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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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der darauf für sich ebenfalls schriftlich ein Votum entwarf. Am
folgenden Tage, den 28. October, traten darauf sämmtliche 15 Per-
sonen mit ihrem Vorsitzenden zusammen und fällten das Urtheil,
worüber drei verschiedene Protocolle aufgenommen wurden, die außer
den genannten 16 Personen noch von Mylius, General-Auditeur-
Lieutenant, und G. J. Gerbett unterschrieben wurden. Dies
Schlußvotum lautete bekanntlich dahin, daß das Kriegsgericht einen
Rechtsspruch über den Kronprinzen ablehnte, den Lieutenant v. Katte
aber zu lebenslänglichem Festungsarrest verurtheilte. Der König
stieß dies Urtheil um. Manche Punkte in Betreff aller dieser Vor-
gänge waren bis in die neueste Zeit hinein nicht völlig aufgeklärt,
so wie denn z. B. die Angaben von Preuß und Förster in man-
chen Stücken unter einander abweichen; so viel aber hat immer
festgestanden, daß jene denkwürdige Kriegsgerichtssitzung vom 28.
October wirklich im großen Wappensaale zu Coepenick stattgefunden
hat. Vielleicht wäre es angebracht, wo nicht ein historisches Bild,
das den Vorgang darstellt, doch wenigstens eine Gedächtnißtafel
aufzurichten, die die Erinnerung an jenen Tag an dieser Stelle
wahren möchte. (Vgl. die Anmerkungen an betreffender Stelle, die
mehrere Auszüge aus der seitdem erschienenen kleinen Schrift:
"Vollständige Protokolle des Köpenicker Kriegsgerichts etc." enthalten.)

(Die Zeit Henriette Marie's von 1749--1782.) Hen-
riette Marie
geb. Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, hatte
sich mit 14 Jahren bereits an den Herzog von Würtemberg-Teck
vermählt und war mit 29 Jahren Wittwe geworden. Sie lebte
als solche in Berlin und erschien während der letzten Regierungs-
jahre Friedrich Wilhelms I. bei allen Hoffesten, auch unter dem
großen König noch. So gingen die Dinge bis 1749, in welchem
Jahre ihr Schloß Coepenick als Wittwensitz angewiesen wurde. Es
hieß damals, "sie sei verbannt"; auch scheint sie von jenem Zeit-
punkt ab am Berliner Hofe (wenn damals von einem solchen die
Rede sein konnte) nicht länger erschienen zu sein. Welche Gründe
den König zu dieser Verbannung vermochten, ist nur zu muth-
maßen, nicht nachzuweisen. Es heißt, daß Friedrich II. an dem

der darauf für ſich ebenfalls ſchriftlich ein Votum entwarf. Am
folgenden Tage, den 28. October, traten darauf ſämmtliche 15 Per-
ſonen mit ihrem Vorſitzenden zuſammen und fällten das Urtheil,
worüber drei verſchiedene Protocolle aufgenommen wurden, die außer
den genannten 16 Perſonen noch von Mylius, General-Auditeur-
Lieutenant, und G. J. Gerbett unterſchrieben wurden. Dies
Schlußvotum lautete bekanntlich dahin, daß das Kriegsgericht einen
Rechtsſpruch über den Kronprinzen ablehnte, den Lieutenant v. Katte
aber zu lebenslänglichem Feſtungsarreſt verurtheilte. Der König
ſtieß dies Urtheil um. Manche Punkte in Betreff aller dieſer Vor-
gänge waren bis in die neueſte Zeit hinein nicht völlig aufgeklärt,
ſo wie denn z. B. die Angaben von Preuß und Förſter in man-
chen Stücken unter einander abweichen; ſo viel aber hat immer
feſtgeſtanden, daß jene denkwürdige Kriegsgerichtsſitzung vom 28.
October wirklich im großen Wappenſaale zu Coepenick ſtattgefunden
hat. Vielleicht wäre es angebracht, wo nicht ein hiſtoriſches Bild,
das den Vorgang darſtellt, doch wenigſtens eine Gedächtnißtafel
aufzurichten, die die Erinnerung an jenen Tag an dieſer Stelle
wahren möchte. (Vgl. die Anmerkungen an betreffender Stelle, die
mehrere Auszüge aus der ſeitdem erſchienenen kleinen Schrift:
„Vollſtändige Protokolle des Köpenicker Kriegsgerichts ꝛc.“ enthalten.)

