Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Nebenbuhler bis vor das Portal des Schlosses. So lebte man
damals in Schloß Coepenick. Klein und bedeutungslos vergingen
die Tage, die selbst in der Ausstattung und Einrichtung des
Schlosses nichts geändert zu haben scheinen. Wie konnten sie auch!
Der prinzeßliche Hof zu Coepenick war ein bloßes Filial des mark-
gräflichen Hofes zu Schwedt, der doch seinerseits auch nur wieder
ein Filial, eine bedeutungslose Abzweigung des wirklichen Hofes
war, wie er zu Berlin oder Potsdam existirte.

Das dreißigjährige Leben einer Prinzessin in Schloß Coepe-
nick hat keine Spur daselbst zurückgelassen, aber was ihr Leben
nicht vermochte, das hat ihr Tod gekonnt. Henriette Marie
starb in Schloß Coepenick und ist in der Schloßkapelle, einem
äußerlich unscheinbaren Gebäude, das dem Schlosse selbst gegenüber
liegt, begraben worden. In der jedem Besucher zugänglichen Gruft
der Kapelle steht ein schwerer Eichensarg, der auf seinem obersten
Brett ein vergilbtes seidenes Kissen und auf dem Kissen eine Krone
von dünnem, verbogenen Goldblech trägt. Hebt man den Deckel
ab, so erblickt man die in ihrem achtzigsten Jahre verstorbene Prin-
zessin als Mumie. Sie ist wohlerhalten, aber viel aufgetrockneter
als z. B. die Mumien in der Kirche zu Buch (in Nieder Barnim).
Tüllhaube und Seidenband legen sich noch um Stirn und
Kinn und das schwere gelbe Brokatkleid zeigt noch seine Falten
und raschelt und knistert, als wäre es gestern gemacht. Wir schlie-
ßen den Deckel wieder und steigen hinauf in die Kapelle. Eine
hohe, reich verzierte Decke wölbt sich über uns und macht den
Eindruck des Freundlichen ohne den des Feierlichen vermissen zu
lassen; links vom Altar aber, in einen Fensterpfeiler eingelassen,
erblicken wir eine prächtige Tafel von polirtem schwarzem Marmor,
auf der wir in Goldbuchstaben die Worte lesen: "Diese Gruft
umschließt die verweslichen Ueberreste der durchlauchtigsten Fürstin
und Frau, Henriette Marie, geborene Prinzessin von Preußen
und Brandenburg, vermählte Erbprinzessin und Herzogin von Wür-
temberg und Teck. Sie war geboren den 11. März 1702, ver-
mählt den 8. December 1716 mit dem Erbprinzen Friedrich

Nebenbuhler bis vor das Portal des Schloſſes. So lebte man
damals in Schloß Coepenick. Klein und bedeutungslos vergingen
die Tage, die ſelbſt in der Ausſtattung und Einrichtung des
Schloſſes nichts geändert zu haben ſcheinen. Wie konnten ſie auch!
Der prinzeßliche Hof zu Coepenick war ein bloßes Filial des mark-
gräflichen Hofes zu Schwedt, der doch ſeinerſeits auch nur wieder
ein Filial, eine bedeutungsloſe Abzweigung des wirklichen Hofes
war, wie er zu Berlin oder Potsdam exiſtirte.

Das dreißigjährige Leben einer Prinzeſſin in Schloß Coepe-
nick hat keine Spur daſelbſt zurückgelaſſen, aber was ihr Leben
nicht vermochte, das hat ihr Tod gekonnt. Henriette Marie
ſtarb in Schloß Coepenick und iſt in der Schloßkapelle, einem
äußerlich unſcheinbaren Gebäude, das dem Schloſſe ſelbſt gegenüber
liegt, begraben worden. In der jedem Beſucher zugänglichen Gruft
der Kapelle ſteht ein ſchwerer Eichenſarg, der auf ſeinem oberſten
Brett ein vergilbtes ſeidenes Kiſſen und auf dem Kiſſen eine Krone
von dünnem, verbogenen Goldblech trägt. Hebt man den Deckel
ab, ſo erblickt man die in ihrem achtzigſten Jahre verſtorbene Prin-
zeſſin als Mumie. Sie iſt wohlerhalten, aber viel aufgetrockneter
als z. B. die Mumien in der Kirche zu Buch (in Nieder Barnim).
