Charakter; neben dem fruchtbaren Grasland des einen, auf dem die Häuser und Heerden den Wohlstand seiner Bewohner verrathen, erheben sich die Sandberge einer zweiten und dritten Insel, kahl an ihren Abhängen, aber tannenbedeckt auf ihrer Höhe. Auf- und abwärts gleiten die Elb- und Oberkähne, die noch immer den großen Handel zwischen Ost- und Nordsee vermitteln, und der Wind, plötzlich die Richtung wechselnd, klappt das eben noch voll- gebauschte Segel mit dumpfem Schlag an den Mast. Reusen und Netze durchziehen die schmaleren Arme des Stromes und sperren ihn fast; nur vereinzelte Schwäne (die Havel hat deren tausende) gleiten unaufgehalten ihres Wegs. Die rechts gelegenen Ufer sind ziemlich unmalerisch, zur Linken aber auf hohem Plateau, das bald sich rundet und buchtet, bald Landzungen weit in den breiten Strom hinein streckt, erheben sich die prächtigen Tannen des Grunewalds und spannen ihre dunkelgrünen Schirme aus. Die Stämme sind hoch und schlank und alles Unterholz fehlt; so blickt man durch den Rahmen der rothbraunen Stämme bis tief in den Wald hinein und belauscht das Wild, das, gehegt und gepflegt in jenen weiten Jagdrevieren, wie in paradiesischer Sicherheit den Forst durchschreitet und von den vorspringenden Kuppen aus neu- gierig auf den Fluß und sein Treiben hernieder blickt. Sei es die Pflege, die diesem schönen Walde zu Theil wird, oder sei es die Nähe des Wassers, das mit feuchter Kühle die Nadeln labt und leise Nebel um seine Kronen spinnt, gleichviel, die Tannen erschei- nen schöner und edler hier als irgendwo anders und stehen da, als fühlten sie sich als die eingeborenen Herren dieses Landes. Das heimathliche Volkslied hat diese schönen Havelforsten oft ge- feiert, und wer sie jemals wandernd durchzogen hat, der stimmt gern mit ein in die alte Weise:
Blaue Havel, Grunewald, Grüß mir alle beide, Grüß und sag', ich käme bald, Und die Tegler Haide.
Charakter; neben dem fruchtbaren Grasland des einen, auf dem die Häuſer und Heerden den Wohlſtand ſeiner Bewohner verrathen, erheben ſich die Sandberge einer zweiten und dritten Inſel, kahl an ihren Abhängen, aber tannenbedeckt auf ihrer Höhe. Auf- und abwärts gleiten die Elb- und Oberkähne, die noch immer den großen Handel zwiſchen Oſt- und Nordſee vermitteln, und der Wind, plötzlich die Richtung wechſelnd, klappt das eben noch voll- gebauſchte Segel mit dumpfem Schlag an den Maſt. Reuſen und Netze durchziehen die ſchmaleren Arme des Stromes und ſperren ihn faſt; nur vereinzelte Schwäne (die Havel hat deren tauſende) gleiten unaufgehalten ihres Wegs. Die rechts gelegenen Ufer ſind ziemlich unmaleriſch, zur Linken aber auf hohem Plateau, das bald ſich rundet und buchtet, bald Landzungen weit in den breiten Strom hinein ſtreckt, erheben ſich die prächtigen Tannen des Grunewalds und ſpannen ihre dunkelgrünen Schirme aus. Die Stämme ſind hoch und ſchlank und alles Unterholz fehlt; ſo blickt man durch den Rahmen der rothbraunen Stämme bis tief in den Wald hinein und belauſcht das Wild, das, gehegt und gepflegt in jenen weiten Jagdrevieren, wie in paradieſiſcher Sicherheit den Forſt durchſchreitet und von den vorſpringenden Kuppen aus neu- gierig auf den Fluß und ſein Treiben hernieder blickt. Sei es die Pflege, die dieſem ſchönen Walde zu Theil wird, oder ſei es die Nähe des Waſſers, das mit feuchter Kühle die Nadeln labt und leiſe Nebel um ſeine Kronen ſpinnt, gleichviel, die Tannen erſchei- nen ſchöner und edler hier als irgendwo anders und ſtehen da, als fühlten ſie ſich als die eingeborenen Herren dieſes Landes. Das heimathliche Volkslied hat dieſe ſchönen Havelforſten oft ge- feiert, und wer ſie jemals wandernd durchzogen hat, der ſtimmt gern mit ein in die alte Weiſe:
Blaue Havel, Grunewald, Grüß mir alle beide, Grüß und ſag’, ich käme bald, Und die Tegler Haide.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0397"n="379"/>
Charakter; neben dem fruchtbaren Grasland des einen, auf dem<lb/>
die Häuſer und Heerden den Wohlſtand ſeiner Bewohner verrathen,<lb/>
erheben ſich die Sandberge einer zweiten und dritten Inſel, kahl<lb/>
