Alten liegt. Der Stab ist von Eichenholz, an beiden Enden mit starkem Goldblech und der Länge nach mit kleinen vergoldeten Nägeln beschlagen. An der Front des Sarkophags befindet sich folgende Inschrift: "Der Hochwohlgeborne Herr, Herr George, Reichsfreiherr von Derfflinger, Sr. Kurfürstlichen Durchlaucht zu Brandenburg Hochbestallter Geheimer-Kriegsrath, Statthalter des Herzogthums Hinterpommern und Fürstenthums Camin, General- Feldmarschall über dero Armee und Obergouverneur aller Festun- gen etc. Herr auf Gusow, Platikow, Wulkow, Clessin, Hermers- dorf, Schildberg und der Quitteinischen Güter in Preußen etc. ist auf diese Welt geboren Anno 1606 den 10. Marty (März) zu Neuhofen in Ober-Oestreich im Lande ob der Ens und auf seinem Gute Gusow selig im Herrn entschlafen Anno 1695 den 4. Fe- bruar. Sein Alter 89 Jahr weniger 1 Monat." Die vier letzten Zeilen dieser Inschrift widerlegen einzelne Irrthümer, denen man, vielleicht gestützt auf die Pöllnitzschen Memoiren, noch immer hie und da begegnet. Pöllnitz bezeichnet Böhmen als Derfflingers Heimath und giebt an, daß er in Berlin gestorben sei. Beide Angaben werden durch diese Grabschrift am ehesten berichtigt.
Das Grabgewölbe Derfflingers befindet sich links vom Altar, unter den Sitzbänken eines Kirchenstuhls. Eine einfache Fallthür, wie sie in alten Häusern vom Wohnzimmer aus in den Keller zu führen pflegt, überdeckt hier das Gewölbe und Eisen- krampe und Vorlegeschloß thun das übrige. Der Schlüssel, wenn man um die Erlaubniß bittet, in das Gewölbe hinabsteigen zu dürfen, ist nie zu finden. Der Küster verweist auf die Kastellanin, die Kastellanin auf den Rendanten, der Rendant auf den Predi- ger und der Prediger wieder auf den Küster; so daß man, nach- dem man das halbe Dorf durchlaufen hat, sich schließlich überzeugt, daß der Schlüssel nicht gefunden werden soll. Das erste Gefühl ist ein Gefühl des Aergers und der Verstimmung; man glaubt, es werde einem ein gutes Recht vorenthalten, das Recht, an den Sarg eines Mannes treten zu dürfen, der dem Lande, unserer Geschichte und unserem eigenen Herzen angehört. Diese erste Ver-
Alten liegt. Der Stab iſt von Eichenholz, an beiden Enden mit ſtarkem Goldblech und der Länge nach mit kleinen vergoldeten Nägeln beſchlagen. An der Front des Sarkophags befindet ſich folgende Inſchrift: „Der Hochwohlgeborne Herr, Herr George, Reichsfreiherr von Derfflinger, Sr. Kurfürſtlichen Durchlaucht zu Brandenburg Hochbeſtallter Geheimer-Kriegsrath, Statthalter des Herzogthums Hinterpommern und Fürſtenthums Camin, General- Feldmarſchall über dero Armee und Obergouverneur aller Feſtun- gen ꝛc. Herr auf Guſow, Platikow, Wulkow, Cleſſin, Hermers- dorf, Schildberg und der Quitteiniſchen Güter in Preußen ꝛc. iſt auf dieſe Welt geboren Anno 1606 den 10. Marty (März) zu Neuhofen in Ober-Oeſtreich im Lande ob der Ens und auf ſeinem Gute Guſow ſelig im Herrn entſchlafen Anno 1695 den 4. Fe- bruar. Sein Alter 89 Jahr weniger 1 Monat.“ Die vier letzten Zeilen dieſer Inſchrift widerlegen einzelne Irrthümer, denen man, vielleicht geſtützt auf die Pöllnitzſchen Memoiren, noch immer hie und da begegnet. Pöllnitz bezeichnet Böhmen als Derfflingers Heimath und giebt an, daß er in Berlin geſtorben ſei. Beide Angaben werden durch dieſe Grabſchrift am eheſten berichtigt.
