lonade abgeflacht. *) Das Aeußere des Schlosses, stattlich wie es ist, deutet doch in nichts auf die Pracht und Munificenz hin, die man bei Herrichtung seiner inneren Räume hat walten lassen. Nir- gends ein Geizen mit dem Raum, die Treppen breit, die Flure und Corridore hell und licht, die Zimmer hoch, luftig, geräumig; -- es ist, als habe der Baumeister nichts so ängstlich vermeiden wollen, als die Enge und Gedrücktheit der Thurm- und Erker- stuben, die sonst hier heimisch waren. Nirgends ein Geizen mit dem Raum, aber auch nirgends ein Geizen mit dem, was unterhält, erheitert und schmückt. Wohin wir blicken, eine Fülle von Orna- menten, die vielleicht den Eindruck der Ueberladung machen würden, wenn nicht die Macht des Raumes siegreich über allem schwebte und ein sich Vordrängen des Einzelnen unmöglich machte. Die Karyatiden, die Pfeiler und Säulen mit reichgegliedertem Capitell treten dienend in den Hintergrund zurück, und die schweren Stuck- Ornamente, die an den Decken hängen, verlieren ihre Schwere und fügen sich wie leichtgeschwungene Arabesken in das Bild des Ganzen ein. Zu den Stuck-Ornamenten gesellen sich Plafond-Bilder, die durch alle Säle des Schlosses hin, den Jagdzug der Diana, ihren Zorn über Aktäon und ihre Liebe zum Endymion darstellen, aber wenige von diesen Gemälden, wahrscheinlich Schöpfungen eines italienischen oder französischen Meisters, sind bis auf unsere Zeit gekommen, und diese wenigen verbergen ihre Existenz hinter einer sorglich aufgetragenen Bekleidung von Mörtel und Gips. Sie war- ten auf die Stunde, wo das alte Schloß, das seit 50 Jahren und darüber der tristesten Prosa oder doch der bloßen Nützlichkeit
*) Man erzählt im Schloß, daß dieser abgeflachte Dachfirst, der mit Längsbohlen gedeckt ist und in der That die Länge und Breite einer splendid angelegten Kegelbahn hat, im vorigen Jahrhundert wirklich als solche gedient habe. Ist dem so, so darf man kühnlich behaupten, daß wenigstens in den Marken an keiner schöneren Stelle jemals Kegel ge- spielt worden ist. Die Aussicht, die einen Kreis von fast vier Meilen um- faßt, ist entzückend, Wald und Wasser soweit das Auge reicht und mitten im Bilde die Müggelsberge.
lonade abgeflacht. *) Das Aeußere des Schloſſes, ſtattlich wie es iſt, deutet doch in nichts auf die Pracht und Munificenz hin, die man bei Herrichtung ſeiner inneren Räume hat walten laſſen. Nir- gends ein Geizen mit dem Raum, die Treppen breit, die Flure und Corridore hell und licht, die Zimmer hoch, luftig, geräumig; — es iſt, als habe der Baumeiſter nichts ſo ängſtlich vermeiden wollen, als die Enge und Gedrücktheit der Thurm- und Erker- ſtuben, die ſonſt hier heimiſch waren. Nirgends ein Geizen mit dem Raum, aber auch nirgends ein Geizen mit dem, was unterhält, erheitert und ſchmückt. Wohin wir blicken, eine Fülle von Orna- menten, die vielleicht den Eindruck der Ueberladung machen würden, wenn nicht die Macht des Raumes ſiegreich über allem ſchwebte und ein ſich Vordrängen des Einzelnen unmöglich machte. Die Karyatiden, die Pfeiler und Säulen mit reichgegliedertem Capitell treten dienend in den Hintergrund zurück, und die ſchweren Stuck- Ornamente, die an den Decken hängen, verlieren ihre Schwere und fügen ſich wie leichtgeſchwungene Arabesken in das Bild des Ganzen ein. Zu den Stuck-Ornamenten geſellen ſich Plafond-Bilder, die durch alle Säle des Schloſſes hin, den Jagdzug der Diana, ihren Zorn über Aktäon und ihre Liebe zum Endymion darſtellen, aber wenige von dieſen Gemälden, wahrſcheinlich Schöpfungen eines italieniſchen oder franzöſiſchen Meiſters, ſind bis auf unſere Zeit gekommen, und dieſe wenigen verbergen ihre Exiſtenz hinter einer ſorglich aufgetragenen Bekleidung von Mörtel und Gips. Sie war- ten auf die Stunde, wo das alte Schloß, das ſeit 50 Jahren und darüber der triſteſten Proſa oder doch der bloßen Nützlichkeit
