Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

stimmung indeß mindert sich einigermaßen, sobald wir erfahren,
welchen Unbilden die irdischen Ueberreste des alten Helden viele
Jahre hindurch ausgesetzt gewesen sind. Der alte Feldmarschall, so
erzählt man uns, war im vollen Staat beigesetzt worden. So
schlief er ein volles Jahrhundert lang in seiner Gruft zu Gusow,
ohne daß sich Freund oder Feind um ihn gekümmert hätte; erst
als vor dreißig oder vierzig Jahren der Sinn für das Heimische
in unserem Volk zu erwachen begann, fanden sich Reisende ein
von nah und fern, die den alten Derfflinger sehen wollten. Mit
der Zeit wurde es völlig Mode und Unterhaltungssache, neben dem
schönen Gusower Park auch die Gruft des alten Feldmarschalls zu
besuchen. Eine Mischung von Frivolität und Curiositätenkrämerei
fing an ihr Spiel zu treiben, und ehe eine Dutzend Jahre um
war, lag der alte Feldmarschall nackt, entkleidet in seinem halb er-
brochenen Sarge, nur angethan mit zwei großen Reiterstiefeln, die man
ihm wie zur Verhöhnung gelassen hatte. Eine zufällige Meldung
davon gab an höchster Stelle Anstoß, und der Wunsch wurde
ausgesprochen, den alten Feldmarschall ehrlich gebettet und vor
profaner Neugier geborgen zu sehen. Solcher Wunsch war Befehl.
Der offen stehende, zerbrochene und zernagte Holzkasten, der nur dem
Oberkörper des alten Helden noch ein Ruhebett gegönnt hatte, wurde
jetzt sammt dem Todten in einen schweren Eichensarg gesetzt und
der Deckel ein für alle Mal geschlossen. -- Die irdischen Ueber-
reste des alten Feldmarschalls, die so viele Jahre lang eine Sehens-
würdigkeit der Gusower Kirche waren, haben seitdem aufgehört eine
solche zu sein; der Leib selbst ist fest verwahrt und nur an den
geschlossenen Sarg des alten Helden kann überhaupt noch ein
Besucher treten. Aber dieser Sarg und die Gruft, wo er steht,
sollten wenigstens zugänglich sein. Kann man doch, in der
Potsdamer Garnisonkirche, an die Särge unserer zwei größten
Könige treten und wird jeder, der auf diesem engen Raume zwi-
schen dem Zinnsarg Friedrichs des Großen und der schwarzen
Marmortruhe Friedrich Wilhelms I. stand, dieses Augenblicks nicht
leicht vergessen. Wir begreifen und wir billigen alles, was in der

ſtimmung indeß mindert ſich einigermaßen, ſobald wir erfahren,
welchen Unbilden die irdiſchen Ueberreſte des alten Helden viele
Jahre hindurch ausgeſetzt geweſen ſind. Der alte Feldmarſchall, ſo
erzählt man uns, war im vollen Staat beigeſetzt worden. So
ſchlief er ein volles Jahrhundert lang in ſeiner Gruft zu Guſow,
ohne daß ſich Freund oder Feind um ihn gekümmert hätte; erſt
als vor dreißig oder vierzig Jahren der Sinn für das Heimiſche
in unſerem Volk zu erwachen begann, fanden ſich Reiſende ein
von nah und fern, die den alten Derfflinger ſehen wollten. Mit
der Zeit wurde es völlig Mode und Unterhaltungsſache, neben dem
ſchönen Guſower Park auch die Gruft des alten Feldmarſchalls zu
beſuchen. Eine Miſchung von Frivolität und Curioſitätenkrämerei
fing an ihr Spiel zu treiben, und ehe eine Dutzend Jahre um
war, lag der alte Feldmarſchall nackt, entkleidet in ſeinem halb er-
brochenen Sarge, nur angethan mit zwei großen Reiterſtiefeln, die man
ihm wie zur Verhöhnung gelaſſen hatte. Eine zufällige Meldung
davon gab an höchſter Stelle Anſtoß, und der Wunſch wurde
ausgeſprochen, den alten Feldmarſchall ehrlich gebettet und vor
profaner Neugier geborgen zu ſehen. Solcher Wunſch war Befehl.