Das Grabgewölbe Derfflingers befindet ſich links vom Altar, unter den Sitzbänken eines Kirchenſtuhls. Eine einfache Fallthür, wie ſie in alten Häuſern vom Wohnzimmer aus in den Keller zu führen pflegt, überdeckt hier das Gewölbe und Eiſen- krampe und Vorlegeſchloß thun das übrige. Der Schlüſſel, wenn man um die Erlaubniß bittet, in das Gewölbe hinabſteigen zu dürfen, iſt nie zu finden. Der Küſter verweiſt auf die Kaſtellanin, die Kaſtellanin auf den Rendanten, der Rendant auf den Predi- ger und der Prediger wieder auf den Küſter; ſo daß man, nach- dem man das halbe Dorf durchlaufen hat, ſich ſchließlich überzeugt, daß der Schlüſſel nicht gefunden werden ſoll. Das erſte Gefühl iſt ein Gefühl des Aergers und der Verſtimmung; man glaubt, es werde einem ein gutes Recht vorenthalten, das Recht, an den Sarg eines Mannes treten zu dürfen, der dem Lande, unſerer Geſchichte und unſerem eigenen Herzen angehört. Dieſe erſte Ver-
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Alten liegt. Der Stab iſt von Eichenholz, an beiden Enden mit
ſtarkem Goldblech und der Länge nach mit kleinen vergoldeten
Nägeln beſchlagen. An der Front des Sarkophags befindet ſich
folgende Inſchrift: „Der Hochwohlgeborne Herr, Herr George,
Reichsfreiherr von Derfflinger, Sr. Kurfürſtlichen Durchlaucht zu
Brandenburg Hochbeſtallter Geheimer-Kriegsrath, Statthalter des
Herzogthums Hinterpommern und Fürſtenthums Camin, General-
Feldmarſchall über dero Armee und Obergouverneur aller Feſtun-
gen ꝛc. Herr auf Guſow, Platikow, Wulkow, Cleſſin, Hermers-
dorf, Schildberg und der Quitteiniſchen Güter in Preußen ꝛc. iſt
auf dieſe Welt geboren Anno 1606 den 10. Marty (März) zu
Neuhofen in Ober-Oeſtreich im Lande ob der Ens und auf ſeinem
Gute Guſow ſelig im Herrn entſchlafen Anno 1695 den 4. Fe-
bruar. Sein Alter 89 Jahr weniger 1 Monat.“ Die vier letzten
Zeilen dieſer Inſchrift widerlegen einzelne Irrthümer, denen man,
vielleicht geſtützt auf die Pöllnitzſchen Memoiren, noch immer hie
und da begegnet. Pöllnitz bezeichnet Böhmen als Derfflingers
Heimath und giebt an, daß er in Berlin geſtorben ſei. Beide
Angaben werden durch dieſe Grabſchrift am eheſten berichtigt.
Das Grabgewölbe Derfflingers befindet ſich links vom
Altar, unter den Sitzbänken eines Kirchenſtuhls. Eine einfache
Fallthür, wie ſie in alten Häuſern vom Wohnzimmer aus in den
Keller zu führen pflegt, überdeckt hier das Gewölbe und Eiſen-
krampe und Vorlegeſchloß thun das übrige. Der Schlüſſel, wenn
man um die Erlaubniß bittet, in das Gewölbe hinabſteigen zu
dürfen, iſt nie zu finden. Der Küſter verweiſt auf die Kaſtellanin,
die Kaſtellanin auf den Rendanten, der Rendant auf den Predi-
ger und der Prediger wieder auf den Küſter; ſo daß man, nach-
dem man das halbe Dorf durchlaufen hat, ſich ſchließlich überzeugt,
daß der Schlüſſel nicht gefunden werden ſoll. Das erſte Gefühl
iſt ein Gefühl des Aergers und der Verſtimmung; man glaubt,
es werde einem ein gutes Recht vorenthalten, das Recht, an den
Sarg eines Mannes treten zu dürfen, der dem Lande, unſerer
Geſchichte und unſerem eigenen Herzen angehört. Dieſe erſte Ver-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/343>, abgerufen am 23.11.2024.
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