Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.dieses Jahrhunderts lebten, noch gesehen haben wollen, führte den Allerhühnchen hatte lang im Schrank gelegen, ohne daß seiner Von dem Augenblick an brach das Unheil herein und jene *) Nach einer andern Lesart war ihr Verlobter ein französischer
Offizier, der, in der Schlacht bei Groß-Beeren verwundet, in's Herren- haus geschafft und von Frau v. Beeren gepflegt wurde. Diese Pflege schloß dann (wie immer) mit Verlobung. Diese Version kann halb richtig sein. Capitain Willmer, wie sein Name ergiebt, war ein Deutscher, da aber bei Großbeeren meist Sachsen auf französischer Seite fochten, so ist es wohl möglich, daß er als verwundeter sächsischer Offizier die Bekannt- schaft der Frau v. Beeren machte. dieſes Jahrhunderts lebten, noch geſehen haben wollen, führte den Allerhühnchen hatte lang im Schrank gelegen, ohne daß ſeiner Von dem Augenblick an brach das Unheil herein und jene *) Nach einer andern Lesart war ihr Verlobter ein franzöſiſcher
Offizier, der, in der Schlacht bei Groß-Beeren verwundet, in’s Herren- haus geſchafft und von Frau v. Beeren gepflegt wurde. Dieſe Pflege ſchloß dann (wie immer) mit Verlobung. Dieſe Verſion kann halb richtig ſein. Capitain Willmer, wie ſein Name ergiebt, war ein Deutſcher, da aber bei Großbeeren meiſt Sachſen auf franzöſiſcher Seite fochten, ſo iſt es wohl möglich, daß er als verwundeter ſächſiſcher Offizier die Bekannt- ſchaft der Frau v. Beeren machte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0418" n="400"/> dieſes Jahrhunderts lebten, noch geſehen haben wollen, führte den<lb/> Namen das „Allerhühnchen“ (Alräunchen) und galt als Talisman<lb/> der Familie. Es vererbte ſich von Vater auf Sohn und wurde<lb/> ängſtlich bewahrt und gehütet. <hi rendition="#g">Geiſt</hi> von Beeren kümmerte ſich<lb/> aber natürlich wenig um das wunderliche Familien-Erbſtück; er<lb/> war kein Freund von Sagen und Geſchichten, von Tand und<lb/> Märchenſchnack, und was ſeiner Seele ſo ziemlich am meiſten fehlte,<lb/> das war Pietät und der Sinn für das Geheimnißvolle.</p><lb/> <p>Allerhühnchen hatte lang im Schrank gelegen, ohne daß ſeiner<lb/> erwähnt worden wäre. Da führte das Weihnachtsfeſt eine luſtige<lb/> Geſellſchaft bei Geiſt v. Beeren zuſammen, und der Zufall wollte,<lb/> daß einer der Gäſte vom „Allerhühnchen“ ſprach. „Was iſt’s da-<lb/> mit?“ hieß es von allen Seiten. Die Geſchichte wurde erzählt und<lb/> das Allerhühnchen herbeigeholt. Geiſt von Beeren ließ es rundum<lb/> gehen, witzelte und ſpöttelte und — warf es dann in’s Feuer.</p><lb/> <p>Von dem Augenblick an brach das Unheil herein und jene<lb/> Schläge kamen, deren ich theilweis ſchon erwähnte. Zweimal brach<lb/> Feuer aus, Krieg und Mißwachs zerſtörten die Ernten und raſche<lb/> Todesfälle rafften die Glieder der Familie fort. Der General ſtarb<lb/> plötzlich, bald darauf die beiden Söhne deſſelben, endlich Geiſt v.