ten Manne getrennt, als sie den Vorsatz faßte, sich zum dritten Male zu verheirathen, und da ihr, bei ihrer Schwärmerei für alles Französische, jeder Franzose in ganz bestimmter nationaler Vollkommenheit erschien, so kam auf die Wahl im Besonderen nicht eben viel an. Frau von der Goltz entschloß sich rasch; sie schrieb ihrem Pariser Commissionär, der sich bis dahin durch seinen feinen und guten Geschmack in der Uebersendung von Coiffüren und Modeartikeln bewährt hatte, ihr einen Mann zum Heirathen zu schicken, der jung, hübsch, rüstig, fein und geistvoll und selbst- verständlich auch von Adel sei. Der Auftrag wurde prompt aus- geführt. Nach etwa vier Wochen traf in Berlin ein Franzose von über fünfzig Jahren ein und meldete sich bei Frau von der Goltz als derjenige, den sie gewünscht habe. Sein Name war Peter von Larrey, Baron von Brunbosc, aus einer alten Familie in der Normandie. Die Ehe kam wirklich zu Stande, und war glücklich. Frau von Burgsdorf konnte aber über die Kränkung, die ihr dieser abenteuerliche Vorgang bereitet hatte, nicht hinweg; die Partie mit dem normannischen Baron, der vielleicht keiner war, zehrte an ihrem Leben, und sie starb, nachdem sie längst vorher mit Um- gehung ihrer Tochter, den Sohn dieser Tochter aus erster Ehe, den Freiherrn von Canitz, zum Erben all ihrer Güter, das schöne Blumberg mit eingeschlossen, eingesetzt hatte.
(Freiherr von Canitz.) Und diesem Freiherrn von Canitz wenden wir uns nun ausführlicher zu. Sein Bildniß fehlt jetzt zwar an dem breiten Mauerpfeiler, an dem es früher hing und Großmutter und Enkel, das Lächeln des einen, der herbe Gesichts- ausdruck der andern, begegnen sich nicht länger an dieser Stelle; aber das Totalbild des "Poeten," seinen Charakter wie seine Er- scheinung, hat uns eine zeitgenössische Feder aufbewahrt und mit Hülfe dieser Aufzeichnung erneuern wir auf Momente das Bild und führen es an dem Auge unserer Leser vorüber.
"Canitz der Poet" war von mittlerer, wohlgewachsener Ge-
ten Manne getrennt, als ſie den Vorſatz faßte, ſich zum dritten Male zu verheirathen, und da ihr, bei ihrer Schwärmerei für alles Franzöſiſche, jeder Franzoſe in ganz beſtimmter nationaler Vollkommenheit erſchien, ſo kam auf die Wahl im Beſonderen nicht eben viel an. Frau von der Goltz entſchloß ſich raſch; ſie ſchrieb ihrem Pariſer Commiſſionär, der ſich bis dahin durch ſeinen feinen und guten Geſchmack in der Ueberſendung von Coiffüren und Modeartikeln bewährt hatte, ihr einen Mann zum Heirathen zu ſchicken, der jung, hübſch, rüſtig, fein und geiſtvoll und ſelbſt- verſtändlich auch von Adel ſei. Der Auftrag wurde prompt aus- geführt. Nach etwa vier Wochen traf in Berlin ein Franzoſe von über fünfzig Jahren ein und meldete ſich bei Frau von der Goltz als derjenige, den ſie gewünſcht habe. Sein Name war Peter von Larrey, Baron von Brunbosc, aus einer alten Familie in der Normandie. Die Ehe kam wirklich zu Stande, und war glücklich. Frau von Burgsdorf konnte aber über die Kränkung, die ihr dieſer abenteuerliche Vorgang bereitet hatte, nicht hinweg; die Partie mit dem normanniſchen Baron, der vielleicht keiner war, zehrte an ihrem Leben, und ſie ſtarb, nachdem ſie längſt vorher mit Um- gehung ihrer Tochter, den Sohn dieſer Tochter aus erſter Ehe, den Freiherrn von Canitz, zum Erben all ihrer Güter, das ſchöne Blumberg mit eingeſchloſſen, eingeſetzt hatte.
(Freiherr von Canitz.) Und dieſem Freiherrn von Canitz wenden wir uns nun ausführlicher zu. Sein Bildniß fehlt jetzt zwar an dem breiten Mauerpfeiler, an dem es früher hing und Großmutter und Enkel, das Lächeln des einen, der herbe Geſichts- ausdruck der andern, begegnen ſich nicht länger an dieſer Stelle; aber das Totalbild des „Poeten,“ ſeinen Charakter wie ſeine Er- ſcheinung, hat uns eine zeitgenöſſiſche Feder aufbewahrt und mit Hülfe dieſer Aufzeichnung erneuern wir auf Momente das Bild und führen es an dem Auge unſerer Leſer vorüber.
„Canitz der Poet“ war von mittlerer, wohlgewachſener Ge-
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ten Manne getrennt, als ſie den Vorſatz faßte, ſich zum dritten
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alles Franzöſiſche, jeder Franzoſe in ganz beſtimmter nationaler
Vollkommenheit erſchien, ſo kam auf die Wahl im Beſonderen
nicht eben viel an. Frau von der Goltz entſchloß ſich raſch; ſie
ſchrieb ihrem Pariſer Commiſſionär, der ſich bis dahin durch ſeinen
feinen und guten Geſchmack in der Ueberſendung von Coiffüren
und Modeartikeln bewährt hatte, ihr einen Mann zum Heirathen
zu ſchicken, der jung, hübſch, rüſtig, fein und geiſtvoll und ſelbſt-
verſtändlich auch von Adel ſei. Der Auftrag wurde prompt aus-
geführt. Nach etwa vier Wochen traf in Berlin ein Franzoſe von
über fünfzig Jahren ein und meldete ſich bei Frau von der Goltz
als derjenige, den ſie gewünſcht habe. Sein Name war Peter von
Larrey, Baron von Brunbosc, aus einer alten Familie in der
Normandie. Die Ehe kam wirklich zu Stande, und war glücklich.
Frau von Burgsdorf konnte aber über die Kränkung, die ihr dieſer
abenteuerliche Vorgang bereitet hatte, nicht hinweg; die Partie mit
dem normanniſchen Baron, der vielleicht keiner war, zehrte an
ihrem Leben, und ſie ſtarb, nachdem ſie längſt vorher mit Um-
gehung ihrer Tochter, den Sohn dieſer Tochter aus erſter Ehe,
den Freiherrn von Canitz, zum Erben all ihrer Güter, das ſchöne
Blumberg mit eingeſchloſſen, eingeſetzt hatte.
(Freiherr von Canitz.) Und dieſem Freiherrn von Canitz
wenden wir uns nun ausführlicher zu. Sein Bildniß fehlt jetzt
zwar an dem breiten Mauerpfeiler, an dem es früher hing und
Großmutter und Enkel, das Lächeln des einen, der herbe Geſichts-
ausdruck der andern, begegnen ſich nicht länger an dieſer Stelle;
aber das Totalbild des „Poeten,“ ſeinen Charakter wie ſeine Er-
ſcheinung, hat uns eine zeitgenöſſiſche Feder aufbewahrt und mit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/278>, abgerufen am 23.11.2024.
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