Tüllhaube und Seidenband legen ſich noch um Stirn und
Kinn und das ſchwere gelbe Brokatkleid zeigt noch ſeine Falten
und raſchelt und kniſtert, als wäre es geſtern gemacht. Wir ſchlie-
ßen den Deckel wieder und ſteigen hinauf in die Kapelle. Eine
hohe, reich verzierte Decke wölbt ſich über uns und macht den
Eindruck des Freundlichen ohne den des Feierlichen vermiſſen zu
laſſen; links vom Altar aber, in einen Fenſterpfeiler eingelaſſen,
erblicken wir eine prächtige Tafel von polirtem ſchwarzem Marmor,
auf der wir in Goldbuchſtaben die Worte leſen: „Dieſe Gruft
umſchließt die verweslichen Ueberreſte der durchlauchtigſten Fürſtin
und Frau, Henriette Marie, geborene Prinzeſſin von Preußen
und Brandenburg, vermählte Erbprinzeſſin und Herzogin von Wür-
temberg und Teck. Sie war geboren den 11. März 1702, ver-
mählt den 8. December 1716 mit dem Erbprinzen Friedrich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0375" n="357"/>
Nebenbuhler bis vor das Portal des Schlo&#x017F;&#x017F;es. So lebte man<lb/>
damals in Schloß Coepenick. Klein und bedeutungslos vergingen<lb/>
die Tage, die &#x017F;elb&#x017F;t in der Aus&#x017F;tattung und Einrichtung des<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;es nichts geändert zu haben &#x017F;cheinen. Wie konnten &#x017F;ie auch!<lb/>
Der prinzeßliche Hof zu Coepenick war ein bloßes Filial des mark-<lb/>
gräflichen Hofes zu Schwedt, der doch &#x017F;einer&#x017F;eits auch nur wieder<lb/>
ein Filial, eine bedeutungslo&#x017F;e Abzweigung des wirklichen Hofes<lb/>
war, wie er zu Berlin oder Potsdam exi&#x017F;tirte.</p><lb/>
          <p>Das dreißigjährige <hi rendition="#g">Leben</hi> einer Prinze&#x017F;&#x017F;in in Schloß Coepe-<lb/>
nick hat keine Spur da&#x017F;elb&#x017F;t zurückgela&#x017F;&#x017F;en, aber was ihr <hi rendition="#g">Leben</hi><lb/>
nicht vermochte, das hat ihr <hi rendition="#g">Tod</hi> gekonnt. <hi rendition="#g">Henriette Marie</hi><lb/>
&#x017F;tarb in Schloß Coepenick und i&#x017F;t in der Schloßkapelle, einem<lb/>
äußerlich un&#x017F;cheinbaren Gebäude, das dem Schlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t gegenüber<lb/>
liegt, begraben worden. In der jedem Be&#x017F;ucher zugänglichen Gruft<lb/>
der Kapelle &#x017F;teht ein &#x017F;chwerer Eichen&#x017F;arg, der auf &#x017F;einem ober&#x017F;ten<lb/>
Brett ein vergilbtes &#x017F;eidenes Ki&#x017F;&#x017F;en und auf dem Ki&#x017F;&#x017F;en eine Krone<lb/>
von dünnem, verbogenen Goldblech trägt. Hebt man den Deckel<lb/>
ab, &#x017F;o erblickt man die in ihrem achtzig&#x017F;ten Jahre ver&#x017F;torbene Prin-<lb/>
ze&#x017F;&#x017F;in als Mumie. Sie i&#x017F;t wohlerhalten, aber viel aufgetrockneter<lb/>
als z. B. die Mumien in der Kirche zu Buch (in Nieder Barnim).<lb/>
Tüllhaube und Seidenband legen &#x017F;ich noch um Stirn und<lb/>
Kinn und das &#x017F;chwere gelbe Brokatkleid zeigt noch &#x017F;eine Falten<lb/>
und ra&#x017F;chelt und kni&#x017F;tert, als wäre es ge&#x017F;tern gemacht. Wir &#x017F;chlie-<lb/>
ßen den Deckel wieder und &#x017F;teigen hinauf in die Kapelle. Eine<lb/>
hohe, reich verzierte Decke wölbt &#x017F;ich über uns und macht den<lb/>
