der an Zahl weit überlegene Feind hatte es sichtbarlich in seiner Macht, überall nach seinem Belieben durchzubrechen. Hier war es, wo die Prinzipien sich glänzend bewährten, nach denen Günther, eine Reihe von Jahren hindurch, die ihm untergeordneten Reiter- Regimenter im Dienst geübt und in mehr als dem gewöhnlichen Sinne für den Krieg vorbereitet hatte. Der Kern dieses seines Prinzips hatte nämlich darin bestanden, die einzelnen Eskadrons, die, von Stadt zu Stadt, in den Grenzdistrikten Süd- und Ost- Preußens in Garnison lagen, in einer beständigen Kriegführung mit und unter einander zu erhalten. Es war immer Krieg. Wie eine Art Reise-General war er bald hier, bald da, stellte sich an die Spitze bald dieser, bald jener Schwadron und fiel, sei's Tag, sei's Nacht, über die Truppen eines andern Gar- nisonplatzes her. Dadurch hatte er, in vieljähriger Uebung, ein Corps von seltner Schlagfertigkeit ausgebildet, eine Truppe genau der Art, wie sie jetzt erfordert wurde, wo es darauf ankam, eine Handvoll Leute über weite Strecken hin gleichsam wie auszu- streuen und auf ein gegebenes Zeichen im Ru wieder zu concen- triren. Es war die Kunst, mittelst eines lebendigen, aus vielen Theilen zusammengesetzten Gliederstabs heut' auf 20 Meilen hin eine dünne Grenzlinie zu ziehn und morgen diesen lang ausge- zogenen Stab zu einem compacten und widerstandsfähigen Bündel zusammen zu klappen. In dieser Kunst erwies sich Günther als Meister. Späher und eingebrachte Gefangene erhielten ihn über alle Pläne des Feindes in bester Kenntniß, und wo immer dieser den Durchbruch versuchen mochte (um dann im Rücken das Land zu insurgiren), fand er entweder den Riegel fest vorgeschoben, oder Günther ergriff die Offensive, warf sich auf die Anrückenden und schlug sie direkt oder imponirte ihnen doch genugsam, um sie zum Rückzug zu bewegen. Die Gefechte bei Kolno und Demniki (am 9. und 18. Juli) werden nicht nur für die Lebensgeschichte Gün- thers, sondern namentlich auch für die Geschichte des "kleinen Kriegs" ein paar Muster-Beispiele bleiben.
Die Geschicklichkeit, mit der General Günther operirte, konnte
der an Zahl weit überlegene Feind hatte es ſichtbarlich in ſeiner Macht, überall nach ſeinem Belieben durchzubrechen. Hier war es, wo die Prinzipien ſich glänzend bewährten, nach denen Günther, eine Reihe von Jahren hindurch, die ihm untergeordneten Reiter- Regimenter im Dienſt geübt und in mehr als dem gewöhnlichen Sinne für den Krieg vorbereitet hatte. Der Kern dieſes ſeines Prinzips hatte nämlich darin beſtanden, die einzelnen Eskadrons, die, von Stadt zu Stadt, in den Grenzdiſtrikten Süd- und Oſt- Preußens in Garniſon lagen, in einer beſtändigen Kriegführung mit und unter einander zu erhalten. Es war immer Krieg. Wie eine Art Reiſe-General war er bald hier, bald da, ſtellte ſich an die Spitze bald dieſer, bald jener Schwadron und fiel, ſei’s Tag, ſei’s Nacht, über die Truppen eines andern Gar- niſonplatzes her. Dadurch hatte er, in vieljähriger Uebung, ein Corps von ſeltner Schlagfertigkeit ausgebildet, eine Truppe genau der Art, wie ſie jetzt erfordert wurde, wo es darauf ankam, eine Handvoll Leute über weite Strecken hin gleichſam wie auszu- ſtreuen und auf ein