lichen Lebens über Gebühr verschlossen blieben. Das freie Wort ist der Tod der Ironie geworden und wird es täglich mehr. Zu Schadow's Zeiten aber blühte sie noch, und da es für den Ein- zelnen immer mehr oder weniger unmöglich sein wird, sich gegen das Bestechliche eines herrschenden Tones zu verschließen, so adop- tirte auch der Alte diese Sprechweise, allerdings erst, nachdem er sich dieselbe nach seinen eigenen Bedürfnissen zurecht gemacht hatte. Er versetzte sie nämlich mit einem Element, von dem sie in der Regel wenig zu haben pflegt -- mit humoristischer Derbheit, und erzielte dadurch ein Endresultat, dessen hervorstechendster Zug eine vernichtende Grobheit war.
Ein paar illustrirende Beispiele, herausgegriffen aus einer großen Zahl ähnlicher Anekdoten und Ueberlieferungen, mögen hier Platz finden. Vom Professor Stabbfuß, der freilich alles Andre eher war als ein Maler, pflegte der Alte lächelnd zu sagen: "Ja, der Stabbfuß, der hat sich det Malen angewöhnt," und einer Deputation der Bildhauer, deren Gesammtheit ihm am Abend vorher einen Fackelzug gebracht hatte, antwortete er, ohne sich auf Dankesworte einzulassen: "Na, det hat euch woll viel Spaß ge- macht." Verhaßt waren ihm diejenigen, die durch Unterwürfigkeit und schöne Redensarten ausgleichen wollten, was ihnen an Kraft und Können abging, und auf einschmeichlerische Gesuche, wie etwa: "der Herr Director könnten das ja mit Leichtigkeit thun," pflegte er regelmäßig zu antworten: "Ja, dhun könnt' ick et, aber ick dhu et lieber nich." Anmaßung und Dünkel ließ er nicht aufkommen, auch da nicht, wo ein entschiedenes Talent die Aeußerungen der Eitelkeit allenfalls verzeihlich gemacht hätte. Merkte er das Auf- kommen solchen Dünkels, so entstanden[ ]Gespräche wie das folgende: Schadow: Haste det alleene gemacht? Schüler: Ja wohl, Herr Director. Schadow: Janz alleene? Schüler (fast beleidigt): Ja wohl, Herr Director. Schadow: Na, det is jut, Du kannst Töpper werden. (Er hatte eine ganze Scala solcher Ausdrücke zur Verfügung; am niedrigsten stand ihm der Zinngießer.) -- Nicht besser ging es denen, die als "Amateurs" in Reih und Glied ein-
lichen Lebens über Gebühr verſchloſſen blieben. Das freie Wort iſt der Tod der Ironie geworden und wird es täglich mehr. Zu Schadow’s Zeiten aber blühte ſie noch, und da es für den Ein- zelnen immer mehr oder weniger unmöglich ſein wird, ſich gegen das Beſtechliche eines herrſchenden Tones zu verſchließen, ſo adop- tirte auch der Alte dieſe Sprechweiſe, allerdings erſt, nachdem er ſich dieſelbe nach ſeinen eigenen Bedürfniſſen zurecht gemacht hatte. Er verſetzte ſie nämlich mit einem Element, von dem ſie in der Regel wenig zu haben pflegt — mit humoriſtiſcher Derbheit, und erzielte dadurch ein Endreſultat, deſſen hervorſtechendſter Zug eine vernichtende Grobheit war.