Der offen ſtehende, zerbrochene und zernagte Holzkaſten, der nur dem
Oberkörper des alten Helden noch ein Ruhebett gegönnt hatte, wurde
jetzt ſammt dem Todten in einen ſchweren Eichenſarg geſetzt und
der Deckel ein für alle Mal geſchloſſen. — Die irdiſchen Ueber-
reſte des alten Feldmarſchalls, die ſo viele Jahre lang eine Sehens-
würdigkeit der Guſower Kirche waren, haben ſeitdem aufgehört eine
ſolche zu ſein; der Leib ſelbſt iſt feſt verwahrt und nur an den
geſchloſſenen Sarg des alten Helden kann überhaupt noch ein
Beſucher treten. Aber dieſer Sarg und die Gruft, wo er ſteht,
ſollten wenigſtens zugänglich ſein. Kann man doch, in der
Potsdamer Garniſonkirche, an die Särge unſerer zwei größten
Könige treten und wird jeder, der auf dieſem engen Raume zwi-
ſchen dem Zinnſarg Friedrichs des Großen und der ſchwarzen
Marmortruhe Friedrich Wilhelms I. ſtand, dieſes Augenblicks nicht
leicht vergeſſen. Wir begreifen und wir billigen alles, was in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0344" n="326"/>
&#x017F;timmung indeß mindert &#x017F;ich einigermaßen, &#x017F;obald wir erfahren,<lb/>
welchen Unbilden die irdi&#x017F;chen Ueberre&#x017F;te des alten Helden viele<lb/>
Jahre hindurch ausge&#x017F;etzt gewe&#x017F;en &#x017F;ind. Der alte Feldmar&#x017F;chall, &#x017F;o<lb/>
erzählt man uns, war im vollen Staat beige&#x017F;etzt worden. So<lb/>
&#x017F;chlief er ein volles Jahrhundert lang in &#x017F;einer Gruft zu Gu&#x017F;ow,<lb/>
ohne daß &#x017F;ich Freund oder Feind um ihn gekümmert hätte; er&#x017F;t<lb/>
als vor dreißig oder vierzig Jahren der Sinn für das Heimi&#x017F;che<lb/>
in un&#x017F;erem Volk zu erwachen begann, fanden &#x017F;ich Rei&#x017F;ende ein<lb/>
von nah und fern, die den alten Derfflinger &#x017F;ehen wollten. Mit<lb/>
der Zeit wurde es völlig Mode und Unterhaltungs&#x017F;ache, neben dem<lb/>
&#x017F;chönen Gu&#x017F;ower Park auch die Gruft des alten Feldmar&#x017F;challs zu<lb/>
be&#x017F;uchen. Eine Mi&#x017F;chung von Frivolität und Curio&#x017F;itätenkrämerei<lb/>
fing an ihr Spiel zu treiben, und ehe eine Dutzend Jahre um<lb/>
war, lag der alte Feldmar&#x017F;chall nackt, entkleidet in &#x017F;einem halb er-<lb/>
brochenen Sarge, nur angethan mit zwei großen Reiter&#x017F;tiefeln, die man<lb/>
ihm wie zur Verhöhnung gela&#x017F;&#x017F;en hatte. Eine zufällige Meldung<lb/>
davon gab an höch&#x017F;ter Stelle An&#x017F;toß, und der Wun&#x017F;ch wurde<lb/>
ausge&#x017F;prochen, den alten Feldmar&#x017F;chall ehrlich gebettet und vor<lb/>
profaner Neugier geborgen zu &#x017F;ehen. Solcher Wun&#x017F;ch war Befehl.<lb/>
Der offen &#x017F;tehende, zerbrochene und zernagte Holzka&#x017F;ten, der nur dem<lb/>
Oberkörper des alten Helden noch ein Ruhebett gegönnt hatte, wurde<lb/>
jetzt &#x017F;ammt dem Todten in einen &#x017F;chweren Eichen&#x017F;arg ge&#x017F;etzt und<lb/>
der Deckel ein für alle Mal ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Die irdi&#x017F;chen Ueber-<lb/>
re&#x017F;te des alten Feldmar&#x017F;challs, die &#x017F;o viele Jahre lang eine Sehens-<lb/>
würdigkeit der Gu&#x017F;ower Kirche waren, haben &#x017F;eitdem aufgehört eine<lb/>