gegebenes Zeichen im Ru wieder zu concen- triren. Es war die Kunſt, mittelſt eines lebendigen, aus vielen Theilen zuſammengeſetzten Gliederſtabs heut’ auf 20 Meilen hin eine dünne Grenzlinie zu ziehn und morgen dieſen lang ausge- zogenen Stab zu einem compacten und widerſtandsfähigen Bündel zuſammen zu klappen. In dieſer Kunſt erwies ſich Günther als Meiſter. Späher und eingebrachte Gefangene erhielten ihn über alle Pläne des Feindes in beſter Kenntniß, und wo immer dieſer den Durchbruch verſuchen mochte (um dann im Rücken das Land zu inſurgiren), fand er entweder den Riegel feſt vorgeſchoben, oder Günther ergriff die Offenſive, warf ſich auf die Anrückenden und ſchlug ſie direkt oder imponirte ihnen doch genugſam, um ſie zum Rückzug zu bewegen. Die Gefechte bei Kolno und Demniki (am 9. und 18. Juli) werden nicht nur für die Lebensgeſchichte Gün- thers, ſondern namentlich auch für die Geſchichte des „kleinen Kriegs“ ein paar Muſter-Beiſpiele bleiben.
Die Geſchicklichkeit, mit der General Günther operirte, konnte
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[57/0075]
der an Zahl weit überlegene Feind hatte es ſichtbarlich in ſeiner
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eine Reihe von Jahren hindurch, die ihm untergeordneten Reiter-
Regimenter im Dienſt geübt und in mehr als dem gewöhnlichen
Sinne für den Krieg vorbereitet hatte. Der Kern dieſes ſeines
Prinzips hatte nämlich darin beſtanden, die einzelnen Eskadrons,
die, von Stadt zu Stadt, in den Grenzdiſtrikten Süd- und Oſt-
Preußens in Garniſon lagen, in einer beſtändigen Kriegführung
mit und unter einander zu erhalten. Es war immer
Krieg. Wie eine Art Reiſe-General war er bald hier, bald da,
ſtellte ſich an die Spitze bald dieſer, bald jener Schwadron und
fiel, ſei’s Tag, ſei’s Nacht, über die Truppen eines andern Gar-
niſonplatzes her. Dadurch hatte er, in vieljähriger Uebung, ein
Corps von ſeltner Schlagfertigkeit ausgebildet, eine Truppe genau
der Art, wie ſie jetzt erfordert wurde, wo es darauf ankam, eine
Handvoll Leute über weite Strecken hin gleichſam wie auszu-
ſtreuen und auf ein gegebenes Zeichen im Ru wieder zu concen-
triren. Es war die Kunſt, mittelſt eines lebendigen, aus vielen
Theilen zuſammengeſetzten Gliederſtabs heut’ auf 20 Meilen hin
eine dünne Grenzlinie zu ziehn und morgen dieſen lang ausge-
zogenen Stab zu einem compacten und widerſtandsfähigen Bündel
zuſammen zu klappen. In dieſer Kunſt erwies ſich Günther
als Meiſter. Späher und eingebrachte Gefangene erhielten ihn über
alle Pläne des Feindes in beſter Kenntniß, und wo immer dieſer
den Durchbruch verſuchen mochte (um dann im Rücken das Land
zu inſurgiren), fand er entweder den Riegel feſt vorgeſchoben, oder
Günther ergriff die Offenſive, warf ſich auf die Anrückenden und
ſchlug ſie direkt oder imponirte ihnen doch genugſam, um ſie zum
Rückzug zu bewegen. Die Gefechte bei Kolno und Demniki (am
9. und 18. Juli) werden nicht nur für die Lebensgeſchichte Gün-
thers, ſondern namentlich auch für die Geſchichte des „kleinen
Kriegs“ ein paar Muſter-Beiſpiele bleiben.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/75>, abgerufen am 24.11.2024.
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