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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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als einen raschen und kühnen Reitergeneral, wie er seit den Tagen
Zietens nicht dagewesen war. Droysen, in seinem Leben York's
(York war Offizier in Günther's Corps), schildert unsern General
wie folgt: "An der Spitze seiner Bosniaken, in den hastigen
Plötzlichkeiten des Parteigängerkrieges, war er in seinem Element,
er selbst immer voran. Seine Schlauheit und körperliche Gewandt-
heit gaben ihm die Lust der Gefahr; er verstand es, sie bei seinen
Leuten bis zur Tollkühnheit zu steigern, aber indem er es rück-
sichtslos mit jedem Feinde aufzunehmen schien, lag seiner Kühn-
heit die besonnenste Berechnung zum Grunde. So verstand er es,
den Leuten die Zuversicht des Erfolges zu geben. Eine kurze An-
rede, -- dann ging es mit niederwerfendem Ungestüm auf den
Feind. Kam es besonders hart, so hielt er wohl eine Ansprache
wie die folgende: "Alles ist reiflich und behutsam erwogen; auch
habe ich gethan, was zu allen Dingen den Segen bringt, habe
Gott den Herrn um seinen allmächtigen Beistand angefleht, wenn
wir aber doch nicht gewinnen, so hole euch verfluchte
Kerle alle der Teufel, denn dann tragt ihr allein die
Schuld
."

Nach Vorausschickung dieser allgemeinen Bemerkungen, die
den Mann und den Geist, der in seiner Truppe lebendig war,
sehr anschaulich schildern, wenden wir uns den Ereignissen selber
zu, die ihm Gelegenheit gaben, solche Ansprache zu halten.

Die polnischen Besitzungen Preußens (das sogenannte Süd-
Preußen) waren damals viel ausgedehnter als jetzt und mit Rück-
sicht auf das weite, weder durch Kunst noch Natur befestigte Areal
sehr schwach mit Truppen besetzt. Die nächste Aufgabe, die den
Truppenführern nach Ausbruch der Feindseligkeiten zufiel, war die,
eine unendlich langgezogene Grenze mit einer Armee zu decken, die
kaum 10,000 Mann zählen mochte. Unser Günther erhielt den
linken Flügel und hatte eine 20 Meilen lange Linie, die sich, am
Narew und seinen Nebenflüssen entlang, von Ostrolenka bis Gra-
jewo erstreckte, mit zehn Eskadrons und einem Bataillon zu ver-
theidigen. Es schien fast unmöglich; das Land lag offen da und

als einen raſchen und kühnen Reitergeneral, wie er ſeit den Tagen
Zietens nicht dageweſen war. Droyſen, in ſeinem Leben York’s
(York war Offizier in Günther’s Corps), ſchildert unſern General
wie folgt: „An der Spitze ſeiner Bosniaken, in den haſtigen
Plötzlichkeiten des Parteigängerkrieges, war er in ſeinem Element,
er ſelbſt immer voran. Seine Schlauheit und körperliche Gewandt-
heit gaben ihm die Luſt der Gefahr; er verſtand es, ſie bei ſeinen
Leuten bis zur Tollkühnheit zu ſteigern, aber indem er es rück-
ſichtslos mit jedem Feinde aufzunehmen ſchien, lag ſeiner Kühn-
heit die beſonnenſte Berechnung zum Grunde. So verſtand er es,
den Leuten die Zuverſicht des Erfolges zu geben. Eine kurze An-
rede, — dann ging es mit niederwerfendem Ungeſtüm auf den
Feind. Kam es beſonders hart, ſo hielt er wohl eine Anſprache
wie die folgende: „Alles iſt reiflich und behutſam erwogen; auch
habe ich gethan, was zu allen Dingen den Segen bringt, habe
Gott den Herrn um ſeinen allmächtigen Beiſtand angefleht, wenn
wir aber doch nicht gewinnen, ſo hole euch verfluchte
Kerle alle der Teufel, denn dann tragt ihr allein die
Schuld
.“

Nach Vorausſchickung dieſer allgemeinen Bemerkungen, die
den Mann und den Geiſt, der in ſeiner Truppe lebendig war,
ſehr anſchaulich ſchildern, wenden wir uns den Ereigniſſen ſelber
zu, die ihm Gelegenheit gaben, ſolche Anſprache zu halten.

