treten oder die Kunst so nebenbei erlernen wollten, und einem jungen Offizier, der aus "Liebhaberei" zu malen vorhatte, antwortete er trocken: "Na, denn bleiben Se man bei Ihr Mächen."
Interessant war sein Verhältniß zu Rauch. Es wurde ihm nach dieser Seite hin das Möglichste zugemuthet, und selbst die bittersten Gegner des alten Herrn (er hatte deren zur Genüge) werden ihm das Zeugniß nicht versagen können, daß er, mit einer selten anzutreffenden Charakterhoheit, dem Aufgang eines Gestirns folgte, das bestimmt war, die Sonne seines eigenen Ruhmes, wenigstens auf Decennien hin, mehr als partiell zu verfinstern. Aeußerungen, die ich bereits im Allgemeinen gethan, hab ich an dieser Stelle im Besonderen zu wiederholen. Kein bitteres Wort, kein abschmeckiges Urtheil kam über seine Lippe; selbst dann nicht, als die jugendlichere Kraft des Rivalen mit Ausführung jenes Friedrichs-Denkmals betraut wurde, das, einst sein Tag- und Nacht- traum, wie nichts andres in seinem Leben, der Gegenstand seines Ehrgeizes und seiner höchsten künstlerischen Begeisterung gewesen war. Ueberall, wo wir dem Namen Rauch's in seiner (Schadow's) Autobio- graphie begegnen, geschieht es in einem Tone unbedingter Huldigung. "Die Figur der Königin zu Charlottenburg war sein erstes glän- zendes Werk, so glänzend, daß es merkwürdig bleibt, wie seine folgenden Werke jenes noch übertreffen konnten." So klingt es stets. Zum Theil mochte das, was als neidlose Bescheidenheit er- schien, ein Resultat klugen Abwarten- und Schweigenkönnens sein. Er wußte, daß seine Zeit wiederkehren würde; er wartete und schwieg; sprachen doch inzwischen seine Werke für ihn. Wenig mehr als ein Jahrzehnt ist seitdem verflossen, und die Wandlung der Gemüther ist rascher gekommen, als er selbst erwartet haben mochte. Die Zeit ist wieder da, wo das Grabmonument des jun- gen Grafen von der Mark (Schadow's erste berühmte Arbeit, in der Dorotheenstädtischen Kirche zu Berlin) wieder ruhmvoll und ebenbürtig neben jenem schönen Frauenbilde im Mausoleum zu Charlottenburg genannt wird, das die Liebe der Einheimischen und
treten oder die Kunſt ſo nebenbei erlernen wollten, und einem jungen Offizier, der aus „Liebhaberei“ zu malen vorhatte, antwortete er trocken: „Na, denn bleiben Se man bei Ihr Mächen.“
Intereſſant war ſein Verhältniß zu Rauch. Es wurde ihm nach dieſer Seite hin das Möglichſte zugemuthet, und ſelbſt die bitterſten Gegner des alten Herrn (er hatte deren zur Genüge) werden ihm das Zeugniß nicht verſagen können, daß er, mit einer ſelten anzutreffenden Charakterhoheit, dem Aufgang eines Geſtirns folgte, das beſtimmt war, die Sonne ſeines eigenen Ruhmes, wenigſtens auf Decennien hin, mehr als partiell zu verfinſtern. Aeußerungen, die ich bereits im Allgemeinen gethan, hab ich an dieſer Stelle im Beſonderen zu wiederholen. Kein bitteres Wort, kein abſchmeckiges Urtheil kam über ſeine Lippe; ſelbſt dann nicht, als die jugendlichere Kraft des Rivalen mit Ausführung jenes Friedrichs-Denkmals betraut wurde, das, einſt ſein Tag- und Nacht- traum, wie nichts andres in ſeinem Leben, der Gegenſtand ſeines Ehrgeizes und ſeiner höchſten künſtleriſchen Begeiſterung geweſen war. Ueberall, wo wir dem Namen Rauch’s in ſeiner (Schadow’s) Autobio- graphie begegnen, geſchieht es in einem Tone unbedingter Huldigung. „Die Figur der Königin zu Charlottenburg war ſein erſtes glän- zendes Werk, ſo glänzend, daß es merkwürdig bleibt, wie ſeine folgenden Werke jenes noch übertreffen konnten.