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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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1780 her, denn Marie Antoinette erscheint als eine jugendliche
Schönheit von einigen zwanzig, Catharine aber als eine mehr
denn stattliche Matrone von über 50 Jahr. Aus dem einfachen
Umstande, daß das abgebrannte Palais diese beiden Bilder über-
haupt enthielt, zieh ich den Schluß, daß Prinz Ferdinand bis
1787 häufiger in Ruppin gelebt haben muß; denn aus der
kronprinzlichen Zeit von 1732--1740 können natürlich die
Bildnisse zweier Fürstinnen nicht stammen, von denen die eine
damals ein Kind, die andre noch gar nicht geboren war. Privat-
personen aber waren damals in den allerseltensten Fällen in der
Lage, die Wände ihres Zimmers mit den lebensgroßen Portraits
fremder Fürstlichkeiten schmücken zu können. Was die Bilder selbst
angeht, so macht das wohlerhaltene Portrait der schönen Habs-
burgerin einen sehr gefälligen Eindruck, während das Bildniß der
Kaiserin Catharine, mit dem Andreaskreuz auf der Brust, nicht
nur quantitativ durch Umwandlung aus einem ursprünglichen
Kniestück in ein Bruststück, sondern weit mehr noch qualitativ
durch einen plump aufgetragenen Firniß verloren hat. Die Um-
wandlung in ein Bruststück erfolgte, wie mir der Besitzer vertrau-
lich mittheilte, durch einfache Anwendung einer großen Zuschneide-
Scheere und war nöthig, weil die untre Parthie, bis zum Gürtel
hinauf, schwer gelitten hatte. Der Erzähler hatte keine Ahnung
von der Symbolik seiner Rede, oder von der historischen Gerech-
tigkeit, die die große Zuschneide-Scheere geübt.

Das "Palais" selbst ist niedergebrannt, aber ein apart aus-
sehendes Haus (das sogenannte Mollius'sche Haus) ist an der-
selben Stelle aufgeführt worden, wo 1732 die nachbarlichen Häuser
des Obristen Wreech und des Obristlieutnants Möllendorf zu
einer Art von prinzlichem Palais verbunden wurden. Die Straße,
die zu diesem Hause führt, führt wie billig den Namen der Prinzen-
Straße und der prächtige alte Lindenbaum, der wie ein grüner
Schild seine Zweige vor dem poetisch dreinschauenden grauweißen
Hause ausbreitet, schafft hier ein Bild, wie es dieser Stelle wohl
paßt und kleidet.


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1780 her, denn Marie Antoinette erſcheint als eine jugendliche
Schönheit von einigen zwanzig, Catharine aber als eine mehr
denn ſtattliche Matrone von über 50 Jahr. Aus dem einfachen
Umſtande, daß das abgebrannte Palais dieſe beiden Bilder über-
haupt enthielt, zieh ich den Schluß, daß Prinz Ferdinand bis
1787 häufiger in Ruppin gelebt haben muß; denn aus der
kronprinzlichen Zeit von 1732—1740 können natürlich die
Bildniſſe zweier Fürſtinnen nicht ſtammen, von denen die eine
damals ein Kind, die andre noch gar nicht geboren war. Privat-
perſonen aber waren damals in den allerſeltenſten Fällen in der
Lage, die Wände ihres Zimmers mit den lebensgroßen Portraits
fremder Fürſtlichkeiten ſchmücken zu können. Was die Bilder ſelbſt
angeht, ſo macht das wohlerhaltene Portrait der ſchönen Habs-
burgerin einen ſehr gefälligen Eindruck, während das Bildniß der
Kaiſerin Catharine, mit dem Andreaskreuz auf der Bruſt, nicht
nur quantitativ durch Umwandlung aus einem urſprünglichen
Knieſtück in ein Bruſtſtück, ſondern weit mehr noch qualitativ
durch einen plump aufgetragenen Firniß verloren hat. Die Um-
wandlung in ein Bruſtſtück erfolgte, wie mir der Beſitzer vertrau-
lich mittheilte, durch einfache Anwendung einer großen Zuſchneide-
Scheere und war nöthig, weil die untre Parthie, bis zum Gürtel
hinauf, ſchwer gelitten hatte. Der Erzähler hatte keine Ahnung
von der Symbolik ſeiner Rede, oder von der hiſtoriſchen Gerech-
tigkeit, die die große Zuſchneide-Scheere geübt.

