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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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klingen, hat sich der Amts-Actuar rechts aus dem Wagen geschwun-
gen und eilt zur Linken, um bei der Landung seiner Ehehälfte,
ein Manöver, das seine Schwierigkeiten hat, nach Kräften behülf-
lich zu sein. Im Vertrauen auf die Gutgeartetheit der Pferde wird
statt des directen Weges über das linke Vorderrad der kleine Um-
weg über den Deichseltritt gewählt; wir aber, sobald wir die Vor-
kehrungen zu dieser Landung glücklich getroffen sehn, schwingen
uns, die linke Hand auf den Wagenkorb gestützt, mit raschem
Ruck aus dem Wagen in den Fahrweg hinein und eilen voraus,
immer dem Gesange nach, der, frisch wie der Wald selber, uns
aus der dunklen Tiefe entgegen klingt.

Da haben wir sie. Hinaustretend auf einen Waldrain, den
hochstämmige Tannen nicht nur einschließen, sondern auch nach
oben hin fast überdecken, scheinen die Elfen an hellem lichtem Tage
ihre Spiele zu treiben. Ein Dutzend Kinder, groß und klein, mit
allerhand Kränzen im Haar und die Köpfchen voll Uebermuth in
den Nacken geworfen, tanzen den Ringelreihen, und inmitten des
Kreises auf einem alten Elsenstumpf steht ein Blondkopf, ein Junge
mit langen Locken, und zeigt mit seiner Weidenruthe hierhin, dort-
hin, als wär' es ein Zauberstab. Seitabwärts in einer Vertiefung
unter den Bäumen qualmt und knistert ein Feuer, an dessen Rande
neben anderem Topfwerk eine jener weitbauchigen braunen Kannen
steht, die den Namen ihrer schlesischen Vaterstadt ruhmreich über
die Welt getragen haben; hinter dem Feuer aber, auf der natür-
lichen Bank, die die Erdvertiefung hier geschaffen, sitzt pastor
loci
(kenntlich durch Haltung und Sammtkäpsel) und reicht seiner
neben ihm stehenden jungen Frau, die mit geübtem Auge Feuer
und Kannen und Kinder controlirt, zum Zeichen des Einverständ-
nisses die Hand. "Es ist gut so," scheint seine freundliche Miene
zu sagen, und die glückliche Frau, glücklich im Besitz des besten
Mannes, neigt sich zu ihm nieder und küßt ihm die Stirn, auf
einen kurzen Augenblick wenigstens unbekümmert um Kannen und
Kinder und um das brodelnde Wasser, das eben zischend in die
Flamme fährt. Wir stehen noch wie im Bann dieser reizenden

klingen, hat ſich der Amts-Actuar rechts aus dem Wagen geſchwun-
gen und eilt zur Linken, um bei der Landung ſeiner Ehehälfte,
ein Manöver, das ſeine Schwierigkeiten hat, nach Kräften behülf-
lich zu ſein. Im Vertrauen auf die Gutgeartetheit der Pferde wird
ſtatt des directen Weges über das linke Vorderrad der kleine Um-
weg über den Deichſeltritt gewählt; wir aber, ſobald wir die Vor-
kehrungen zu dieſer Landung glücklich getroffen ſehn, ſchwingen
uns, die linke Hand auf den Wagenkorb geſtützt, mit raſchem
Ruck aus dem Wagen in den Fahrweg hinein und eilen voraus,
immer dem Geſange nach, der, friſch wie der Wald ſelber, uns
aus der dunklen Tiefe entgegen klingt.

