Trauerjahr war um, der Flor fiel, Hochzeit gab es wieder und bunte Fahnen, -- Sophie Charlotte hielt ihren Einzug in die Marken. Zwanzig Jahre lang stand die helle Sonne dieser Frau über dem dunklen Tannen-Lande, und gab ihm eine Heiterkeit, die es bis dahin nicht gekannt hatte, aber ihr lachendes Auge, das über so Vielem leuchtete, leuchtete nicht über Schloß Coepenick. Waren ihr die Zimmer zu hoch, die Bäume zu dunkel, die Tra- ditionen zu trist, -- gleichviel, sie vermied Schloß Coepenick, wo die hessische Prinzessin, die erste Gemahlin des Kurprinzen, ihre Tage hinweg geängstigt hatte und die sonnenbeschienenen Abhänge des Dorfes Lützow, die ein glückliches Ohngefähr sie hatte kennen lernen, entsprachen mehr ihrem heitern Sinn. Schloß Coepenick verödete, wurde stiller, verlassener als es je gewesen war und Schloß Charlottenburg mit funkelnder Kuppel und goldnen Figu- ren wuchs statt seiner empor.
(Die Zeit Friedrich WilhelmsI.) Schloß Coepenick stand leer, an die zwanzig Jahre und drüber, bis der soldatische Sohn Sophie Charlottens wieder neues Leben in die ausgestor- benen Mauern trug. Die Jagdpassion kam wieder zu Ehren; Tage brachen wieder an, wie sie Kurfürst Joachim nicht wilder, nicht waidmännischer gekannt hatte, und die Dianenbilder an Plafonds und Simsen, die dreißig Jahre lang wie ein Hohn im neuen Jagdschloß zu Coepenick gewesen waren, kamen jetzt zum ersten Mal, seit Rütger von Langenfeld diese Säle und Corridore mit ihnen geschmückt hatte, zu ihrer Bedeutung und ihrem Recht. Jagd tobte wieder um Coepenick her wie in alter Zeit und Fang- eisen und Hörner waren wieder im Schlosse zu Haus.
Diese Jagden zeichneten sich durch die Gefahren aus, die es für guten Ton galt, lieber aufzusuchen als zu vermeiden. Züge eigen- thümlicher Ritterlichkeit machten sich geltend, die an den Hof FranzI. erinnert haben würden, wenn nicht an Stelle galanten Minnedienstes jene kurbrandenburgische Derbheit vorgeherrscht hätte, der zu allen Zeiten ein Kraftwort weit über das beste Wortspiel ging. Bei diesen Jagden, wie Schloß Coepenick sie damals häufig
Trauerjahr war um, der Flor fiel, Hochzeit gab es wieder und bunte Fahnen, — Sophie Charlotte hielt ihren Einzug in die Marken. Zwanzig Jahre lang ſtand die helle Sonne dieſer Frau über dem dunklen Tannen-Lande, und gab ihm eine Heiterkeit, die es bis dahin nicht gekannt hatte, aber ihr lachendes Auge, das über ſo Vielem leuchtete, leuchtete nicht über Schloß Coepenick. Waren ihr die Zimmer zu hoch, die Bäume zu dunkel, die Tra- ditionen zu triſt, — gleichviel, ſie vermied Schloß Coepenick, wo die heſſiſche Prinzeſſin, die erſte Gemahlin des Kurprinzen, ihre Tage hinweg geängſtigt hatte und die ſonnenbeſchienenen Abhänge des Dorfes Lützow, die ein glückliches Ohngefähr ſie hatte kennen lernen, entſprachen mehr ihrem heitern Sinn. Schloß Coepenick verödete, wurde ſtiller, verlaſſener als es je geweſen war und Schloß Charlottenburg mit funkelnder Kuppel und goldnen Figu- ren wuchs ſtatt ſeiner empor.