<lb/> Beeren ſelbſt. Die junge Wittwe, welche <hi rendition="#g">Geiſt</hi> hinterließ, verlobte<lb/> ſich zwei Jahre ſpäter mit dem Hauptmann Willmer <note place="foot" n="*)">Nach einer andern Lesart war ihr Verlobter ein <hi rendition="#g">franzöſiſcher</hi><lb/> Offizier, der, in der Schlacht bei Groß-Beeren verwundet, in’s Herren-<lb/> haus geſchafft und von Frau v. Beeren gepflegt wurde. Dieſe Pflege ſchloß<lb/> dann (wie immer) mit Verlobung. Dieſe Verſion kann <hi rendition="#g">halb</hi> richtig ſein.<lb/> Capitain Willmer, wie ſein Name ergiebt, war ein Deutſcher, da aber<lb/> bei Großbeeren meiſt Sachſen auf franzöſiſcher Seite fochten, ſo iſt es<lb/> wohl möglich, daß er als verwundeter ſächſiſcher Offizier die Bekannt-<lb/> ſchaft der Frau v. Beeren machte.</note>, einem<lb/> liebenswürdigen Mann, und die Hochzeit ſtand nahe bevor. Da<lb/> gerieth Willmer in Streit mit einem Kameraden, einem Herrn v.<lb/> Dolfs von den Garde-Küraſſieren, und in der Haide von Wulkow<lb/> kam es zum Duell. Willmer wurde erſchoſſen. Sein Grab befindet<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [400/0418]
dieſes Jahrhunderts lebten, noch geſehen haben wollen, führte den
Namen das „Allerhühnchen“ (Alräunchen) und galt als Talisman
der Familie. Es vererbte ſich von Vater auf Sohn und wurde
ängſtlich bewahrt und gehütet. Geiſt von Beeren kümmerte ſich
aber natürlich wenig um das wunderliche Familien-Erbſtück; er
war kein Freund von Sagen und Geſchichten, von Tand und
Märchenſchnack, und was ſeiner Seele ſo ziemlich am meiſten fehlte,
das war Pietät und der Sinn für das Geheimnißvolle.
Allerhühnchen hatte lang im Schrank gelegen, ohne daß ſeiner
erwähnt worden wäre. Da führte das Weihnachtsfeſt eine luſtige
Geſellſchaft bei Geiſt v. Beeren zuſammen, und der Zufall wollte,
daß einer der Gäſte vom „Allerhühnchen“ ſprach. „Was iſt’s da-
mit?“ hieß es von allen Seiten. Die Geſchichte wurde erzählt und
das Allerhühnchen herbeigeholt. Geiſt von Beeren ließ es rundum
gehen, witzelte und ſpöttelte und — warf es dann in’s Feuer.
Von dem Augenblick an brach das Unheil herein und jene
Schläge kamen, deren ich theilweis ſchon erwähnte. Zweimal brach
Feuer aus, Krieg und Mißwachs zerſtörten die Ernten und raſche
Todesfälle rafften die Glieder der Familie fort. Der General ſtarb
plötzlich, bald darauf die beiden Söhne deſſelben, endlich Geiſt v.
Beeren ſelbſt. Die junge Wittwe, welche Geiſt hinterließ, verlobte
ſich zwei Jahre ſpäter mit dem Hauptmann Willmer *), einem
liebenswürdigen Mann, und die Hochzeit ſtand nahe bevor. Da
gerieth Willmer in Streit mit einem Kameraden, einem Herrn v.
Dolfs von den Garde-Küraſſieren, und in der Haide von Wulkow
kam es zum Duell. Willmer wurde erſchoſſen. Sein Grab befindet
*) Nach einer andern Lesart war ihr Verlobter ein franzöſiſcher
Offizier, der, in der Schlacht bei Groß-Beeren verwundet, in’s Herren-
haus geſchafft und von Frau v. Beeren gepflegt wurde. Dieſe Pflege ſchloß
dann (wie immer) mit Verlobung. Dieſe Verſion kann halb richtig ſein.
Capitain Willmer, wie ſein Name ergiebt, war ein Deutſcher, da aber
bei Großbeeren meiſt Sachſen auf franzöſiſcher Seite fochten, ſo iſt es
wohl möglich, daß er als verwundeter ſächſiſcher Offizier die Bekannt-
ſchaft der Frau v. Beeren machte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeFontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |