hell wurde, und als sie sich aufrichtete, sah sie deutlich, daß ein Theil der Diele wie eine kleine Kellerthür aufgehoben war. Aus der Oeffnung stiegen allerhand zwergenhafte Gestalten, von denen die vordersten kleine Lichtchen trugen, während andere die Hon- neurs machten und die nach ihnen Kommenden willkommen hießen. Sie waren Alle geputzt und schienen sehr heiter. Ehe sich die Wöch- nerin von ihrem Staunen erholen konnte, ordneten sich die Kleinen zu einem Zuge und marschirten zu zwei und zwei vor das Bett der jungen Frau. Die zwei Vordersten baten um die Erlaubniß, ein Familienfest feiern zu dürfen, zu dem sie sich unter dem Ofen versammelt hätten. Frau v. Beeren war eine liebenswürdige Frau; ihr guter Humor gewann die Oberhand und sie nickte bejahend mit dem Kopf. Die Kleinen kehrten nun unter den Ofen zurück und begannen ihr Fest. Aus der Kelleröffnung wurden Tischchen heraufgebracht, andere deckten weiße Tücher darüber, Lichterchen wurden aufgestellt, und ehe zwei Minuten um waren, saßen die Kleinen an ihren Tischen und ließen sich's schmecken. Frau von Beeren konnte die Züge der Einzelnen nicht unterscheiden, aber sie sah die lebhaften Bewegungen und erkannte deutlich, daß alle heiter waren. Nach dem Essen wurde getanzt. Eine leise Musik, als ob Violinen im Traum gespielt würden, klang durch das ganze Zim- mer. Als der Tanz vorüber war, ordneten sich alle wieder zu einem Zuge und erschienen abermals vor dem Bett der jungen Frau. Sie dankten für freundliche Aufnahme, legten ein Angebinde auf die Wiege des Kindes nieder und baten die Mutter, des Geschenkes wohl Acht zu haben: die Familie werde blühen, so lange man das Geschenk in Ehren halte, aber werde vergehen und verderben, sobald man es mißachte. Dann kehrten sie unter den Ofen zurück; die Lichterchen erloschen und alles war wieder dunkel und still.
Als Frau v. Beeren, unsicher, ob sie gewacht oder geträumt, nach dem Angebinde sich umsah, lag es auf der Wiege des Kin- des. Es war eine kleine Bernsteinpuppe mit menschenähnlichem Kopfe, etwa zwei Zoll lang und der untere Theil in einen Fisch- schwanz auslaufend. Dieses Püppchen, das Leute, die zu Anfang
hell wurde, und als ſie ſich aufrichtete, ſah ſie deutlich, daß ein Theil der Diele wie eine kleine Kellerthür aufgehoben war. Aus der Oeffnung ſtiegen allerhand zwergenhafte Geſtalten, von denen die vorderſten kleine Lichtchen trugen, während andere die Hon- neurs machten und die nach ihnen Kommenden willkommen hießen. Sie waren Alle geputzt und ſchienen ſehr heiter. Ehe ſich die Wöch- nerin von ihrem Staunen erholen konnte, ordneten ſich die Kleinen zu einem Zuge und marſchirten zu zwei und zwei vor das Bett der jungen Frau. Die zwei Vorderſten baten um die Erlaubniß, ein Familienfeſt feiern zu dürfen, zu dem ſie ſich unter dem Ofen verſammelt hätten. Frau v. Beeren war eine liebenswürdige Frau; ihr guter Humor gewann die Oberhand und ſie nickte bejahend mit dem Kopf. Die Kleinen kehrten nun unter den Ofen zurück und begannen ihr Feſt. Aus der Kelleröffnung wurden Tiſchchen heraufgebracht, andere deckten weiße Tücher darüber, Lichterchen wurden aufgeſtellt, und ehe zwei Minuten um waren, ſaßen die Kleinen an ihren Tiſchen und ließen ſich’s ſchmecken. Frau von Beeren konnte die Züge der Einzelnen nicht unterſcheiden, aber ſie ſah die lebhaften Bewegungen und erkannte deutlich, daß alle heiter waren. Nach dem Eſſen wurde getanzt. Eine leiſe Muſik, als ob Violinen im Traum geſpielt würden, klang durch das ganze Zim- mer. Als der Tanz vorüber war, ordneten ſich alle wieder zu einem Zuge und erſchienen abermals vor dem Bett der jungen Frau. Sie dankten für freundliche Aufnahme, legten ein Angebinde auf die Wiege des Kindes nieder und baten die Mutter, des Geſchenkes wohl Acht zu haben: die Familie werde blühen, ſo lange man das Geſchenk in Ehren halte, aber werde vergehen und verderben, ſobald man es mißachte. Dann kehrten ſie unter den Ofen zurück; die Lichterchen erloſchen und alles war wieder dunkel und ſtill.
