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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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sah, wurde fast jedesmal der eine oder andere getödtet oder schwer
verwundet. In ein viereckiges Gehege von 600 bis 700 Schritten,
das von Leinen eingeschlossen war, ließ man oft zwei- oder drei-
hundert wilde Schweine von jedem Alter und jeder Größe ein-
laufen. Hier erwarteten sie die Jäger, je zwei und zwei, um die
wild hereinbrechenden auflaufen zu lassen. Verfehlten sie das Thier
oder zerbrach das Fangeisen, so wurden sie oft über den Haufen
gestoßen und von dem verwundeten Wildschwein übel zugerichtet.
Zuweilen nöthigte der König auch wohl seine Jäger und Pagen
die größten Keiler bei den Ohren zu fassen und mit Gefahr ihres
Lebens so lange festzuhalten, bis er selbst herbei kam, um sie ab-
zufangen. Wer sich zu solchem Dienste weigerte, galt für feige.
Der König selbst wurde auf einer dieser Jagdpartieen, in unmit-
telbarer Nähe von Coepenick, stark verwundet, und würde sein Le-
ben eingebüßt haben, wenn ihm nicht einer seiner Jäger recht-
zeitig beigesprungen wäre.

Blutend schaffte man ihn nach Coepenick. Das war am
15. Januar 1729. Das nächste Jahr aber brachte gewichtigere
Tage, Tage, die den Namen Schloß Coepenick's mit einer der
interessantesten Episoden unserer Geschichte für immer verwoben
haben. Am 28. October 1730 trat hier das Kriegsgericht zusam-
men, das über den Lieutenant Katt vom Regiment Gensd'armes,
so wie über den "desertirten Obristlieutenant Fritz" Urtheil sprechen
sollte. Diese höchst denkwürdige Sitzung fand in dem bereits er-
wähnten Wappensaale statt, dessen eingehendere Beschreibung
wir zunächst hier folgen lassen. Unter den vielen Sälen des
Schlosses ist er nicht nur der historisch interessanteste, sondern auch
dadurch vor allen andern bemerkenswerth, daß er in seiner Ein-
richtung und Ausschmückung weder bedeutend gelitten, noch auch,
hinter einer Gips- und Mörtelverkleidung (wie der Königssaal)
seine Vorzüge verborgen hat. Dieser Wappensaal (der jetzt, wegen
einer in ihm aufgestellten Orgel, den Namen "Orgelsaal" führt)
ist zwei Treppen hoch gelegen und blickt mit seinen Fenstern auf
die wendische Spree hinaus. Im Verhältniß zu seiner Tiefe ist die

ſah, wurde faſt jedesmal der eine oder andere getödtet oder ſchwer
verwundet. In ein viereckiges Gehege von 600 bis 700 Schritten,
das von Leinen eingeſchloſſen war, ließ man oft zwei- oder drei-
hundert wilde Schweine von jedem Alter und jeder Größe ein-
laufen. Hier erwarteten ſie die Jäger, je zwei und zwei, um die
wild hereinbrechenden auflaufen zu laſſen. Verfehlten ſie das Thier
oder zerbrach das Fangeiſen, ſo wurden ſie oft über den Haufen
geſtoßen und von dem verwundeten Wildſchwein übel zugerichtet.
Zuweilen nöthigte der König auch wohl ſeine Jäger und Pagen
die größten Keiler bei den Ohren zu faſſen und mit Gefahr ihres
Lebens ſo lange feſtzuhalten, bis er ſelbſt herbei kam, um ſie ab-
zufangen. Wer ſich zu ſolchem Dienſte weigerte, galt für feige.
Der König ſelbſt wurde auf einer dieſer Jagdpartieen, in unmit-
telbarer Nähe von Coepenick, ſtark verwundet, und würde ſein Le-
ben eingebüßt haben, wenn ihm nicht einer ſeiner Jäger recht-
zeitig beigeſprungen wäre.

