſchmack jener Zeit in Erwägung, der in dem Hange nach geiſtreicher Symbolik vielleicht nicht weſentlich ein- ſeitiger war, als wir es mit unſerem Glauben an den allein ſelig- machenden Realismus ſind, ſo muß man zugeſtehen, daß es eine ganz vortreffliche Arbeit iſt. Die Geſtalten, aus denen ſich das Ganze zuſammenſetzt, ſind zum Theil die üblichen: der Tod mit der Sichel und ein Engel mit dem Palmzweig, wozu ſich, von

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/263>, abgerufen am 17.06.2024.