Die polniſchen Beſitzungen Preußens (das ſogenannte Süd-
Preußen) waren damals viel ausgedehnter als jetzt und mit Rück-
ſicht auf das weite, weder durch Kunſt noch Natur befeſtigte Areal
ſehr ſchwach mit Truppen beſetzt. Die nächſte Aufgabe, die den
Truppenführern nach Ausbruch der Feindſeligkeiten zufiel, war die,
eine unendlich langgezogene Grenze mit einer Armee zu decken, die
kaum 10,000 Mann zählen mochte. Unſer Günther erhielt den
linken Flügel und hatte eine 20 Meilen lange Linie, die ſich, am
Narew und ſeinen Nebenflüſſen entlang, von Oſtrolenka bis Gra-
jewo erſtreckte, mit zehn Eskadrons und einem Bataillon zu ver-
theidigen. Es ſchien faſt unmöglich; das Land lag offen da und

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[56/0074] als einen raſchen und kühnen Reitergeneral, wie er ſeit den Tagen Zietens nicht dageweſen war. Droyſen, in ſeinem Leben York’s (York war Offizier in Günther’s Corps), ſchildert unſern General wie folgt: „An der Spitze ſeiner Bosniaken, in den haſtigen Plötzlichkeiten des Parteigängerkrieges, war er in ſeinem Element, er ſelbſt immer voran. Seine Schlauheit und körperliche Gewandt- heit gaben ihm die Luſt der Gefahr; er verſtand es, ſie bei ſeinen Leuten bis zur Tollkühnheit zu ſteigern, aber indem er es rück- ſichtslos mit jedem Feinde aufzunehmen ſchien, lag ſeiner Kühn- heit die beſonnenſte Berechnung zum Grunde. So verſtand er es, den Leuten die Zuverſicht des Erfolges zu geben. Eine kurze An- rede, — dann ging es mit niederwerfendem Ungeſtüm auf den Feind. Kam es beſonders hart, ſo hielt er wohl eine Anſprache wie die folgende: „Alles iſt reiflich und behutſam erwogen; auch habe ich gethan, was zu allen Dingen den Segen bringt, habe Gott den Herrn um ſeinen allmächtigen Beiſtand angefleht, wenn wir aber doch nicht gewinnen, ſo hole euch verfluchte Kerle alle der Teufel, denn dann tragt ihr allein die Schuld.“ Nach Vorausſchickung dieſer allgemeinen Bemerkungen, die den Mann und den Geiſt, der in ſeiner Truppe lebendig war, ſehr anſchaulich ſchildern, wenden wir uns den Ereigniſſen ſelber zu, die ihm Gelegenheit gaben, ſolche Anſprache zu halten. Die polniſchen Beſitzungen Preußens (das ſogenannte Süd- Preußen) waren damals viel ausgedehnter als jetzt und mit Rück- ſicht auf das weite, weder durch Kunſt noch Natur befeſtigte Areal ſehr ſchwach mit Truppen beſetzt. Die nächſte Aufgabe, die den Truppenführern nach Ausbruch der Feindſeligkeiten zufiel, war die, eine unendlich langgezogene Grenze mit einer Armee zu decken, die kaum 10,000 Mann zählen mochte. Unſer Günther erhielt den linken Flügel und hatte eine 20 Meilen lange Linie, die ſich, am Narew und ſeinen Nebenflüſſen entlang, von Oſtrolenka bis Gra- jewo erſtreckte, mit zehn Eskadrons und einem Bataillon zu ver- theidigen. Es ſchien faſt unmöglich; das Land lag offen da und

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/74>, abgerufen am 24.11.2024.