Blutend ſchaffte man ihn nach Coepenick. Das war am
15. Januar 1729. Das nächſte Jahr aber brachte gewichtigere
Tage, Tage, die den Namen Schloß Coepenick’s mit einer der
intereſſanteſten Epiſoden unſerer Geſchichte für immer verwoben
haben. Am 28. October 1730 trat hier das Kriegsgericht zuſam-
men, das über den Lieutenant Katt vom Regiment Gensd’armes,
ſo wie über den „deſertirten Obriſtlieutenant Fritz“ Urtheil ſprechen
ſollte. Dieſe höchſt denkwürdige Sitzung fand in dem bereits er-
wähnten Wappenſaale ſtatt, deſſen eingehendere Beſchreibung
wir zunächſt hier folgen laſſen. Unter den vielen Sälen des
Schloſſes iſt er nicht nur der hiſtoriſch intereſſanteſte, ſondern auch
dadurch vor allen andern bemerkenswerth, daß er in ſeiner Ein-
richtung und Ausſchmückung weder bedeutend gelitten, noch auch,
hinter einer Gips- und Mörtelverkleidung (wie der Königsſaal)
ſeine Vorzüge verborgen hat. Dieſer Wappenſaal (der jetzt, wegen
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[352/0370] ſah, wurde faſt jedesmal der eine oder andere getödtet oder ſchwer verwundet. In ein viereckiges Gehege von 600 bis 700 Schritten, das von Leinen eingeſchloſſen war, ließ man oft zwei- oder drei- hundert wilde Schweine von jedem Alter und jeder Größe ein- laufen. Hier erwarteten ſie die Jäger, je zwei und zwei, um die wild hereinbrechenden auflaufen zu laſſen. Verfehlten ſie das Thier oder zerbrach das Fangeiſen, ſo wurden ſie oft über den Haufen geſtoßen und von dem verwundeten Wildſchwein übel zugerichtet. Zuweilen nöthigte der König auch wohl ſeine Jäger und Pagen die größten Keiler bei den Ohren zu faſſen und mit Gefahr ihres Lebens ſo lange feſtzuhalten, bis er ſelbſt herbei kam, um ſie ab- zufangen. Wer ſich zu ſolchem Dienſte weigerte, galt für feige. Der König ſelbſt wurde auf einer dieſer Jagdpartieen, in unmit- telbarer Nähe von Coepenick, ſtark verwundet, und würde ſein Le- ben eingebüßt haben, wenn ihm nicht einer ſeiner Jäger recht- zeitig beigeſprungen wäre. Blutend ſchaffte man ihn nach Coepenick. Das war am 15. Januar 1729. Das nächſte Jahr aber brachte gewichtigere Tage, Tage, die den Namen Schloß Coepenick’s mit einer der intereſſanteſten Epiſoden unſerer Geſchichte für immer verwoben haben. Am 28. October 1730 trat hier das Kriegsgericht zuſam- men, das über den Lieutenant Katt vom Regiment Gensd’armes, ſo wie über den „deſertirten Obriſtlieutenant Fritz“ Urtheil ſprechen ſollte. Dieſe höchſt denkwürdige Sitzung fand in dem bereits er- wähnten Wappenſaale ſtatt, deſſen eingehendere Beſchreibung wir zunächſt hier folgen laſſen. Unter den vielen Sälen des Schloſſes iſt er nicht nur der hiſtoriſch intereſſanteſte, ſondern auch dadurch vor allen andern bemerkenswerth, daß er in ſeiner Ein- richtung und Ausſchmückung weder bedeutend gelitten, noch auch, hinter einer Gips- und Mörtelverkleidung (wie der Königsſaal) ſeine Vorzüge verborgen hat. Dieſer Wappenſaal (der jetzt, wegen einer in ihm aufgeſtellten Orgel, den Namen „Orgelſaal“ führt) iſt zwei Treppen hoch gelegen und blickt mit ſeinen Fenſtern auf die wendiſche Spree hinaus. Im Verhältniß zu ſeiner Tiefe iſt die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/370>, abgerufen am 25.11.2024.