Ein paar illuſtrirende Beiſpiele, herausgegriffen aus einer großen Zahl ähnlicher Anekdoten und Ueberlieferungen, mögen hier Platz finden. Vom Profeſſor Stabbfuß, der freilich alles Andre eher war als ein Maler, pflegte der Alte lächelnd zu ſagen: „Ja, der Stabbfuß, der hat ſich det Malen angewöhnt,“ und einer Deputation der Bildhauer, deren Geſammtheit ihm am Abend vorher einen Fackelzug gebracht hatte, antwortete er, ohne ſich auf Dankesworte einzulaſſen: „Na, det hat euch woll viel Spaß ge- macht.“ Verhaßt waren ihm diejenigen, die durch Unterwürfigkeit und ſchöne Redensarten ausgleichen wollten, was ihnen an Kraft und Können abging, und auf einſchmeichleriſche Geſuche, wie etwa: „der Herr Director könnten das ja mit Leichtigkeit thun,“ pflegte er regelmäßig zu antworten: „Ja, dhun könnt’ ick et, aber ick dhu et lieber nich.“ Anmaßung und Dünkel ließ er nicht aufkommen, auch da nicht, wo ein entſchiedenes Talent die Aeußerungen der Eitelkeit allenfalls verzeihlich gemacht hätte. Merkte er das Auf- kommen ſolchen Dünkels, ſo entſtanden[ ]Geſpräche wie das folgende: Schadow: Haſte det alleene gemacht? Schüler: Ja wohl, Herr Director. Schadow: Janz alleene? Schüler (faſt beleidigt): Ja wohl, Herr Director. Schadow: Na, det is jut, Du kannſt Töpper werden. (Er hatte eine ganze Scala ſolcher Ausdrücke zur Verfügung; am niedrigſten ſtand ihm der Zinngießer.) — Nicht beſſer ging es denen, die als „Amateurs“ in Reih und Glied ein-
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lichen Lebens über Gebühr verſchloſſen blieben. Das freie Wort
iſt der Tod der Ironie geworden und wird es täglich mehr. Zu
Schadow’s Zeiten aber blühte ſie noch, und da es für den Ein-
zelnen immer mehr oder weniger unmöglich ſein wird, ſich gegen
das Beſtechliche eines herrſchenden Tones zu verſchließen, ſo adop-
tirte auch der Alte dieſe Sprechweiſe, allerdings erſt, nachdem er
ſich dieſelbe nach ſeinen eigenen Bedürfniſſen zurecht gemacht hatte.
Er verſetzte ſie nämlich mit einem Element, von dem ſie in der
Regel wenig zu haben pflegt — mit humoriſtiſcher Derbheit, und
erzielte dadurch ein Endreſultat, deſſen hervorſtechendſter Zug eine
vernichtende Grobheit war.
Ein paar illuſtrirende Beiſpiele, herausgegriffen aus einer
großen Zahl ähnlicher Anekdoten und Ueberlieferungen, mögen hier
Platz finden. Vom Profeſſor Stabbfuß, der freilich alles Andre
eher war als ein Maler, pflegte der Alte lächelnd zu ſagen: „Ja,
der Stabbfuß, der hat ſich det Malen angewöhnt,“ und einer
Deputation der Bildhauer, deren Geſammtheit ihm am Abend
vorher einen Fackelzug gebracht hatte, antwortete er, ohne ſich auf
Dankesworte einzulaſſen: „Na, det hat euch woll viel Spaß ge-
macht.“ Verhaßt waren ihm diejenigen, die durch Unterwürfigkeit
und ſchöne Redensarten ausgleichen wollten, was ihnen an Kraft
und Können abging, und auf einſchmeichleriſche Geſuche, wie etwa:
„der Herr Director könnten das ja mit Leichtigkeit thun,“ pflegte
er regelmäßig zu antworten: „Ja, dhun könnt’ ick et, aber ick dhu
et lieber nich.“ Anmaßung und Dünkel ließ er nicht aufkommen,
auch da nicht, wo ein entſchiedenes Talent die Aeußerungen der
Eitelkeit allenfalls verzeihlich gemacht hätte. Merkte er das Auf-
kommen ſolchen Dünkels, ſo entſtanden Geſpräche wie das folgende:
Schadow: Haſte det alleene gemacht? Schüler: Ja wohl, Herr
Director. Schadow: Janz alleene? Schüler (faſt beleidigt): Ja
wohl, Herr Director. Schadow: Na, det is jut, Du kannſt
Töpper werden. (Er hatte eine ganze Scala ſolcher Ausdrücke zur
Verfügung; am niedrigſten ſtand ihm der Zinngießer.) — Nicht
beſſer ging es denen, die als „Amateurs“ in Reih und Glied ein-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/449>, abgerufen am 23.11.2024.
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