*) Man erzählt im Schloß, daß dieſer abgeflachte Dachfirſt, der mit Längsbohlen gedeckt iſt und in der That die Länge und Breite einer ſplendid angelegten Kegelbahn hat, im vorigen Jahrhundert wirklich als ſolche gedient habe. Iſt dem ſo, ſo darf man kühnlich behaupten, daß wenigſtens in den Marken an keiner ſchöneren Stelle jemals Kegel ge- ſpielt worden iſt. Die Ausſicht, die einen Kreis von faſt vier Meilen um- faßt, iſt entzückend, Wald und Waſſer ſoweit das Auge reicht und mitten im Bilde die Müggelsberge.
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lonade abgeflacht. *) Das Aeußere des Schloſſes, ſtattlich wie es
iſt, deutet doch in nichts auf die Pracht und Munificenz hin, die
man bei Herrichtung ſeiner inneren Räume hat walten laſſen. Nir-
gends ein Geizen mit dem Raum, die Treppen breit, die Flure
und Corridore hell und licht, die Zimmer hoch, luftig, geräumig;
— es iſt, als habe der Baumeiſter nichts ſo ängſtlich vermeiden
wollen, als die Enge und Gedrücktheit der Thurm- und Erker-
ſtuben, die ſonſt hier heimiſch waren. Nirgends ein Geizen mit dem
Raum, aber auch nirgends ein Geizen mit dem, was unterhält,
erheitert und ſchmückt. Wohin wir blicken, eine Fülle von Orna-
menten, die vielleicht den Eindruck der Ueberladung machen würden,
wenn nicht die Macht des Raumes ſiegreich über allem ſchwebte
und ein ſich Vordrängen des Einzelnen unmöglich machte. Die
Karyatiden, die Pfeiler und Säulen mit reichgegliedertem Capitell
treten dienend in den Hintergrund zurück, und die ſchweren Stuck-
Ornamente, die an den Decken hängen, verlieren ihre Schwere
und fügen ſich wie leichtgeſchwungene Arabesken in das Bild des
Ganzen ein. Zu den Stuck-Ornamenten geſellen ſich Plafond-Bilder,
die durch alle Säle des Schloſſes hin, den Jagdzug der Diana,
ihren Zorn über Aktäon und ihre Liebe zum Endymion darſtellen,
aber wenige von dieſen Gemälden, wahrſcheinlich Schöpfungen eines
italieniſchen oder franzöſiſchen Meiſters, ſind bis auf unſere Zeit
gekommen, und dieſe wenigen verbergen ihre Exiſtenz hinter einer
ſorglich aufgetragenen Bekleidung von Mörtel und Gips. Sie war-
ten auf die Stunde, wo das alte Schloß, das ſeit 50 Jahren
und darüber der triſteſten Proſa oder doch der bloßen Nützlichkeit
*) Man erzählt im Schloß, daß dieſer abgeflachte Dachfirſt, der mit
Längsbohlen gedeckt iſt und in der That die Länge und Breite einer
ſplendid angelegten Kegelbahn hat, im vorigen Jahrhundert wirklich als
ſolche gedient habe. Iſt dem ſo, ſo darf man kühnlich behaupten, daß
wenigſtens in den Marken an keiner ſchöneren Stelle jemals Kegel ge-
ſpielt worden iſt. Die Ausſicht, die einen Kreis von faſt vier Meilen um-
faßt, iſt entzückend, Wald und Waſſer ſoweit das Auge reicht und mitten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/366>, abgerufen am 17.06.2024.
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