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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Zwischen dem Hause und der Stadtmauer liegt jetzt ein
Gärtchen. Wir passiren es und stehen vor der Mauerpforte, die
den Kronprinzen allabendlich auf den schönen "Wall" zu führen
pflegte, wenn er nach dem Dienst und der Arbeit des Tages sich
erhob, um im "Tempel" den obengenannten Freundeskreis zu ver-
sammeln.

Die Pforte ist jetzt vermauert und es kostet uns einen Um-
weg, um die Außenseite der Mauer und den "Wall" zu gewinnen.
Seine schattigen Gänge führen uns jetzt nach "Amalthea."

Hier im Garten ist noch manches wie es war. Die Einrich-
richtungen sind verändert, allerhand Neubauten sind entstanden,
aber die Einfassungsmauer ist geblieben und die hohen Platanen
im Hintergrunde, die über die Mauer hinweg mit den draußen
stehenden Bäumen Zwiesprach halten, sind noch lebendige Zeugen
aus den fridericianischen Tagen her. Vor allem existirt noch der
"Tempel." Nicht sind es Säulen mehr, die das Kuppeldach tragen;
ein solides Mauerwerk, mit Thür und Fenstern, ist an ihre Stelle
getreten und bildet ein rundes Zimmer von mäßiger Größe, eben
ausreichend zu einem Souper von Sechs.

Wir sind die glücklich Geladenen. Der Wein lacht in den
Gläsern, die Unterhaltung wächst an Frische und Leben, die Wand-
leuchter brennen und durch die offenstehende Thür trifft Mondlicht
und Abendkühle den froh versammelten[ ]Kreis. Es ist als wäre die
alte Zeit wieder da und ungesucht wird unser Beisammensein zu
einer Darstellung, zu einer Scene aus: "Kronprinz Friedrich in
Ruppin", ein Stück, das noch geschrieben werden soll. Die passenden
Kostüme fehlen freilich, denn an was erinnerten unsre Reiseröcke
weniger, als an die silbergestickten Uniformen der Offiziere des
kronprinzlichen Regiments; aber was den Kostümen gebricht, das
wird aufgewogen durch die künstlerische Treue der Coulissen und
Requisiten. Wir haben die alte Zeit leibhaftig um uns her, nicht
völlig die Zeit des Kronprinzen Friedrich, aber doch immer die
fridericianische Zeit. Die Spiegel mit ihren Rähmen in Barock,
die Tische mit ihren ausgeschweiften Füßen, die Atlas-Gardinen,

Zwiſchen dem Hauſe und der Stadtmauer liegt jetzt ein
Gärtchen. Wir paſſiren es und ſtehen vor der Mauerpforte, die
den Kronprinzen allabendlich auf den ſchönen „Wall“ zu führen
pflegte, wenn er nach dem Dienſt und der Arbeit des Tages ſich
erhob, um im „Tempel“ den obengenannten Freundeskreis zu ver-
ſammeln.

Die Pforte iſt jetzt vermauert und es koſtet uns einen Um-
weg, um die Außenſeite der Mauer und den „Wall“ zu gewinnen.
Seine ſchattigen Gänge führen uns jetzt nach „Amalthea.“

Hier im Garten iſt noch manches wie es war. Die Einrich-
richtungen ſind verändert, allerhand Neubauten ſind entſtanden,
aber die Einfaſſungsmauer iſt geblieben und die hohen Platanen
im Hintergrunde, die über die Mauer hinweg mit den draußen
ſtehenden Bäumen Zwieſprach halten, ſind noch lebendige Zeugen
aus den fridericianiſchen Tagen her. Vor allem exiſtirt noch der
„Tempel.“ Nicht ſind es Säulen mehr, die das Kuppeldach tragen;
ein ſolides Mauerwerk, mit Thür und Fenſtern, iſt an ihre Stelle
getreten und bildet ein rundes Zimmer von mäßiger Größe, eben
ausreichend zu einem Souper von Sechs.