(Die Zeit Friedrich WilhelmsI.) Schloß Coepenick ſtand leer, an die zwanzig Jahre und drüber, bis der ſoldatiſche Sohn Sophie Charlottens wieder neues Leben in die ausgeſtor- benen Mauern trug. Die Jagdpaſſion kam wieder zu Ehren; Tage brachen wieder an, wie ſie Kurfürſt Joachim nicht wilder, nicht waidmänniſcher gekannt hatte, und die Dianenbilder an Plafonds und Simſen, die dreißig Jahre lang wie ein Hohn im neuen Jagdſchloß zu Coepenick geweſen waren, kamen jetzt zum erſten Mal, ſeit Rütger von Langenfeld dieſe Säle und Corridore mit ihnen geſchmückt hatte, zu ihrer Bedeutung und ihrem Recht. Jagd tobte wieder um Coepenick her wie in alter Zeit und Fang- eiſen und Hörner waren wieder im Schloſſe zu Haus.
Dieſe Jagden zeichneten ſich durch die Gefahren aus, die es für guten Ton galt, lieber aufzuſuchen als zu vermeiden. Züge eigen- thümlicher Ritterlichkeit machten ſich geltend, die an den Hof FranzI. erinnert haben würden, wenn nicht an Stelle galanten Minnedienſtes jene kurbrandenburgiſche Derbheit vorgeherrſcht hätte, der zu allen Zeiten ein Kraftwort weit über das beſte Wortſpiel ging. Bei dieſen Jagden, wie Schloß Coepenick ſie damals häufig
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Trauerjahr war um, der Flor fiel, Hochzeit gab es wieder und
bunte Fahnen, — Sophie Charlotte hielt ihren Einzug in die
Marken. Zwanzig Jahre lang ſtand die helle Sonne dieſer Frau
über dem dunklen Tannen-Lande, und gab ihm eine Heiterkeit,
die es bis dahin nicht gekannt hatte, aber ihr lachendes Auge,
das über ſo Vielem leuchtete, leuchtete nicht über Schloß Coepenick.
Waren ihr die Zimmer zu hoch, die Bäume zu dunkel, die Tra-
ditionen zu triſt, — gleichviel, ſie vermied Schloß Coepenick, wo
die heſſiſche Prinzeſſin, die erſte Gemahlin des Kurprinzen, ihre
Tage hinweg geängſtigt hatte und die ſonnenbeſchienenen Abhänge
des Dorfes Lützow, die ein glückliches Ohngefähr ſie hatte kennen
lernen, entſprachen mehr ihrem heitern Sinn. Schloß Coepenick
verödete, wurde ſtiller, verlaſſener als es je geweſen war und
Schloß Charlottenburg mit funkelnder Kuppel und goldnen Figu-
ren wuchs ſtatt ſeiner empor.
(Die Zeit Friedrich Wilhelms I.) Schloß Coepenick
ſtand leer, an die zwanzig Jahre und drüber, bis der ſoldatiſche
Sohn Sophie Charlottens wieder neues Leben in die ausgeſtor-
benen Mauern trug. Die Jagdpaſſion kam wieder zu Ehren; Tage
brachen wieder an, wie ſie Kurfürſt Joachim nicht wilder, nicht
waidmänniſcher gekannt hatte, und die Dianenbilder an Plafonds
und Simſen, die dreißig Jahre lang wie ein Hohn im neuen
Jagdſchloß zu Coepenick geweſen waren, kamen jetzt zum erſten
Mal, ſeit Rütger von Langenfeld dieſe Säle und Corridore
mit ihnen geſchmückt hatte, zu ihrer Bedeutung und ihrem Recht.
Jagd tobte wieder um Coepenick her wie in alter Zeit und Fang-
eiſen und Hörner waren wieder im Schloſſe zu Haus.
Dieſe Jagden zeichneten ſich durch die Gefahren aus, die es für
guten Ton galt, lieber aufzuſuchen als zu vermeiden. Züge eigen-
thümlicher Ritterlichkeit machten ſich geltend, die an den Hof
Franz I. erinnert haben würden, wenn nicht an Stelle galanten
Minnedienſtes jene kurbrandenburgiſche Derbheit vorgeherrſcht hätte,
der zu allen Zeiten ein Kraftwort weit über das beſte Wortſpiel
ging. Bei dieſen Jagden, wie Schloß Coepenick ſie damals häufig
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/369>, abgerufen am 25.11.2024.
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