“ So klingt es ſtets. Zum Theil mochte das, was als neidloſe Beſcheidenheit er- ſchien, ein Reſultat klugen Abwarten- und Schweigenkönnens ſein. Er wußte, daß ſeine Zeit wiederkehren würde; er wartete und ſchwieg; ſprachen doch inzwiſchen ſeine Werke für ihn. Wenig mehr als ein Jahrzehnt iſt ſeitdem verfloſſen, und die Wandlung der Gemüther iſt raſcher gekommen, als er ſelbſt erwartet haben mochte. Die Zeit iſt wieder da, wo das Grabmonument des jun- gen Grafen von der Mark (Schadow’s erſte berühmte Arbeit, in der Dorotheenſtädtiſchen Kirche zu Berlin) wieder ruhmvoll und ebenbürtig neben jenem ſchönen Frauenbilde im Mauſoleum zu Charlottenburg genannt wird, das die Liebe der Einheimiſchen und
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[432/0450]
treten oder die Kunſt ſo nebenbei erlernen wollten, und einem
jungen Offizier, der aus „Liebhaberei“ zu malen vorhatte,
antwortete er trocken: „Na, denn bleiben Se man bei Ihr
Mächen.“
Intereſſant war ſein Verhältniß zu Rauch. Es wurde ihm
nach dieſer Seite hin das Möglichſte zugemuthet, und ſelbſt die
bitterſten Gegner des alten Herrn (er hatte deren zur Genüge)
werden ihm das Zeugniß nicht verſagen können, daß er, mit einer
ſelten anzutreffenden Charakterhoheit, dem Aufgang eines Geſtirns
folgte, das beſtimmt war, die Sonne ſeines eigenen Ruhmes,
wenigſtens auf Decennien hin, mehr als partiell zu verfinſtern.
Aeußerungen, die ich bereits im Allgemeinen gethan, hab ich an
dieſer Stelle im Beſonderen zu wiederholen. Kein bitteres Wort,
kein abſchmeckiges Urtheil kam über ſeine Lippe; ſelbſt dann nicht,
als die jugendlichere Kraft des Rivalen mit Ausführung jenes
Friedrichs-Denkmals betraut wurde, das, einſt ſein Tag- und Nacht-
traum, wie nichts andres in ſeinem Leben, der Gegenſtand ſeines
Ehrgeizes und ſeiner höchſten künſtleriſchen Begeiſterung geweſen war.
Ueberall, wo wir dem Namen Rauch’s in ſeiner (Schadow’s) Autobio-
graphie begegnen, geſchieht es in einem Tone unbedingter Huldigung.
„Die Figur der Königin zu Charlottenburg war ſein erſtes glän-
zendes Werk, ſo glänzend, daß es merkwürdig bleibt, wie ſeine
folgenden Werke jenes noch übertreffen konnten.“ So klingt es
ſtets. Zum Theil mochte das, was als neidloſe Beſcheidenheit er-
ſchien, ein Reſultat klugen Abwarten- und Schweigenkönnens ſein.
Er wußte, daß ſeine Zeit wiederkehren würde; er wartete und
ſchwieg; ſprachen doch inzwiſchen ſeine Werke für ihn. Wenig
mehr als ein Jahrzehnt iſt ſeitdem verfloſſen, und die Wandlung
der Gemüther iſt raſcher gekommen, als er ſelbſt erwartet haben
mochte. Die Zeit iſt wieder da, wo das Grabmonument des jun-
gen Grafen von der Mark (Schadow’s erſte berühmte Arbeit, in
der Dorotheenſtädtiſchen Kirche zu Berlin) wieder ruhmvoll und
ebenbürtig neben jenem ſchönen Frauenbilde im Mauſoleum zu
Charlottenburg genannt wird, das die Liebe der Einheimiſchen und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/450>, abgerufen am 23.11.2024.
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