Da haben wir ſie. Hinaustretend auf einen Waldrain, den
hochſtämmige Tannen nicht nur einſchließen, ſondern auch nach
oben hin faſt überdecken, ſcheinen die Elfen an hellem lichtem Tage
ihre Spiele zu treiben. Ein Dutzend Kinder, groß und klein, mit
allerhand Kränzen im Haar und die Köpfchen voll Uebermuth in
den Nacken geworfen, tanzen den Ringelreihen, und inmitten des
Kreiſes auf einem alten Elſenſtumpf ſteht ein Blondkopf, ein Junge
mit langen Locken, und zeigt mit ſeiner Weidenruthe hierhin, dort-
hin, als wär’ es ein Zauberſtab. Seitabwärts in einer Vertiefung
unter den Bäumen qualmt und kniſtert ein Feuer, an deſſen Rande
neben anderem Topfwerk eine jener weitbauchigen braunen Kannen
ſteht, die den Namen ihrer ſchleſiſchen Vaterſtadt ruhmreich über
die Welt getragen haben; hinter dem Feuer aber, auf der natür-
lichen Bank, die die Erdvertiefung hier geſchaffen, ſitzt pastor
loci
(kenntlich durch Haltung und Sammtkäpſel) und reicht ſeiner
neben ihm ſtehenden jungen Frau, die mit geübtem Auge Feuer
und Kannen und Kinder controlirt, zum Zeichen des Einverſtänd-
niſſes die Hand. „Es iſt gut ſo,“ ſcheint ſeine freundliche Miene
zu ſagen, und die glückliche Frau, glücklich im Beſitz des beſten
Mannes, neigt ſich zu ihm nieder und küßt ihm die Stirn, auf
einen kurzen Augenblick wenigſtens unbekümmert um Kannen und
Kinder und um das brodelnde Waſſer, das eben ziſchend in die
Flamme fährt. Wir ſtehen noch wie im Bann dieſer reizenden

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[280/0298] klingen, hat ſich der Amts-Actuar rechts aus dem Wagen geſchwun- gen und eilt zur Linken, um bei der Landung ſeiner Ehehälfte, ein Manöver, das ſeine Schwierigkeiten hat, nach Kräften behülf- lich zu ſein. Im Vertrauen auf die Gutgeartetheit der Pferde wird ſtatt des directen Weges über das linke Vorderrad der kleine Um- weg über den Deichſeltritt gewählt; wir aber, ſobald wir die Vor- kehrungen zu dieſer Landung glücklich getroffen ſehn, ſchwingen uns, die linke Hand auf den Wagenkorb geſtützt, mit raſchem Ruck aus dem Wagen in den Fahrweg hinein und eilen voraus, immer dem Geſange nach, der, friſch wie der Wald ſelber, uns aus der dunklen Tiefe entgegen klingt. Da haben wir ſie. Hinaustretend auf einen Waldrain, den hochſtämmige Tannen nicht nur einſchließen, ſondern auch nach oben hin faſt überdecken, ſcheinen die Elfen an hellem lichtem Tage ihre Spiele zu treiben. Ein Dutzend Kinder, groß und klein, mit allerhand Kränzen im Haar und die Köpfchen voll Uebermuth in den Nacken geworfen, tanzen den Ringelreihen, und inmitten des Kreiſes auf einem alten Elſenſtumpf ſteht ein Blondkopf, ein Junge mit langen Locken, und zeigt mit ſeiner Weidenruthe hierhin, dort- hin, als wär’ es ein Zauberſtab. Seitabwärts in einer Vertiefung unter den Bäumen qualmt und kniſtert ein Feuer, an deſſen Rande neben anderem Topfwerk eine jener weitbauchigen braunen Kannen ſteht, die den Namen ihrer ſchleſiſchen Vaterſtadt ruhmreich über die Welt getragen haben; hinter dem Feuer aber, auf der natür- lichen Bank, die die Erdvertiefung hier geſchaffen, ſitzt pastor loci (kenntlich durch Haltung und Sammtkäpſel) und reicht ſeiner neben ihm ſtehenden jungen Frau, die mit geübtem Auge Feuer und Kannen und Kinder controlirt, zum Zeichen des Einverſtänd- niſſes die Hand. „Es iſt gut ſo,“ ſcheint ſeine freundliche Miene zu ſagen, und die glückliche Frau, glücklich im Beſitz des beſten Mannes, neigt ſich zu ihm nieder und küßt ihm die Stirn, auf einen kurzen Augenblick wenigſtens unbekümmert um Kannen und Kinder und um das brodelnde Waſſer, das eben ziſchend in die Flamme fährt. Wir ſtehen noch wie im Bann dieſer reizenden

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/298>, abgerufen am 17.06.2024.