Wir ſind die glücklich Geladenen. Der Wein lacht in den
Gläſern, die Unterhaltung wächſt an Friſche und Leben, die Wand-
leuchter brennen und durch die offenſtehende Thür trifft Mondlicht
und Abendkühle den froh verſammelten[ ]Kreis. Es iſt als wäre die
alte Zeit wieder da und ungeſucht wird unſer Beiſammenſein zu
einer Darſtellung, zu einer Scene aus: „Kronprinz Friedrich in
Ruppin“, ein Stück, das noch geſchrieben werden ſoll. Die paſſenden
Koſtüme fehlen freilich, denn an was erinnerten unſre Reiſeröcke
weniger, als an die ſilbergeſtickten Uniformen der Offiziere des
kronprinzlichen Regiments; aber was den Koſtümen gebricht, das
wird aufgewogen durch die künſtleriſche Treue der Couliſſen und
Requiſiten. Wir haben die alte Zeit leibhaftig um uns her, nicht
völlig die Zeit des Kronprinzen Friedrich, aber doch immer die
fridericianiſche Zeit. Die Spiegel mit ihren Rähmen in Barock,
die Tiſche mit ihren ausgeſchweiften Füßen, die Atlas-Gardinen,

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[50/0068] Zwiſchen dem Hauſe und der Stadtmauer liegt jetzt ein Gärtchen. Wir paſſiren es und ſtehen vor der Mauerpforte, die den Kronprinzen allabendlich auf den ſchönen „Wall“ zu führen pflegte, wenn er nach dem Dienſt und der Arbeit des Tages ſich erhob, um im „Tempel“ den obengenannten Freundeskreis zu ver- ſammeln. Die Pforte iſt jetzt vermauert und es koſtet uns einen Um- weg, um die Außenſeite der Mauer und den „Wall“ zu gewinnen. Seine ſchattigen Gänge führen uns jetzt nach „Amalthea.“ Hier im Garten iſt noch manches wie es war. Die Einrich- richtungen ſind verändert, allerhand Neubauten ſind entſtanden, aber die Einfaſſungsmauer iſt geblieben und die hohen Platanen im Hintergrunde, die über die Mauer hinweg mit den draußen ſtehenden Bäumen Zwieſprach halten, ſind noch lebendige Zeugen aus den fridericianiſchen Tagen her. Vor allem exiſtirt noch der „Tempel.“ Nicht ſind es Säulen mehr, die das Kuppeldach tragen; ein ſolides Mauerwerk, mit Thür und Fenſtern, iſt an ihre Stelle getreten und bildet ein rundes Zimmer von mäßiger Größe, eben ausreichend zu einem Souper von Sechs. Wir ſind die glücklich Geladenen. Der Wein lacht in den Gläſern, die Unterhaltung wächſt an Friſche und Leben, die Wand- leuchter brennen und durch die offenſtehende Thür trifft Mondlicht und Abendkühle den froh verſammelten Kreis. Es iſt als wäre die alte Zeit wieder da und ungeſucht wird unſer Beiſammenſein zu einer Darſtellung, zu einer Scene aus: „Kronprinz Friedrich in Ruppin“, ein Stück, das noch geſchrieben werden ſoll. Die paſſenden Koſtüme fehlen freilich, denn an was erinnerten unſre Reiſeröcke weniger, als an die ſilbergeſtickten Uniformen der Offiziere des kronprinzlichen Regiments; aber was den Koſtümen gebricht, das wird aufgewogen durch die künſtleriſche Treue der Couliſſen und Requiſiten. Wir haben die alte Zeit leibhaftig um uns her, nicht völlig die Zeit des Kronprinzen Friedrich, aber doch immer die fridericianiſche Zeit. Die Spiegel mit ihren Rähmen in Barock, die Tiſche mit ihren ausgeſchweiften Füßen, die Atlas-Gardinen,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/68>, abgerufen am 24.11.2024.