Eindruck des Freundlichen ohne den des Feierlichen vermi&#x017F;&#x017F;en zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en; links vom Altar aber, in einen Fen&#x017F;terpfeiler eingela&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
erblicken wir eine prächtige Tafel von polirtem &#x017F;chwarzem Marmor,<lb/>
auf der wir in Goldbuch&#x017F;taben die Worte le&#x017F;en: &#x201E;Die&#x017F;e Gruft<lb/>
um&#x017F;chließt die verweslichen Ueberre&#x017F;te der durchlauchtig&#x017F;ten Für&#x017F;tin<lb/>
und Frau, <hi rendition="#g">Henriette Marie</hi>, geborene Prinze&#x017F;&#x017F;in von Preußen<lb/>
und Brandenburg, vermählte Erbprinze&#x017F;&#x017F;in und Herzogin von Wür-<lb/>
temberg und Teck. Sie war geboren den 11. März 1702, ver-<lb/>
mählt den 8. December 1716 mit dem Erbprinzen <hi rendition="#g">Friedrich<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0375] Nebenbuhler bis vor das Portal des Schloſſes. So lebte man damals in Schloß Coepenick. Klein und bedeutungslos vergingen die Tage, die ſelbſt in der Ausſtattung und Einrichtung des Schloſſes nichts geändert zu haben ſcheinen. Wie konnten ſie auch! Der prinzeßliche Hof zu Coepenick war ein bloßes Filial des mark- gräflichen Hofes zu Schwedt, der doch ſeinerſeits auch nur wieder ein Filial, eine bedeutungsloſe Abzweigung des wirklichen Hofes war, wie er zu Berlin oder Potsdam exiſtirte. Das dreißigjährige Leben einer Prinzeſſin in Schloß Coepe- nick hat keine Spur daſelbſt zurückgelaſſen, aber was ihr Leben nicht vermochte, das hat ihr Tod gekonnt. Henriette Marie ſtarb in Schloß Coepenick und iſt in der Schloßkapelle, einem äußerlich unſcheinbaren Gebäude, das dem Schloſſe ſelbſt gegenüber liegt, begraben worden. In der jedem Beſucher zugänglichen Gruft der Kapelle ſteht ein ſchwerer Eichenſarg, der auf ſeinem oberſten Brett ein vergilbtes ſeidenes Kiſſen und auf dem Kiſſen eine Krone von dünnem, verbogenen Goldblech trägt. Hebt man den Deckel ab, ſo erblickt man die in ihrem achtzigſten Jahre verſtorbene Prin- zeſſin als Mumie. Sie iſt wohlerhalten, aber viel aufgetrockneter als z. B. die Mumien in der Kirche zu Buch (in Nieder Barnim). Tüllhaube und Seidenband legen ſich noch um Stirn und Kinn und das ſchwere gelbe Brokatkleid zeigt noch ſeine Falten und raſchelt und kniſtert, als wäre es geſtern gemacht. Wir ſchlie- ßen den Deckel wieder und ſteigen hinauf in die Kapelle. Eine hohe, reich verzierte Decke wölbt ſich über uns und macht den Eindruck des Freundlichen ohne den des Feierlichen vermiſſen zu laſſen; links vom Altar aber, in einen Fenſterpfeiler eingelaſſen, erblicken wir eine prächtige Tafel von polirtem ſchwarzem Marmor, auf der wir in Goldbuchſtaben die Worte leſen: „Dieſe Gruft umſchließt die verweslichen Ueberreſte der durchlauchtigſten Fürſtin und Frau, Henriette Marie, geborene Prinzeſſin von Preußen und Brandenburg, vermählte Erbprinzeſſin und Herzogin von Wür- temberg und Teck. Sie war geboren den 11. März 1702, ver- mählt den 8. December 1716 mit dem Erbprinzen Friedrich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/375
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/375>, abgerufen am 17.06.2024.