&#x017F;olche zu &#x017F;ein; der <hi rendition="#g">Leib</hi> &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t fe&#x017F;t verwahrt und nur an den<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen <hi rendition="#g">Sarg</hi> des alten Helden kann überhaupt noch ein<lb/>
Be&#x017F;ucher treten. Aber die&#x017F;er Sarg und die Gruft, wo er &#x017F;teht,<lb/>
&#x017F;ollten wenig&#x017F;tens zugänglich &#x017F;ein. Kann man doch, in der<lb/>
Potsdamer Garni&#x017F;onkirche, an die Särge un&#x017F;erer zwei größten<lb/>
Könige treten und wird jeder, der auf die&#x017F;em engen Raume zwi-<lb/>
&#x017F;chen dem Zinn&#x017F;arg Friedrichs des Großen und der &#x017F;chwarzen<lb/>
Marmortruhe Friedrich Wilhelms <hi rendition="#aq">I.</hi> &#x017F;tand, die&#x017F;es Augenblicks nicht<lb/>
leicht verge&#x017F;&#x017F;en. Wir begreifen und wir billigen alles, was in der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0344] ſtimmung indeß mindert ſich einigermaßen, ſobald wir erfahren, welchen Unbilden die irdiſchen Ueberreſte des alten Helden viele Jahre hindurch ausgeſetzt geweſen ſind. Der alte Feldmarſchall, ſo erzählt man uns, war im vollen Staat beigeſetzt worden. So ſchlief er ein volles Jahrhundert lang in ſeiner Gruft zu Guſow, ohne daß ſich Freund oder Feind um ihn gekümmert hätte; erſt als vor dreißig oder vierzig Jahren der Sinn für das Heimiſche in unſerem Volk zu erwachen begann, fanden ſich Reiſende ein von nah und fern, die den alten Derfflinger ſehen wollten. Mit der Zeit wurde es völlig Mode und Unterhaltungsſache, neben dem ſchönen Guſower Park auch die Gruft des alten Feldmarſchalls zu beſuchen. Eine Miſchung von Frivolität und Curioſitätenkrämerei fing an ihr Spiel zu treiben, und ehe eine Dutzend Jahre um war, lag der alte Feldmarſchall nackt, entkleidet in ſeinem halb er- brochenen Sarge, nur angethan mit zwei großen Reiterſtiefeln, die man ihm wie zur Verhöhnung gelaſſen hatte. Eine zufällige Meldung davon gab an höchſter Stelle Anſtoß, und der Wunſch wurde ausgeſprochen, den alten Feldmarſchall ehrlich gebettet und vor profaner Neugier geborgen zu ſehen. Solcher Wunſch war Befehl. Der offen ſtehende, zerbrochene und zernagte Holzkaſten, der nur dem Oberkörper des alten Helden noch ein Ruhebett gegönnt hatte, wurde jetzt ſammt dem Todten in einen ſchweren Eichenſarg geſetzt und der Deckel ein für alle Mal geſchloſſen. — Die irdiſchen Ueber- reſte des alten Feldmarſchalls, die ſo viele Jahre lang eine Sehens- würdigkeit der Guſower Kirche waren, haben ſeitdem aufgehört eine ſolche zu ſein; der Leib ſelbſt iſt feſt verwahrt und nur an den geſchloſſenen Sarg des alten Helden kann überhaupt noch ein Beſucher treten. Aber dieſer Sarg und die Gruft, wo er ſteht, ſollten wenigſtens zugänglich ſein. Kann man doch, in der Potsdamer Garniſonkirche, an die Särge unſerer zwei größten Könige treten und wird jeder, der auf dieſem engen Raume zwi- ſchen dem Zinnſarg Friedrichs des Großen und der ſchwarzen Marmortruhe Friedrich Wilhelms I. ſtand, dieſes Augenblicks nicht leicht vergeſſen. Wir begreifen und wir billigen alles, was in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/344
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/344>, abgerufen am 23.11.2024.