Das „Palais“ ſelbſt iſt niedergebrannt, aber ein apart aus-
ſehendes Haus (das ſogenannte Mollius’ſche Haus) iſt an der-
ſelben Stelle aufgeführt worden, wo 1732 die nachbarlichen Häuſer
des Obriſten Wreech und des Obriſtlieutnants Möllendorf zu
einer Art von prinzlichem Palais verbunden wurden. Die Straße,
die zu dieſem Hauſe führt, führt wie billig den Namen der Prinzen-
Straße und der prächtige alte Lindenbaum, der wie ein grüner
Schild ſeine Zweige vor dem poëtiſch dreinſchauenden grauweißen
Hauſe ausbreitet, ſchafft hier ein Bild, wie es dieſer Stelle wohl
paßt und kleidet.


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[49/0067] 1780 her, denn Marie Antoinette erſcheint als eine jugendliche Schönheit von einigen zwanzig, Catharine aber als eine mehr denn ſtattliche Matrone von über 50 Jahr. Aus dem einfachen Umſtande, daß das abgebrannte Palais dieſe beiden Bilder über- haupt enthielt, zieh ich den Schluß, daß Prinz Ferdinand bis 1787 häufiger in Ruppin gelebt haben muß; denn aus der kronprinzlichen Zeit von 1732—1740 können natürlich die Bildniſſe zweier Fürſtinnen nicht ſtammen, von denen die eine damals ein Kind, die andre noch gar nicht geboren war. Privat- perſonen aber waren damals in den allerſeltenſten Fällen in der Lage, die Wände ihres Zimmers mit den lebensgroßen Portraits fremder Fürſtlichkeiten ſchmücken zu können. Was die Bilder ſelbſt angeht, ſo macht das wohlerhaltene Portrait der ſchönen Habs- burgerin einen ſehr gefälligen Eindruck, während das Bildniß der Kaiſerin Catharine, mit dem Andreaskreuz auf der Bruſt, nicht nur quantitativ durch Umwandlung aus einem urſprünglichen Knieſtück in ein Bruſtſtück, ſondern weit mehr noch qualitativ durch einen plump aufgetragenen Firniß verloren hat. Die Um- wandlung in ein Bruſtſtück erfolgte, wie mir der Beſitzer vertrau- lich mittheilte, durch einfache Anwendung einer großen Zuſchneide- Scheere und war nöthig, weil die untre Parthie, bis zum Gürtel hinauf, ſchwer gelitten hatte. Der Erzähler hatte keine Ahnung von der Symbolik ſeiner Rede, oder von der hiſtoriſchen Gerech- tigkeit, die die große Zuſchneide-Scheere geübt. Das „Palais“ ſelbſt iſt niedergebrannt, aber ein apart aus- ſehendes Haus (das ſogenannte Mollius’ſche Haus) iſt an der- ſelben Stelle aufgeführt worden, wo 1732 die nachbarlichen Häuſer des Obriſten Wreech und des Obriſtlieutnants Möllendorf zu einer Art von prinzlichem Palais verbunden wurden. Die Straße, die zu dieſem Hauſe führt, führt wie billig den Namen der Prinzen- Straße und der prächtige alte Lindenbaum, der wie ein grüner Schild ſeine Zweige vor dem poëtiſch dreinſchauenden grauweißen Hauſe ausbreitet, ſchafft hier ein Bild, wie es dieſer Stelle wohl paßt und kleidet. 4

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/67>, abgerufen am 24.11.2024.