an ihren Abhängen, aber tannenbedeckt auf ihrer Höhe. Auf- und<lb/>
abwärts gleiten die Elb- und Oberkähne, die noch immer den<lb/>
großen Handel zwiſchen Oſt- und Nordſee vermitteln, und der<lb/>
Wind, plötzlich die Richtung wechſelnd, klappt das eben noch voll-<lb/>
gebauſchte Segel mit dumpfem Schlag an den Maſt. Reuſen und<lb/>
Netze durchziehen die ſchmaleren Arme des Stromes und ſperren<lb/>
ihn faſt; nur vereinzelte Schwäne (die Havel hat deren tauſende)<lb/>
gleiten unaufgehalten ihres Wegs. Die rechts gelegenen Ufer ſind<lb/>
ziemlich unmaleriſch, zur Linken aber auf hohem Plateau, das<lb/>
bald ſich rundet und buchtet, bald Landzungen weit in den breiten<lb/>
Strom hinein ſtreckt, erheben ſich die prächtigen Tannen des<lb/><hirendition="#g">Grunewalds</hi> und ſpannen ihre dunkelgrünen Schirme aus. Die<lb/>
Stämme ſind hoch und ſchlank und alles Unterholz fehlt; ſo blickt<lb/>
man durch den Rahmen der rothbraunen Stämme bis tief in den<lb/>
Wald hinein und belauſcht das Wild, das, gehegt und gepflegt in<lb/>
jenen weiten Jagdrevieren, wie in paradieſiſcher Sicherheit den<lb/>
Forſt durchſchreitet und von den vorſpringenden Kuppen aus neu-<lb/>
gierig auf den Fluß und ſein Treiben hernieder blickt. Sei es die<lb/>
Pflege, die dieſem ſchönen Walde zu Theil wird, oder ſei es die<lb/>
Nähe des Waſſers, das mit feuchter Kühle die Nadeln labt und<lb/>
leiſe Nebel um ſeine Kronen ſpinnt, gleichviel, die Tannen erſchei-<lb/>
nen ſchöner und edler hier als irgendwo anders und ſtehen da,<lb/>
als fühlten ſie ſich als die eingeborenen Herren dieſes Landes.<lb/>
Das heimathliche Volkslied hat dieſe ſchönen Havelforſten oft ge-<lb/>
feiert, und wer ſie jemals wandernd durchzogen hat, der ſtimmt<lb/>
gern mit ein in die alte Weiſe:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Blaue Havel, Grunewald,</l><lb/><l>Grüß mir alle beide,</l><lb/><l>Grüß und ſag’, ich käme bald,</l><lb/><l>Und die Tegler Haide.</l></lg><lb/></div></div></body></text></TEI>
[379/0397]
Charakter; neben dem fruchtbaren Grasland des einen, auf dem
die Häuſer und Heerden den Wohlſtand ſeiner Bewohner verrathen,
erheben ſich die Sandberge einer zweiten und dritten Inſel, kahl
an ihren Abhängen, aber tannenbedeckt auf ihrer Höhe. Auf- und
abwärts gleiten die Elb- und Oberkähne, die noch immer den
großen Handel zwiſchen Oſt- und Nordſee vermitteln, und der
Wind, plötzlich die Richtung wechſelnd, klappt das eben noch voll-
gebauſchte Segel mit dumpfem Schlag an den Maſt. Reuſen und
Netze durchziehen die ſchmaleren Arme des Stromes und ſperren
ihn faſt; nur vereinzelte Schwäne (die Havel hat deren tauſende)
gleiten unaufgehalten ihres Wegs. Die rechts gelegenen Ufer ſind
ziemlich unmaleriſch, zur Linken aber auf hohem Plateau, das
bald ſich rundet und buchtet, bald Landzungen weit in den breiten
Strom hinein ſtreckt, erheben ſich die prächtigen Tannen des
Grunewalds und ſpannen ihre dunkelgrünen Schirme aus. Die
Stämme ſind hoch und ſchlank und alles Unterholz fehlt; ſo blickt
man durch den Rahmen der rothbraunen Stämme bis tief in den
Wald hinein und belauſcht das Wild, das, gehegt und gepflegt in
jenen weiten Jagdrevieren, wie in paradieſiſcher Sicherheit den
Forſt durchſchreitet und von den vorſpringenden Kuppen aus neu-
gierig auf den Fluß und ſein Treiben hernieder blickt. Sei es die
Pflege, die dieſem ſchönen Walde zu Theil wird, oder ſei es die
Nähe des Waſſers, das mit feuchter Kühle die Nadeln labt und
leiſe Nebel um ſeine Kronen ſpinnt, gleichviel, die Tannen erſchei-
nen ſchöner und edler hier als irgendwo anders und ſtehen da,
als fühlten ſie ſich als die eingeborenen Herren dieſes Landes.
Das heimathliche Volkslied hat dieſe ſchönen Havelforſten oft ge-
feiert, und wer ſie jemals wandernd durchzogen hat, der ſtimmt
gern mit ein in die alte Weiſe:
Blaue Havel, Grunewald,
Grüß mir alle beide,
Grüß und ſag’, ich käme bald,
Und die Tegler Haide.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/397>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.