(Die Zeit Henriette Marie’s von 1749—1782.) Hen-
riette Marie
geb. Prinzeſſin von Brandenburg-Schwedt, hatte
ſich mit 14 Jahren bereits an den Herzog von Würtemberg-Teck
vermählt und war mit 29 Jahren Wittwe geworden. Sie lebte
als ſolche in Berlin und erſchien während der letzten Regierungs-
jahre Friedrich Wilhelms I. bei allen Hoffeſten, auch unter dem
großen König noch. So gingen die Dinge bis 1749, in welchem
Jahre ihr Schloß Coepenick als Wittwenſitz angewieſen wurde. Es
hieß damals, „ſie ſei verbannt“; auch ſcheint ſie von jenem Zeit-
punkt ab am Berliner Hofe (wenn damals von einem ſolchen die
Rede ſein konnte) nicht länger erſchienen zu ſein. Welche Gründe
den König zu dieſer Verbannung vermochten, iſt nur zu muth-
maßen, nicht nachzuweiſen. Es heißt, daß Friedrich II. an dem

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[354/0372] der darauf für ſich ebenfalls ſchriftlich ein Votum entwarf. Am folgenden Tage, den 28. October, traten darauf ſämmtliche 15 Per- ſonen mit ihrem Vorſitzenden zuſammen und fällten das Urtheil, worüber drei verſchiedene Protocolle aufgenommen wurden, die außer den genannten 16 Perſonen noch von Mylius, General-Auditeur- Lieutenant, und G. J. Gerbett unterſchrieben wurden. Dies Schlußvotum lautete bekanntlich dahin, daß das Kriegsgericht einen Rechtsſpruch über den Kronprinzen ablehnte, den Lieutenant v. Katte aber zu lebenslänglichem Feſtungsarreſt verurtheilte. Der König ſtieß dies Urtheil um. Manche Punkte in Betreff aller dieſer Vor- gänge waren bis in die neueſte Zeit hinein nicht völlig aufgeklärt, ſo wie denn z. B. die Angaben von Preuß und Förſter in man- chen Stücken unter einander abweichen; ſo viel aber hat immer feſtgeſtanden, daß jene denkwürdige Kriegsgerichtsſitzung vom 28. October wirklich im großen Wappenſaale zu Coepenick ſtattgefunden hat. Vielleicht wäre es angebracht, wo nicht ein hiſtoriſches Bild, das den Vorgang darſtellt, doch wenigſtens eine Gedächtnißtafel aufzurichten, die die Erinnerung an jenen Tag an dieſer Stelle wahren möchte. (Vgl. die Anmerkungen an betreffender Stelle, die mehrere Auszüge aus der ſeitdem erſchienenen kleinen Schrift: „Vollſtändige Protokolle des Köpenicker Kriegsgerichts ꝛc.“ enthalten.) (Die Zeit Henriette Marie’s von 1749—1782.) Hen- riette Marie geb. Prinzeſſin von Brandenburg-Schwedt, hatte ſich mit 14 Jahren bereits an den Herzog von Würtemberg-Teck vermählt und war mit 29 Jahren Wittwe geworden. Sie lebte als ſolche in Berlin und erſchien während der letzten Regierungs- jahre Friedrich Wilhelms I. bei allen Hoffeſten, auch unter dem großen König noch. So gingen die Dinge bis 1749, in welchem Jahre ihr Schloß Coepenick als Wittwenſitz angewieſen wurde. Es hieß damals, „ſie ſei verbannt“; auch ſcheint ſie von jenem Zeit- punkt ab am Berliner Hofe (wenn damals von einem ſolchen die Rede ſein konnte) nicht länger erſchienen zu ſein. Welche Gründe den König zu dieſer Verbannung vermochten, iſt nur zu muth- maßen, nicht nachzuweiſen. Es heißt, daß Friedrich II. an dem

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/372>, abgerufen am 17.06.2024.