Als Frau v. Beeren, unſicher, ob ſie gewacht oder geträumt, nach dem Angebinde ſich umſah, lag es auf der Wiege des Kin- des. Es war eine kleine Bernſteinpuppe mit menſchenähnlichem Kopfe, etwa zwei Zoll lang und der untere Theil in einen Fiſch- ſchwanz auslaufend. Dieſes Püppchen, das Leute, die zu Anfang
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der Oeffnung ſtiegen allerhand zwergenhafte Geſtalten, von denen
die vorderſten kleine Lichtchen trugen, während andere die Hon-
neurs machten und die nach ihnen Kommenden willkommen hießen.
Sie waren Alle geputzt und ſchienen ſehr heiter. Ehe ſich die Wöch-
nerin von ihrem Staunen erholen konnte, ordneten ſich die Kleinen
zu einem Zuge und marſchirten zu zwei und zwei vor das Bett
der jungen Frau. Die zwei Vorderſten baten um die Erlaubniß,
ein Familienfeſt feiern zu dürfen, zu dem ſie ſich unter dem Ofen
verſammelt hätten. Frau v. Beeren war eine liebenswürdige Frau;
ihr guter Humor gewann die Oberhand und ſie nickte bejahend
mit dem Kopf. Die Kleinen kehrten nun unter den Ofen zurück
und begannen ihr Feſt. Aus der Kelleröffnung wurden Tiſchchen
heraufgebracht, andere deckten weiße Tücher darüber, Lichterchen
wurden aufgeſtellt, und ehe zwei Minuten um waren, ſaßen die
Kleinen an ihren Tiſchen und ließen ſich’s ſchmecken. Frau von
Beeren konnte die Züge der Einzelnen nicht unterſcheiden, aber ſie
ſah die lebhaften Bewegungen und erkannte deutlich, daß alle heiter
waren. Nach dem Eſſen wurde getanzt. Eine leiſe Muſik, als ob
Violinen im Traum geſpielt würden, klang durch das ganze Zim-
mer. Als der Tanz vorüber war, ordneten ſich alle wieder zu einem
Zuge und erſchienen abermals vor dem Bett der jungen Frau.
Sie dankten für freundliche Aufnahme, legten ein Angebinde auf
die Wiege des Kindes nieder und baten die Mutter, des Geſchenkes
wohl Acht zu haben: die Familie werde blühen, ſo lange man
das Geſchenk in Ehren halte, aber werde vergehen und verderben,
ſobald man es mißachte. Dann kehrten ſie unter den Ofen zurück;
die Lichterchen erloſchen und alles war wieder dunkel und ſtill.
Als Frau v. Beeren, unſicher, ob ſie gewacht oder geträumt,
nach dem Angebinde ſich umſah, lag es auf der Wiege des Kin-
des. Es war eine kleine Bernſteinpuppe mit menſchenähnlichem
Kopfe, etwa zwei Zoll lang und der untere Theil in einen Fiſch-
ſchwanz auslaufend. Dieſes Püppchen, das Leute, die zu Anfang
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/417>, abgerufen am 23.11.2024.
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